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Verbot für islamisches Kopftuch an Schule nicht EMRK-widrig

Bedürfnisse der muslimischen Glaubens-Gemeinschaft lösen in der Schweiz mitunter Kontroversen aus. Keystone

Das Verbot, während der Unterrichtstätigkeit in einer Primarschule das islamische Kopftuch zu tragen, verstösst nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Beschwerde einer Genfer Primarschullehrerin abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin war 1990 vom Regierungsrat des Kantons Genf zur Primarschullehrerin ernannt worden. 1991 konvertierte sie vom Katholizismus zum Islam und trug später drei Jahre lang während des Unterrichts das islamische Kopftuch. 1996 untersagten ihr die Genfer Behörden, das Kopftuch während ihrer beruflichen Tätigkeit weiter zu tragen. Das Bundesgericht bestätigte diesen Entscheid 1997.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist in seinem mit Mehrheit gefällten Entscheid vom 15. Februar zum Schluss gelangt, dass das von den Genfer Behörden ausgesprochene Verbot weder gegen die Religionsfreiheit noch gegen das Diskriminierungsverbot verstösst, wie das Bundesamt für Justiz mitteilte.

Das Verbot richte sich nicht gegen die religiösen Überzeugungen der Beschwerdeführerin, sondern bezwecke den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Die Beschwerdeführerin habe als Lehrerin an einer öffentlichen Schule Kinder im Alter von vier bis acht Jahren unterrichtet, in einem Alter, in dem sie leichter beeinflussbar seien als ältere Schüler.

Es erscheine auch schwierig, so der Gerichtshof weiter, das Tragen des islamischen Kopftuchs mit der Botschaft der Toleranz, des Respekts und insbesondere der Gleichheit und Nichtdiskriminierung zu vereinbaren – einer Botschaft, die in einer Demokratie alle Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln müssten.

Bezüglich des Diskriminierungsverbots unterstreicht der Gerichtshof, dass die Anordnung der Genfer Behörden nicht auf das Geschlecht der Beschwerdeführerin zielt, sondern den Respekt der Neutralität des öffentlichen Primarschulunterrichts gewährleisten wolle. Eine solche Massnahme könnte auch gegen einen Mann ergriffen werden, der ostentativ die Kleidung einer anderen Konfession trage.

swissinfo und Agenturen

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