Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Trauer und Empörung nach Pitbull-Attacke

Kerzen am Tatort: "Ich möchte dass du wieder lebst." Keystone

Der Bundesrat reagiert mit Bestürzung auf die tödliche Attacke dreier Kampfhunde, die am Donnerstag den Tod eines sechsjährigen Knaben forderte.

An einem Trauermarsch in Oberglatt begaben sich am Freitagabend mehrere hundert Menschen – darunter viele Kinder – an den Tatort und stellten Kerzen auf.

Der Ruf nach einem Verbot von Kampfhunden wird in der Schweiz immer lauter. Der grausame Tod eines sechsjährigen Knaben durch eine Kampfhundeattacke rüttelt Politik und Bevölkerung auf.

Anders als bei der letzten Kampfhunde-Diskussion vor fünf Jahren sollen dieses Mal rigorose Massnahmen nicht ausbleiben.

Bundesrat Joseph Deiss zeigte sich im Namen der Landesregierung bestürzt. “Es ist nicht richtig, jetzt wieder zur Tagesordnung überzugehen”, sagte er. Solche Vorfälle dürften nicht passieren. Er habe das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) beauftragt, Vorschläge für eine Verschärfung der gesetzlichen Grundlagen zu machen.

Kerzen und Briefe

Hunderte haben am Freitagabend in Oberglatt ihre Betroffenheit über die tödliche Kampfhund-Attacke vom Donnerstag ausgedrückt. Der Schweigemarsch, an dem auch viele Familien mit Kindern teilnahmen, führte zum Tatort am Waldrand.

Dort hatten bereits zahlreiche Menschen Kerzen und Briefe zum Gedenken an das sechsjährige Opfer hingelegt. “Ich möchte dass du wieder lebst”, steht auf einem Kinderbrief.

Die Kindergärtler sind auch am Tag nach dem schrecklichen Vorfall von einem Schulpsychologen betreut worden. Der 6-jährige Knabe hatte sich auf dem Weg zum Kindergarten befunden, als er am Donnerstagmorgen von drei American Pitbull Terriers angefallen und auf der Stelle zu Tode gebissen wurde.

Hoffen auf den Meinungsumschwung

Der Aargauer EVP-Nationalrat Heiner Studer will am Montag mit einer Motion ein Verbot gefährlicher Hunderassen fordern. Ein ähnlicher Vorstoss wurde vor fünf Jahren abgelehnt. Studer hofft nun, dass die Tragödie in Oberglatt zu einem Meinungsumschwung führt.

Der Zürcher Bezirkstierarzt Dieter Frölich forderte ein generelles Verbot für Kampfhunde: “Es sind immer dieselben Hunderassen und Hundehalter, die Probleme bereiteten.” Darunter hätten diejenigen Hundebesitzer zu leiden, die sich korrekt verhielten.

Zürcher Politiker wollen nun das kantonale Hundegesetz nach dem Vorbild der beiden Basel revidieren. Die dortigen Gesetze enthalten unter anderem eine Liste mit potenziell gefährlichen Rassen.

Das Halten dieser Rassen ist in Basel bewilligungspflichtig. Der Halter muss ein Mindestalter erreicht haben und über einen makellosen Leumund verfügen. Die Hunde müssen mit einem Mikrochip gekennzeichnet sein und einen Charaktertest bestehen.

Verbote trotzdem umstritten

Rassenverbote sind in der Schweiz allerdings umstritten. Der Direktor des BVET, Hans Wyss, etwa argumentierte: “Rassenverbote wurden breit diskutiert und Experten sind zum Schluss gekommen, dass sie nichts taugen.”

Die Zürcher Staatsanwaltschaft eröffnete inzwischen ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen den Hundehalter, einen 41-jährigen Italiener. Beschuldigt werden auch dessen Freundin, eine 28 Jahre alte Schweizerin, und der Inhaber der Wohnung in Oberglatt, von wo die erst 15 Monate alten Pitbull-Terrier entwichen und ihre tödliche Attacke auf den Knaben starteten.

Halter war bei der Polizei bekannt

Die Ermittler enthüllten brisante Details zur Herkunft der Hunde. Diese wurden unter widrigsten Bedingungen von der 78-jährigen Mutter des Halters in Italien aufgezogen. Die nach der Attacke getöteten Tiere hätten zum Teil alte Narben am Kopf und am Nacken gehabt, erläuterte Staatsanwältin Susanne Steinhauser.

Die Tiere wurden erst vor wenigen Tagen in die Schweiz eingeführt – offenbar völlig legal. “Der Halter wollte sie hier an den Umgang mit Menschen gewöhnen und anschliessend verkaufen”, sagte Polizeisprecher Willy Benz. Der Hundehalter war der Polizei einschlägig bekannt.

Er wurde im vergangenen April gebüsst, als zwei seiner Pitbull-Terrier in Wetzikon herumstreunten.

swissinfo und Agenturen

Gemäss dem Bundesamt für Veterinärwesen werden in der Schweiz jedes Jahr rund 13’000 Personen von einem Hund gebissen.

In 24% der Fälle beisst der eigene Hund, in 34% kennt das Opfer den Hund und in 42% beissen unbekannte Hunde.

Im November 2000 sprang eine Frau vor Schreck in die Limmatt und ertrank, nachdem sie ein Dobermann bedroht hatte.

In Deutschland sind mehrere Hunderassen nicht zum Import zugelassen.

Ein Grossteil der 16 Bundesländer kennt auch ein Zuchtverbot für einzelne Rassen.

In Frankreich ist das Importieren und Züchten von gewissen Rassen verboten.

Tiere, die vor in Kraft treten des Gesetzes bereits im Land waren, mussten sterilisiert werden.

Ausserdem müssen gewisse Rassen im öffentlichen Raum einen Maulkorb tragen und an der Leine geführt werden.

In England sind Maulkorb und Leine obligatorisch.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft