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UBS will Schlussstrich unter Krise ziehen

Der ehemalige UBS-Präsident Marcel Ospel hat allen Grund zur Freude. Valeriano Di Domenico/EQ Images

Die UBS räumt Fehler ein, verzichtet aber auf Klagen gegen Verantwortliche. Mit dem Bericht zur Aufarbeitung der Krise im eigenen Haus will das Institut "einen Schlussstrich ziehen". Die UBS versuche neue Erkenntnisse zu vermeiden, kritisierte die SP.

UBS-Präsident Kaspar Villiger hat am Donnerstag ein harsches Urteil über die früheren Zustände in der UBS gefällt.

Manager und Investmentbanker hätten selbstgefällig Warnsignale im US-Hypothekenmarkt missachtet, während Top-Kader und Kundenberater nicht glauben wollten, dass die USA ihre Steuergesetze rigoros durchsetzen könnten.

Klagen gegen die Ex-Chefs der Bank erteilte Villiger aber endgültig eine Absage, als er in Zürich vor den Medien den 76-seitigen “Transparenzbericht” des Verwaltungsrates zur Finanzkrise und zum US-Steuerstreit erläuterte.

“Was geschehen ist, hätte nicht geschehen dürfen”, schreibt Villiger im Vorwort zum Bericht.

Die UBS habe aber die Lehren gezogen, wolle nun “einen Schlussstrich ziehen” und sich auf die Zukunft konzentrieren. Für die Vergangenheitsbewältigung habe die UBS eine “dreistellige” Millionensumme ausgegeben, betonte Villiger.

Es seien über ein Dutzend interner und externer Untersuchungen erstellt worden, die in den Bericht eingeflossen seien.

Den Bericht hatten die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) des Parlaments gefordert. Das Aufsichtsorgan des Parlaments verlangte Ende Mai, dass die Grossbank die bankinternen Vorgänge unabhängig aufarbeitet. Die GPK stellten sich dazu ein neutrales Expertengremium vor.

Ballast für andere Prozesse

Auf Klagen gegen Verantwortliche hatte der Verwaltungsrat schon im Dezember 2009 verzichtet. Den Verzicht begründet die Bank mit dem ungewissen Erfolg, den hohen Kosten, der Negativpublizität und der Auswirkung auf andere Prozesse.

Ein Verfahren gegen Verantwortliche wie den Ex-Präsidenten Marcel Ospel würde die Position der UBS beispielsweise in hängigen Sammelklagen in den USA schwächen.

Gestützt wird der Klageverzicht laut UBS durch ein Gutachten, das der emeritierte Zürcher Rechtsprofessor Peter Forstmoser erstellte. Dieser hält Verantwortlichkeitsklagen zwar für “vertretbar”, da es zu Unterlassungen gekommen sei. Dennoch sei es “geboten”, im Interesse der Bank und der Aktionäre darauf zu verzichten.

Wachstum um jeden Preis

Im Bericht beleuchtet die Grossbank, wie es dazu kommen konnte, dass sie im Nachgang der Immobilienkrise in den USA Milliarden-Verluste hinnehmen und ihr der Staat schliesslich mit einem Rettungspaket unter die Arme greifen musste.

Als eine Ursachen nennt die Grossbank die Wachstumsstrategie im Investmentbanking: Sie habe wesentlich zu den Verlusten beigetragen. Die Konzentration sei zu stark auf der Umsatzsteigerung gelegen, ohne dass die Risiken berücksichtigt worden seien.

Risiken seien zudem falsch eingeschätzt worden, indem statistische Modelle oder Einschätzungen von Rating-Agenturen nicht hinterfragt worden seien. Die Bank habe sich so “in der falschen Sicherheit” gewähnt, dass ihre Hypothekenpapiere werthaltig und genügend abgesichert seien.

Falsche Anreize im Steuergeschäft

Für die Probleme mit den US-Steuerbehörden wegen des Geschäfts mit reichen Privatkunden aus den USA macht die Schweizer Grossbank vor allem den Umgang mit einzelnen Kundenberatern verantwortlich: Regeln seien zu wenig durchgesetzt worden. Es habe zudem Anreize gegeben, neue Kundengelder zu holen, ohne das Risiko zu berücksichtigen.

Zum Debakel beigetragen haben aber aus Sicht der UBS nicht nur fachliche Probleme und die Finanzkrise, sondern auch die Unternehmenskultur: “Die erfolgreichen Jahre vor Ausbruch der Krise mögen zu einer gewissen Selbstüberschätzung, Kritikresistenz oder gar Überheblichkeit geführt haben”, heisst es im Bericht.

Beim “kompromisslosen” Fokus auf Wachstum und Gewinn seien zudem die Kontrolle vernachlässigt und Warnungen ignoriert worden. Diese Feststellungen habe die neue Führung dazu bewogen, auf “eine nachhaltige Unternehmenskultur” zu setzen.

GPK kündigt Stellungnahme an

Die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) des Parlamentes haben am Donnerstag eine Stellungnahme zum Bericht der UBS angekündigt. Sie soll in den nächsten Wochen vorliegen.

Er werde den Bericht der UBS mit Interesse lesen, sagte SVP-Nationalrat Pierre-François Veillon. Er ist Präsident der mit der Untersuchung der UBS-Affäre beauftragten Subkommission der GPK.

Heute könne er noch keinen Kommentar abgeben, so Veillon. Auch die sozialdemokratische Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi, Mitglied der Subkommission, wollte sich nicht im Namen der GPK äussern.

Persönlich aber habe sie Mühe, dass die UBS definitiv auf Klagen gegen die ehemalige Führung verzichten wolle. Das gebe den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl, “das Recht sei ungerecht”. Weiter werfe es Fragen auf, dass nur zwei externe Fachleute zur Aufarbeitung beigezogen worden seien, sagte Roth-Bernasconi.

“Ein bisschen enttäuscht”

In der angekündigten Stellungnahme will die GPK auch die Antwort des Bundesrates auf den GPK-Bericht einbeziehen. Die Regierung hatte sich am Mittwoch zu den Vorwürfen des Berichts geäussert. Veillon sagte am Donnerstag auf Anfrage, er sei von der Antwort des Bundesrates “ein bisschen enttäuscht”.

Er habe erwartet, dass die Regierung zumindest die Grundlagen für Klagen gegen die ehemalige UBS-Führung schaffe.

Gemischte Reaktionen

Deutlichere Worte kamen von der SP-Parteizentrale: “Die UBS versucht tunlichst, neue Erkenntnisse und Eingeständnisse zu vermeiden”, teilte die Partei mit. UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger nehme mit dem Verzicht auf Aufklärung seine Verantwortung nicht wahr.

Die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP lobten den Bericht. FDP-Fraktionschefin Gabi Huber sagte gegenüber Schweizer Radio DRS, es sei einmalig, dass eine Bank Fehler einräume. SVP-Nationalrat Hans Kaufmann (ZH) stiess ins selbe Horn. Klagen gegen Bankverantwortliche lehnten beide ab.

Laut der CVP ist die UBS weltweit die erste Bank, welche Transparenz schaffe. Im Gegensatz zu SVP und FDP möchte die CVP aber, dass gegen die ehemaligen UBS-Verantwortlichen doch noch rechtlich vorgegangen wird. Um bessere Klagemöglichkeiten zu schaffen, will die Partei das Aktienrecht revidieren.

Der Bundesrat bekräftigt in einer Stellungnahme vom Mittwoch, dass weder der Bund noch Bundesorgane die ehemaligen Verantwortlichen der UBS verklagen wollten.

Die GPK hatten gefordert, dass der Bund die Übernahme des Prozessrisikos und der Verfahrenskosten garantiere. Dies lehnt der Bundesrat ab.

Eine Möglichkeit wäre das Instrument der Sammelklage, sagte Leuthard. Der Bundesrat halte es für prüfenswert, ein solches Instrument zu schaffen. Allerdings sei zu bedenken, dass es dann auch in anderen Bereichen Sammelklagen gäbe.

Zudem habe das Parlament die Schaffung der rechtlichen Grundlagen erst vor kurzem verworfen.

Manche Massnahmen sind bereits eingeleitet; im Vordergrund steht hier das Massnahmenpaket gegen das Risiko von Grossbanken, das unter anderem höhere Eigenmittel vorsieht.

Andere GPK-Forderungen richten sich nicht an den Bundesrat, sondern an die UBS.

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