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Virtueller Amts-Schalter für KMU

Joseph Deiss will das Heft für die KMU in die Hand nehmen. Keystone

Die kleinen und mittleren Unternehmen beschäftigen zwei Drittel der Arbeitnehmer in der Schweiz, verfügen aber über weniger Mittel als die Grossbetriebe.

Der Wirtschaftsminister will nun die Rahmenbedingungen für KMU verbessern. Unter anderem via Cyber-Administration.

Die kleinen und mittleren Unternehmungen (KMU) stellen 99,7 Prozent der Schweizer Wirtschaftsbetriebe und beschäftigen zwei Drittel aller Arbeitnehmer. Umso wichtiger sei deshalb eine gesamthafte KMU-Politik, die auf die Bedürfnisse der Unternehmen eingehe, betonte Joseph Deiss am Freitag in Bern. “Wir wollen im Eidgenössischen Volkswirtschafts-Departement die Anwälte der KMU sein”, fügte er an.

Mit der Förderung dieses wichtigen Firmensektors werde einer von insgesamt zehn Pfeilern für eine nachhaltige Wachstumspolitik in der Schweiz gestärkt.

Neugründungen fördern

Die KMU-Politik besteht aus den fünf Bereichen Unternehmensgründung, Behördenverkehr, administrative Entlastung, Exportförderung und Innovationsförderung.

Viel zu tun gibt es laut EVD bei der Förderung von Neugründungen. Dem Bund komme hier die Rolle zu, Firmengründungen zu vereinfachen. Im Vordergrund steht dabei eine Revision des Risikokapitalgesetzes, mit dem fiskalische Anreize für private Investoren geschaffen werden sollen.

Vorbereitet wird auch eine Optimierung des Bürgschaftswesens. Angesprochen auf die umstrittene Kreditpolitik der Banken gegenüber den KMU sagte Deiss, die Banken hätten ihre Risikobeurteilung sicher verschärft und damit teilweise einen Teil der tiefen Zinsen aufgefressen. Er sei aber überzeugt, dass die Banken sich konstruktiv verhielten. Es liege nicht am Bund, sich hier einzumischen.

Grossbanken knauserig mit Krediten

Am Mittwoch hatten die Kantonalbanken eine Studie veröffentlicht, in der die Kreditvergabe der Grossbanken an KMU kritisiert wurde: UBS und Credit Suisse würden sich aus dem Kreditgeschäft mit kleinen und mittelgrossen Unternehmen zurückzuziehen, so der Vorwurf.

Die vergebenen Unternehmenskredite seien in den letzten fünf Jahren so stark zurückgegangen wie nie zuvor in der Nachkriegszeit, so die Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ), die vom Staat und mit Unterstützung der Kantonalbanken in Auftrag gegeben worden war.

Insgesamt seien die Kreditlimiten von Ende 1997 bis Ende 2002 um 13,3 Prozent auf 312,4 Mrd. Franken gesunken.

Grossbanken: Schwächere Nachfrage

Die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse Group (CSG) weisen die Vorwürfe restriktiver Kreditpolitik gegenüber KMU zurück. Laut Credit Suisse kann von einem Rückzug bei Krediten für kleine und mittlere Unternehmen keine Rede sein.

CSG-Sprecher Georg Söntgerath räumte aber ein, dass die CSG 2002 weniger Kredite an KMU vergeben habe. “2002 war eine Ausnahme”, sagte er. Die Grossbanken seien vom Volumen her jedoch weiterhin die wichtigsten Kreditgeber der KMU.

Für die Kritik von Seiten der KMU wegen restriktiven Krediten sieht er einen anderen Grund: Wenn sich die Bonität der KMU verschlechtere, würden die Kreditkonditionen für die Unternehmen weniger attraktiv, respektive die Zinsen höher.

Auch UBS-Sprecher Serge Steiner bestritt einen Abbau der Kredite für KMU. Die UBS sei mit über 25 Prozent Marktanteil in der Schweiz die führende Bank bei KMU-Krediten.

Grund für den Rückgang der KMU-Kredite sei nicht eine restriktivere Haltung. Vielmehr sei das Kreditportfolio wegen dem Schuldenabbau bei Firmen geschrumpft. Dazu komme die Bereinigung von gefährdeten Portfolios von 20 Mrd. Franken 1999 auf heute 8,5 Milliarden sowie ein Rückgang bei der Nachfrage.

Zu teures Kapital?

Dies könnte mit so genannten Ratings zu tun haben, mit denen KMU von den Banken entsprechend der von den Banken geschätzten Kreditwürdigkeit eingestuft werden – und entsprechend mehr für das Kapital bezahlen müssen.

Martin Arnold vom Zürcher Gewerbeverband nennt dies gegeüber swissinfo eine “Fangschlinge für die KMU”, aus denen diese sich befreien wollen, gerade auch durch die vermehrte Suche nach privatem Kapital anstelle von Bankengeldern.

Dass die Banken sich generell restriktiv verhalten, könne er jedoch nicht bestätigen, sagte Arnold vom Zürcher Gewerbeverband. Es sei ja nicht die Aufgabe der Banken, marode Unternehmen zu unterstützen.

Deiss will weniger Bürokratie

Aber nicht nur um mehr Kapital, sondern auch um weniger Bürokratie soll es in der nachhaltigen KMU-Politik des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements gehen. Der administrative Aufwand der KMU – laut Deiss rund 660 Stunden im Jahr – soll dank der Elektronisierung vereinfacht und reduziert werden.

Konkret will das EVD bis im Herbst einen elektronischen “Amtsschalter” öffnen, den die KMU rund um die Uhr online erreichen können.

Virtueller Amts-Schalter

Geplant sind hier unter anderem die Abrechnung der Sozialversicherungen und der Steuererklärungen in einem Schritt sowie die Einführung der elektronischen Signatur.

Zudem wird seit einigen Monaten das Schweizerische Handelsamtsblatt in elektronischer Form auf dem Internet angeboten.

Auch die Vorschriften über AHV und Unfallversicherung werden vereinheitlicht, die Start- und Überlebenschancen von Neugründungen verbessert (Initiative CTI Start-up).

Die Umsetzung aller Massnahmen soll die KMU um mehrere Hunderttausend Arbeitsstunden administrativ entlasten. Und gleichzeitig sollen die Unternehmensgründung und -finanzierung sowie die Export- und Innovationsförderung erleichtert werden.

swissinfo und Agenturen

Die Schweiz ist ein KMU-Land: 99,7% der Betriebe beschäftigen weniger als 250 Mitarbeitende.
60% der Arbeitnehmenden in der Schweiz sind in einem der 300’000 Schweizer KMU angestellt.

Mit der neuen Wirtschaftspolitik sollen Unternehmen nicht direkt finanziell unterstützt, sondern deren Rahmenbedingungen verbessert werden.
Auch die Bürokratie soll verringert werden.

An virtuellen “Amts-Schaltern” soll z.B. der ganze administrative Verkehr zwischen Betrieb und Amtsstellen elektronisch erfolgen. Unabhängig von Bürozeiten, rund um die Uhr. Dafür wird auch die elektronische Sigantur eingeführt.

Das soll die kleinen Unternehmen deutlich entlasten, da sie diesbezüglich oft eine leistungsschwächere Infrastruktur besitzen als Grossbetriebe.

Indirekt soll auch das Risiko-Kapital gefördert werden. Zur Kapitalpolitik der Banken äusserte sich der Wirtschaftsminister nicht explizit.

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