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Wer sind meine Eltern?

Adoptierte, die volljährig sind, dürfen ihre Abstammung kennen. Keystone Archive

Ein zur Adoption freigegebenes Kind hat das Recht zu wissen, wer die leiblichen Eltern sind. Dies entschied das Bundesgericht.

Im konkreten Fall hatte sich die Mutter eines 1968 geborenen und zur Adoption freigegebenen Kindes gewehrt, als dieses 1998 um die Bekanntgabe ihres Namens ersuchte. Als Grund gab sie an, der Sohn entspringe einer Vergewaltigung. Die Preisgabe ihres Namens würde ihr psychisches Gleichgewicht erheblich stören.

Gleichstellung mit künstlich gezeugten Kindern

Die Luzerner Behörden und Gerichte gaben jedoch dem Wunsch des Sohnes absoluten Vorrang. Das Bundesgericht hat diese Auffassung nun in seinem Grundsatzurteil vom Dienstag bestätigt und die Beschwerde der Mutter abgewiesen.

Ihren Entscheid stützten die Lausanner Richter unter anderem auf Artikel 7 des UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes, das für die Schweiz 1997 in Kraft getreten ist. Demnach hat jedes Kind das Recht, seine Eltern zu kennen – soweit dies praktisch möglich ist.

Weiter drängt sich laut Bundesgericht eine Gleichstellung mit künstlich gezeugten Kindern auf. Ihnen werde in der Verfassung ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammungs-Daten eingeräumt. Das Fortpflanzungs-Gesetz lege dann konkret fest, dass sie mit 18 Jahren Auskunft über die Personalien des Spenders verlangen könnten.

Mit diesem Bundesgerichts-Entscheid nähert sich die Schweiz der Regelung an, wie sie auch andere europäische Länder kennen: In Deutschland etwa garantiert die Verfassung seit 1992 jedem Bundesbürger den Zugang zu den Daten seiner Abstammung.

Gesetzanpassung vorweggenommen

Mit seinem Entscheid hat das Bundesgericht eine vorgesehene gesetzliche Anpassung vorweggenommen, die laut Urteil voraussichtlich auf diesen Sommer in Kraft treten soll. Gemäss neuem Artikel sollen Adoptivkinder mit 18 Jahren jederzeit Auskunft über die Personalien der leiblichen Eltern verlangen können.

Vorher können sie Auskunft verlangen, wenn ein schutzwürdiges Interesse besteht. Weiter ist die Schaffung kantonaler Stellen vorgesehen, die auf Wunsch im Kontakt zu den biologischen Eltern vermitteln und beraten.

Bei ausländischen Kindern oft schwierig

Das Recht auf Bekanntgabe der Identität heisst nicht, dass dies auch immer ermöglicht werden kann. Laut Martin Jäger, Chef des Eidgenössischen Amtes für das Zivilstandswesen, müssen insbesondere bei Kindern aus dem Ausland die Eltern oftmals unbekannt bleiben.

swissinfo und Agenturen

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