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Verkehrte Welt im Kampf um Schengen/Dublin

Das Handschellen-Sujet wirbt für ein Ja zu Schengen/Dublin. Keystone

Bei der Kampagne für Schengen und Dublin spielt die Befürworter-Seite mit den bekannten Sujets der gegnerischen Schweizerischen Volkspartei.

Die SVP ihrerseits versucht, die Vorlage mit der im Herbst zur Abstimmung kommenden Ausdehnung des freien Personenverkehrs zu vermischen.

War bisher die SVP für ihre Plakate und provokativen Sprüche in Abstimmungskämpfen bekannt, setzt nun auch das Lager der Befürworter auf die Rhetorik der einfachen Sprache.

“Warnung an alle Verbrecher: Schengen/Dublin stärkt die Polizei”, steht beispielsweise auf einem Plakat, das eine Person in Handschellen zeigt. Eigentlich ein typisches Sujet einer SVP-Kampagne. Doch es ist ein Plakat der Befürworter.

Schweizer-Kreuz für Pro und Kontra

Neben dem Handschellen-Plakat wird auch munter mit dem Schweizer-Kreuz für ein Ja geworben. Ein Sujet, auf dem bis anhin die rechtsbürgerliche Seite praktisch das Monopol hatte.

Die SVP und die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) geben sich eher moderat und traten zur Einreichung des Referendums einzig mit zwei Schweizerfahnen zur Lancierung ihrer Kampagne gegen Schengen/Dublin an.

Sie wollen die Abstimmung zu einer Entscheidungsschlacht um die Heimat hochstilisieren. Sicherheit und Souveränität der Schweiz seien in Gefahr, so die Botschaft.

Vermischung mit Personenfreizügigkeit

Die Kampagne allerdings spricht die gewohnte Sprache: “Mehr Kriminelle. Mehr Arbeitslose. EU-Beitritt”. Bei Schengen gehe es nicht um Sicherheit, sind die Gegner überzeugt. “Es geht um die Abschaffung der Grenzkontrollen und der Grenzen.”

Mit dem Arbeitslosen-Argument vermischt die SVP Schengen/Dublin gezielt mit der zweiten europapolitischen Vorlage, der Ausdehnung des freien Personenverkehrs auf die neuen EU-Länder. Diese kommt am 25. September vors Volk – ebenfalls per Referendum.

Für AUNS-Geschäftsführer Hans Fehr gehören die beiden Vorlagen zusammen. Die Botschaft der Regierung sei: “Die Leute können kommen, arbeiten und delinquieren.” SVP-Präsident Ueli Maurer nennt als einen der Hauptgründe gegen Schengen/Dublin “die Angst vor einem EU-Beitritt”.

Grossaufgebot der Regierung

Gleich zu viert eröffnete die Landesregierung ihren Abstimmungskampf. Neben Aussenministerin Micheline Calmy-Rey machen sich die Bundesräte Hans-Rudolf Merz, Christoph Blocher und Joseph Deiss für die Abkommen stark. Damit waren alle Regierungsparteien vertreten.

“Wir treten in Viererformation an, weil wir geschlossen hinter Schengen stehen”, erklärte Deiss. Und Calmy-Rey ergänzte: “Uns vorzuwerfen, wir wollten einen EU-Beitritt herbeiführen, ist ungerecht.”

Das Argument der fallenden Grenzkontrollen konterte Merz mit der Aussage, dass ein Beitritt zur EU-Zollunion nicht zur Debatte stehe. Erst dieser würde die Grenzen zur EU komplett öffnen.

Teure Kampagne der Wirtschaft

Auch einem grossen Teil der Wirtschaft liegt viel an einem Ja zu Schengen/Dublin. Der Wirtschafts-Dachverband economiesuisse hat laut dem “Tages-Anzeiger” rund vier Mio. Franken für den Abstimmungskampf locker gemacht.

Maurer spricht daher von einer “absoluten Übermacht”, hat doch seine Partei laut eigenen Aussagen “höchstens zwei Millionen zur Verfügung”. Unter vier Mio. Franken sei jedoch keine “anständige Kampagne” möglich.

swissinfo, Christian Raaflaub

Verschiedenste Komitees kämpfen für oder gegen Schengen/Dublin
Die Befürworter haben über 4 Mio. Fr. zur Verfügung
Die Gegner haben knapp 2 Mio. Fr. zur Verfügung

Mit der Teilnahme am Schengen-Abkommen soll das Reisen durch den Verzicht auf systematische Passkontrollen erleichtert, gleichzeitig aber der Kampf gegen die Kriminalität durch internationale Zusammenarbeit verstärkt werden.

Das Dubliner Abkommen richtet sich gegen Missbräuche im Asylwesen: Durch die internationale Zusammenarbeit soll ein Asylgesuch im gesamten Gebiet der EU und der Schweiz nur noch einmal behandelt werden können.

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