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Verkehrsprotokoll der Alpenländer in der Schweiz umstritten

Das Zusatzprotokoll Verkehr der Alpenkonvention hat in der Vernehmlassung in der Schweiz viel Kritik erhalten. Die Gebirgskantone wollen ihm nur den Transitverkehr unterstellen. Die Meinungen der Parteien sind gespalten.

Das Zusatzprotokoll Verkehr der Alpenkonvention hat in der Vernehmlassung in der Schweiz viel Kritik erhalten. Die Gebirgskantone wollen ihm nur den Transitverkehr unterstellen. Die Meinungen der Parteien sind gespalten. Die Strassenverkehrsverbände und auch der Gewerbeverband lehnen das Protokoll dezidiert ab.

Das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention

Das Verkehrsprotokoll hat mit der Förderung der Bahn und dem Verzicht auf neue Alpentransitstrassen die Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene zum Ziel. Mit Ausnahmen sollen auch keine grossen inneralpinen Strassen mehr gebaut werden. Zudem ist die Einführung des Prinzips der Kostenwahrheit vorgesehen. Das Verkehrsprotokoll ist eines der Zusatzprotokolle zur Alpenkonvention. Es wurde von einer internationalen Arbeitsgruppe erarbeitet.

Gebirgskantone und Tourismus-Branche sagen Ja aber…

Die Regierungskonferenz der Gebirgskantone, der Schweizer Tourismus-Verband und die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) heissen das Protokoll grundsätzlich gut. Hauptkritikpunkt ist, dass der alpenquerende dem inneralpinen Verkehr gleichgestellt wird. Die drei Verbände fordern, dass der inneralpine Verkehr vom Protokoll ausgenommen wird und insbesondere das Nationalstrassennetz fertig gebaut werden kann.

Der alpenquerende Transitverkehr sei der Hauptverursacher der hohen Belastung des Alpenraums, schreiben die Gebirgskantone. Dieser werde nicht durch die Bewohner der Alpengebiete, sondern von der Agglomeration verursacht, fügt die SAB an und fordert einen Solidaritätspakt zwischen Alpengebiet und ausseralpinen Agglomerationen.

Bei der Kostenwahrheit wird befürchtet, dass solche fiskalische Massnahmen die Berggebiete übermässig belasten könnten; hier brauche es Kompensationen. Eine weitere Nachbesserung wird beim Flugverkehr verlangt. Das im Protokoll vorgesehene generelle Verbot für Helikopterflüge für touristische Zwecke wird von allen drei Verbänden abgelehnt. Die Gebirgskantone wollen zudem nicht auf den Neu- und Ausbau von Flugplätzen verzichten.

Umweltschutzorganisationen verlangen “Nachbesserungen”

Für die in der internationalen Alpenschutzkommission Cipra zusammengeschlossenen Umweltschutzorganisationen geht das Protokoll hingegen vor allem beim Strassenbau zu wenig weit. Weitere Abschwächungen wären inakzeptabel, schreibt Cipra. Das Prinzip des Verzichts auf weitere hochrangige Verkehrsverbindungen werde von mehreren pauschalen Ausnahmen durchlöchert, unabhängig von den Belastungs- und Risikowirkungen dieser Projekte. Dies sei ein grober Widerspruch zu den Verpflichtungen in der Rahmenkonvention.

Einzig Verkehrslobby und SVP lehnen das Protokoll ab

Auf grundsätzliche Ablehnung stösst das Protokoll beim Schweizerischen Strassenverkehrsverband (FRS), dem Schweizerischen Nutzfahrzeugverband Astag und der SVP. Der Schutz werde über den Nutzen des Alpenraums gestellt, schreiben FRS und Astag. Freie Mobilität und ein effizientes Transportsystem für Personen und Güter seien unabdingbare Voraussetzungen für ein ausgewogenes Wachstum in allen Regionen.

Die Verbände befürchten Schäden für den Wirtschaftsstandort Schweiz und die ansässige Bevölkerung. Auch die Kostenwahrheit zur Verwirklichung des Verursacherprinzips wird entschieden abgelehnt.

Für die SVP werden im Protokoll einseitig ökologische Wünsche berücksichtigt, ohne dass die ökonomischen Notwendigkeiten in Betracht gezogen werden. Das Protokoll favorisiere neue Steuern und eine staatliche Lenkung des Verkehrs und treffe damit vor allem die Randgebiete und das Gewerbe. So werde die Schweiz in einer immer mobiler werdenden Welt auf die Zuschauertribüne verwiesen.

Für die SVP hat der Umweltschutz in der Schweiz einen hohen Standard erreicht; einen direkten Handlungsbedarf in diesem Bereich gebe es nicht.

Unterstützt wird das Verkehrsprotokoll hingegen von der Christlich Demokratischen Volkspartei (CVP) und der Sozialdemokratischne Partei (SP). Für die CVP widerspiegelt es die Verkehrspolitik, die vom Volk mehrfach bekräftigt wurde. Die SP ist insbesondere mit der Umlagerung des Verkehrs auf die Schiene und der Kostenwahrheit einverstanden. Die Freisinnig Demokratische Partei (FDP) äusserte sich in der Vernehmlassung nicht.

Auch die vorliegenden Anworten der Kantone sind überwiegend positiv. Einzig der Kanton Glarus lehnt das Protokoll wegen seiner autofeindlichen Sichtweise ab.

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hatte das Zusatzprotokoll “Verkehr” der Alpenkonvention am vergangenen 20. Dezember in die Vernehmlassung geschickt.

Die Alpenkonvention und ihre Zusatzprotokolle

Ziel der Alpenkonvention und ihrer Protokolle ist es, Rahmenbedingungen für eine umweltverträgliche Nutzung des Alpenraumes zu schaffen. Sie trat 1995 in Kraft und wurde der Reihe nach von Österreich, Deutschland, Liechtenstein, Slowenien, Frankreich, der Europäischen Union und Monaco ratifiziert. Italien hat am 28. September 1999 ratifiziert. Am 28. Januar 1999 hat die Schweiz die Alpenkonvention ratifiziert. Sie ist entsprechend am 28. April 1999 für die Schweiz in Kraft getreten. An der 5. Alpenkonferenz im Oktober 1998 wurde der Schweiz der Vorsitz für die Jahre 1999 und 2000 anvertraut.

Die Konvention besteht aus der allgemein gehaltenen Rahmenkonvention und einer Reihe von Ausführungsprotokollen zu verschiedenen Sachbereichen (“Raumplanung und nachhaltige Entwicklung”, “Berglandwirtschaft”, “Naturschutz und Landschaftspflege”, “Bergwald”, “Tourismus”, “Bodenschutz”, “Energie” und “Verkehr”). Mit Ausnahme des Verkehrsprotokolls, welches unter der Leitung Liechtensteins gegenwärtig zu einem für alle Staaten annehmbaren Abschluss geführt werden soll, sind alle Protokolle abgeschlossen und von der Alpenkonferenz genehmigt. Die Schweiz hat alle Protokolle (ausser dem Energieprotokoll) unterzeichnet, aber wie ihre Partnerstaaten bis anhin noch kein Protokoll ratifiziert.

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