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Wie den digitalen Graben überwinden?

BAKOM-Chef Marc Furrer hofft auf einen Gipfel-Erfolg. Keystone

Zwei Wochen vor dem Weltinformations-Gipfel in Genf sieht die Schweiz Fortschritte bei den Vorverhandlungen.

Doch die Hauptfrage der Finanzierung könne an dieser Konferenz vermutlich nicht gelöst werden, sagte BAKOM-Chef Marc Furrer gegenüber swissinfo.

Im Vorfeld des Gipfels wurde die Schweiz beauftragt, während besonders kritischen Gesprächsphasen mit einzelnen Ländern informell zu vermitteln, um Meinungsverschiedenheiten zum Deklarationsentwurf und Aktionsplan auszuräumen.

Trotz mehrerer Vorbereitungs-Treffen herrscht nach wie vor Uneinigkeit in Fragen wie freie Meinungsäusserung, Internet-Sicherheit und Finanzierung von Infrastrukturen für Information und Kommunikation in armen Ländern.

Ziel des Informations-Gipfels ist es, den digitalen Graben zu überwinden, indem für Alle der Zugang zu den Informations- und Kommunikations-Technologien garantiert wird.

swissinfo: In zwei Wochen beginnt der Weltinformationsgipfel. Wie kommen die Verhandlungen hinter den Kulissen voran?

Marc Furrer: Es herrscht eine gute Atmosphäre. Die Leute geben sich kompromissbereit. Einfach ist es allerdings nicht.

swissinfo: Bundespräsident Couchepin hat letzte Woche in China den Widerstand Pekings in Bezug auf gewisse Passagen im Entwurf der Schluss-Erklärung über Meinungsfreiheit angesprochen. Was ist dabei herausgekommen?

M.F.: Das war ein wichtiges Thema seines Besuchs. Chinas Position am Gipfel wurde ebenfalls diskutiert. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit China einen Weg finden werden. Wir würden die Universelle Erklärung der Menschenrechte gerne in die Schlusserklärung des Gipfels integrieren, was logisch wäre. Die Frage ist nun, auf welchen Wortlaut wir uns einigen können. Das Hindernis zu überwinden ist schwierig, aber Couchepins Besuch in Peking war sicherlich hilfreich.

swissinfo: Russland besteht darauf, dass die Sicherheit im Internet mit militärischen Fragen verknüpft wird. Gibt es in dieser Frage Fortschritte?

M.F.: Die Gespräche sind im Gang. Ich möchte dazu aber nicht zuviel sagen, um das Ganze nicht zu gefährden. Das heisst, wir müssen diskret mit diesem Thema umgehen. Im Allgemeinen ist das Klima aber gut, und die Leute wollen ein gutes Resultat erreichen.

swissinfo: Die Schweiz wurde damit beauftragt, informelle Verhandlungen über die Verteilung von finanziellen Mitteln zu führen. Der Süden wünscht sich einen digitalen Solidaritätsfonds – die Industriestaaten sind eher dagegen. Welche Strategie verfolgen Sie, um diese Differenzen zu überbrücken?

M.F.: Die Schweiz nimmt in dieser Frage die Rolle des neutralen Vermittlers ein. Wir müssen eine Lösung finden, der alle 191 Staaten zustimmen können. Wir müssen Wege finden, um diese neuen Infrastrukturen in den Entwicklungsländern, insbesondere in den ärmsten Ländern, zu finanzieren. Wir sprechen nicht von aufstrebenden Staaten wie Brasilien oder Ägypten – diese brauchen weder einen Fonds noch Hilfe von aussen. Für die armen Länder brauchen wir jedoch einen Finanz-Mechanismus – ob das ein Fonds oder etwas anderes sein wird, sollten wir nach Genf sorgfältig prüfen und später vorlegen. Meiner Meinung nach wird dazu sogar eine Sonderkonferenz nötig sein. Wir sollten uns jedoch nicht zu sehr auf die Idee eines Fonds fixieren.

swissinfo: Sie nehmen also an, dass einige der Schlüsselfragen auf die zweite Phase des Gipfels im Jahr 2005 in Tunesien vertagt werden?

M.F.: Es ist nicht eigentlich ein Aufschub. Genf ist der Beginn eines Prozesses über die Informations-Gesellschaft. Es wäre ziemlich naiv zu glauben, wir könnten für all diese Fragen Lösungen finden. So geht das nicht. An diesem Gipfel müssen wir Einstimmigkeit haben, das ist das Hauptproblem. Es handelt sich also um einen schwierigen Prozess, der in Genf beginnt. Die Geldfrage muss in den kommenden Monaten und Jahren sorgfältig geprüft werden.

swissinfo: Nach der letzten Vorbereitungs-Konferenz beklagten sich die Vertreter der Zivilgesellschaft, dass ihre Vorstösse nicht ernst genommen würden. Einige kündigten an, sie würden nun ihre eigene Vision erarbeiten.

M.F.: Für uns ist es wichtig, dass die Zivilgesellschaft und der Privatsektor im ganzen Prozess integriert sind und dies auch bleiben. Ich kann verstehen, dass sie ihre eigene Vision wünschen. Was sie zu verschiedenen Themen beisteuerten, ist jedoch zum Teil bereits in den (offiziellen) Papieren integriert. Viele Delegationen, darunter auch die europäischen, nahmen die Argumente der Zivilgesellschaft auf und brachten diese vor. Es stimmt also nicht, dass keines ihrer Anliegen eingebaut wurde, aber nicht alle. Sie haben selbstverständlich das Recht, ihre eigene Erklärung zu präsentieren. Das ist kein Problem.

swissinfo, Anna Nelson
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

Marc Furrer ist Leiter der Schweizer Delegation bei den Vorbereitungs-Konferenzen und Direktor des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM)

Der Weltgipfel zur Informations-Gesellschaft (WSIS) findet vom 10. – 12. Dezember 2003 in Genf statt. Die Folgekonferenz ist für 2005 in Tunis geplant.

Drei Ziele stehen auf der WSIS-Agenda:

Sicherung des Zugangs aller zu den Informations- und Kommunikations-Technologien (ICT).

Nutzung der ICT zur Förderung der Ziele des Millenniumsgipfels.

Stärkung des Vertrauens und der Sicherheit bei der Nutzung der ICT.

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