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Wassergeschichte – Schweizergeschichte

Altes Reservoir der Industriellen Werke Basel. (Bild: trinkwasser.ch) RTS

Die Besiedelung der Schweiz ist seit der Frühzeit eng mit dem Wasser verknüpft.

Von der lebenswichtigen Grundversorgung bis zum Transport, von der Energieproduktion bis zu Überschwemmungen: Wasser hat die Geschichte dieses Landes geprägt.

Die Geschichte des Wassers in der Schweiz ist zugleich Schweizer Geschichte: Seit die ersten neolithischen Behausungen an den Ufern von Flüssen und Seen entstanden sind, ist die Siedlungsgeschichte der Schweiz untrennbar mit dem Wasser verbunden.

Trinkwasser war von jeher eine notwendige Bedingung zum Überleben. Die Nähe von Wasserläufen diente aber auch der Verteidigung, dem Handel und der Kommunikation.

Den positiven Aspekten stehen auch negative gegenüber. Überschwemmungen und Erdrutsche haben die Landschaft verändert. Häufig stellte die Wasserkraft sogar eine Bedrohung für Siedlungen und Felder dar, gegen die es sich zu schützten galt.

Zwischen Antike und Mittelalter

Die ältesten, in der Schweiz entdeckten Vorrichtungen für die Wasserversorgung reichen in die Bronzezeit zurück. Die erste bedeutende Entwicklung eines Wasserversorgungs-Netzes fällt auf die Zeit der römischen Herrschaft, zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert vor Christus.

Sechs Aquädukte versorgten die Stadt Aventicum (Avenches), ein 10 Kilometer langer Aquädukt verband Divonne-les-Bains (F) mit der Kolonie Iulia Equestris. Ein 6,5 Kilometer langer schiffbarer Kanal verband die Region Liestal mit der Oberstadt von Augusta Raurica (Augst).

Im Hochmittelalter waren Klöster im Besitz von Wasserversorgungseinrichtungen. In Burgen verwendete man Ziehbrunnen oder Zisternen, um Trinkwasser zu beziehen.

Von mittelalterlichen Brunnen zu modernen Hahnen

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts erstellten Städte wie Bern und Zürich Leitungen, die öffentliche und private Brunnen mit Wasser versorgten. Die Verwaltung des Wassers unterstand den Gemeinden.

Wer die Brunnen verschmutzte oder dessen verdächtigt wurde, musste mit harten Strafen rechnen. Juden und Lepra-Kranke bekamen diese Regeln häufig zu spüren. Die Verschmutzung des Grundwasserspiegels durch Abwasser führte zu grossen hygienischen Problemen.

Moderne Wasserversorgungs-Leitungen wurden in Schweizer Städten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut. Etwas später entstanden auch die ersten Kanalisationssysteme für Abwässer.

Paradoxerweise trugen ausgerechnet die neuen Verteilsysteme zur Ausbreitung von Typhus bei (zum Beispiel in Lausanne 1891). Bis zur Entdeckung des Typhus-Erregers 1906 galt Wasser nicht als Übertragungsweg für das Virus.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauchten erstmals sanitäre Anlagen in städtischen Privathaushaltungen auf, nach dem Zweiten Weltkrieg auch in ländlichen Gebieten. Der Wasserverbrauch stieg stark an. Dies führte zu einer stärkeren Umweltbelastung, die ihrerseits eine Gewässerschutz-Gesetzgebung auslöste.

Bewässerungssystem für die Landwirtschaft

In einigen niederschlagsarmen Alpentälern entwickelte man bereits seit dem Mittelalter komplizierte Bewässerungssysteme. Die bekanntesten finden sich im Wallis. Auf Französisch heissen sie “bisses”, auf Deutsch “Suonen”.

Die Walliser “bisses” sind bis ins 11. Jahrhundert nachgewiesen. Andere Bewässerungssysteme entdeckte man in Graubünden und im Tessin. In niederschlagsreicheren Gebieten wurden Systeme angewendet, um die Fruchtbarkeit von Weiden und Feldern zu verbessern.

Die Modernisierung der Landwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert und die Verwendung chemischer Düngemittel nach dem Zweiten Weltkrieg reduzierten die Bedeutung der traditionellen Bewässerungsanlage. Zumal sich gleichzeitig neuartige Sprinklersysteme ausbreiteten.

Transport und Wirtschaft

Die historische Bedeutung des Wassers beschränkt sich jedoch nicht auf seine Verwendung als lebenswichtiger Rohstoff. Für viele Siedlungen war die Nähe von Flüssen und Seen von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung. Erwähnt seien der Fischfang, die Kontrolle der Schifffahrt, die Zölle auf Brücken und Fähren oder auch die Nutzung der Wasserkraft.

Im Mittelalter besassen die Wasserstrassen den gleichen Status wie die freien Reichsstrassen. Die Flussschifffahrt wurde von städtischen Korporationen kontrolliert. Einzig Basel schaffte es im 16. und 17. Jahrhundert, ein Monopol der Rheinschifffahrt auch ausserhalb der eigenen städtischen Grenzen zu erlangen.

Mit den Eisenbahnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verloren die traditionellen Wasserwege an Bedeutung. Der Flösserei von Holz aus den Alpentälern, die zu Beginn der Industrialisierungsphase einen Aufschwung erfahren hatte, wurde durch den Ausbau des Schienennetzes ein Ende gesetzt.

Durch die technologische Revolution am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert erhielt das Wasser als Energieträger für die Stromgewinnung eine neue und sehr wichtige Bedeutung. Hydroelektrische Kraftwerke ersetzten Wassermühlen und -pressen. Staudämme, Stauseen und Turbinenleitungen haben die alpine Landschaft seither nachhaltig verändert.

swissinfo, Andrea Tognina

Die Menschheitsgeschichte ist untrennbar mit der Wassergeschichte verbunden. Die frühesten Zivilisationen entstanden an den Ufern von Flussläufen: Euphrat und Tigris, Nil, Huanghe (Gelber Fluss).

Alle wirtschaftlichen Aktivitäten rund ums Wasser benötigen kollektive Formen der Arbeit: Vom Bau von Kanalisation und Staudämmen bis zur Einrichtung des Trinkwasser-Netzes, von Bewässerungssystemen bis zur Schifffahrt, Zöllen auf Brücken und Fähren sowie der Erhaltung des Fischbestandes. Die Bewirtschaftung des Wassers fördert somit gemeinschaftliche oder staatliche Strukturen.

Im 19. Jahrhundert wurde in der Schweiz darüber gestritten, ob die Wassernutzungswirtschaft privaten oder staatlichen Gesellschaften anvertraut werden soll. Damals entschied man sich für die Privaten. Doch heute ist die Frage in der Schweiz, wie in der restlichen Welt, wieder offen.

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