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Wasser – Ware oder Menschenrecht?

Zugang zu sauberem Trinkwasser als Menschenrecht. Keystone Archive

Schonender Umgang mit dem Wasser sowie garantierter Zugang zum kostbaren Nass sind am internationalen Wassergipfel in Kyoto die Hauptthemen.

Die Schweiz und über 100 weitere Länder nehmen am World Water Forum teil, dessen Höhepunkt ein zweitägiger Ministergipfel am nächsten Wochenende ist.

Beim Forum geht es um das Versprechen, die weltweiten Wasserreserven zu bewahren. Es ist der grösste politische Anlass in dem von den Vereinten Nationen ausgerufenen Internationalen Jahr des Süsswassers.

Für Philippe Roch, Direktor des Umweltamts (BUWAL) und Schweizer Delegationsleiter in Kyoto, ist das Forum eine einmalige Gelegenheit für die internationale Gemeinschaft: Man müsse darüber diskutieren, wie die Wasserreserven der Welt zu nutzen sind.

“Es gibt keine UNO-Organisation, welche sich mit der Wasserfrage umfassend beschäftigt”, erklärt Roch gegenüber swissinfo. “Der Gipfel ist die einzige Chance, diesen Problemkreis auf weltweiter Ebene anzugehen.”

Die Schweiz wird in Kyoto von zwei Delegationsleitern vertreten, die für die Bereiche Umwelt und Entwicklung zuständig sind.

Umweltdebatte

Roch glaubt, dass das Forum nur zum Erfolg führen kann, wenn die Delegierten akzeptieren, dass die Fragen rund um Umwelt und Armut und jene rund um das Wasser sich nicht gegenseitig ausschliessen.

“Ich will erklären, dass es keinen Unterschied gibt zwischen Entwicklung und Umwelt. Denn wenn einfach nur Geld zum Bau von Röhren und zur Wasserversorgung für die ärmsten Städte eingesetzt wird, besteht die Gefahr, dass wir das Ökosystem vergessen”, führt Roch aus.

“Und wenn die Wälder weiterhin so rasant zerstört und Sümpfe drainiert werden … dann haben wir eines Tages Röhren, Hähnen und Verteilsysteme, aber nichts mehr zu verteilen”, fügt er bei.

Ausser Roch nehmen auch Abgeordnete des Bundesamtes für Wasser und Geologie und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) am Gipfel teil.

Umsetzung der Ziele

Laut Thomas Zeller, Wasserspezialist bei der DEZA und Mitglied der Schweizer Delegation in Kyoto, sollte sich die Diskussion darauf konzentrieren, wie die an den früheren Gipfeln gesteckten Ziele erreicht werden können.

Am Erdgipfel vom letzten September in Johannesburg, Südafrika, einigte sich die internationale Gemeinschaft darauf, die Zahl der Menschen ohne Zugang zu Siedlungshygiene bis 2015 von zwei auf eine Milliarde zu halbieren.

“Ich hoffe, dass in Kyoto erste Schritte gemacht werden, um die Versprechen von Johannesburg in die Tat umzusetzen”, sagt Zeller.

Obwohl Wasser gekauft und verkauft werde kann, hebe es vor allem soziale, kulturelle, ethische und ökologische Dimensioinen, sagt Zeller. Er fügt bei: “Wir sollten diese Werte anerkennen und berücksichtigen.”

Angst vor Privatisierungen

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) befürchten, dass Multis das Forum vor allem für die Diskussion der umstrittenen Frage der Wasserprivatisierung nutzen werden.

“Die Weltbank und die grössten Wasserfirmen sind ebenfalls in Kyoto”, erklärt Madeleine Bolliger, welche an der Konferenz die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke vertritt.

“Dies macht uns Sorge, weil sie die Wasserprivatisierung als Lösung für die weltweite Wasserkrise anpreisen. Das ist ein Problem, denn das treibt die Preise in die Höhe. Und ihnen geht es nur darum, Geld zu verdienen.”

Bolliger ruft die Schweizer Regierung auf, eine Vorreiterrolle einzunehmen und die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass die in Johannesburg und anderswo gemachten Versprechen in konkrete und realisierbare Aktionspläne umgesetzt werden müssen. “Einfach gesagt: Wir brauchen Taten statt Worte.”

Die Arbeitsgemeinschaft will zusammen mit einem internationalen NGO-Netz in Kyoto für die Einführung eines globalen Wasserabkommens kämpfen.

“Wasser braucht heute den Schutz des Völkerrechts, der Zugang zu sauberem Trinkwasser muss als Menschenrecht anerkannt werden”, so Bolliger weiter.

“Wir haben die Schweizer Regierung dazu gedrängt, dieses Abkommen zu fordern, aber trotz vieler Versprechen scheint die Schweiz keine führende Rolle übernehmen zu wollen.”

Mehr Gewicht für Afrika

Die DEZA will sicherstellen, dass auch Länder aus der Dritten Welt die Möglichkeit haben, in Kyoto ihre Ansichten zu vertreten.

“Wir werden versuchen, den weniger entwickelten Ländern mehr Gewicht zu verleihen”, sagt Zeller, “denn wir sahen an den Vorbereitungstreffen, dass viele afrikanische Länder nicht von (Wasser-)Fachleuten vertreten sind. Deshalb wird Afrika nicht richtig angehört.” Die DEZA will denn auch Fachleute aus verschiedenen Ländern nach Kyoto bringen, damit sie mehr Gehör finden.

Die Schweizer Delegation will auch darauf aufmerksam machen, dass Wasser nicht nur für die Entwicklungsländer ein Thema ist. “In der Schweiz haben wir viel Wasser, aber in Teilen Afrikas ist der Wassermangel ein ernsthaftes Problem”, so Zeller.

“Und das hat auch Auswirkungen auf die Schweiz. Denn Menschen, die nicht genug Wasser haben, sind versucht, auszuwandern. Und diese Menschen könnten dann in die Schweiz oder ein anderes europäisches Land kommen.”

Laut Fachleuten dürfte das Wasser eines Tages das Öl als wichtigste Quelle von Konflikten ablösen. Und davor wird sich die Schweiz laut Zeller nicht abschotten können.

“Es könnte zu Kriegen kommen, aus denen sich die Schweiz nicht heraushalten kann. Deshalb sollte sich die internationale Gemeinschaft sofort und ernsthaft mit der Wasserfrage befassen. Wir dürfen keine Zeit verlieren.”

Schlusserklärung

Laut Roch müsste man sich vor allem darauf konzentrieren, wie die Länder die Schlusserklärung der Minister umsetzen können.

“Die Erklärung muss stark und klar sein, aber die Frage ist doch, was wir nachher damit tun”, meint Roch gegenüber swissinfo.

“Nach Kyoto werden wir uns damit befassen müssen, wer was tun soll, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Ich hoffe, wir werden mit unseren Partnern konkrete Initiativen entwickeln können – die Erklärung sollte als Referenz für diese Partnerschaften dienen.”

swissinfo, Ramsey Zarifeh

Bis 2015 soll die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser auf eine Milliarde halbiert werden.
Fünf Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Krankheiten, die auf verschmutztes Wasser zurückzuführen sind.

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