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Die Fünfte Schweiz und ihre starke helvetische Verbundenheit

Mediterrane Häuserreihe
Die Umfrage zeigt: Die Kulisse des Alltags mag mediterran sein, doch die Bindung zur Schweiz bleibt gleichwohl stark. Livia Tomas

Schweizer:innen über 55 Jahren haben auch dann eine starke Bindung zur Schweiz, wenn sie in einem anderen Land leben. Das zeigt eine wissenschaftliche Umfrage zum "transnationalen Altern". Sie hilft, diese wachsende Bevölkerungsgruppe besser zu verstehen.

Fast ein Viertel der Auslandschweizer:innen ist im Ruhestand. Laut dem Bundesamt für Statistik steigt der Anteil der im Ausland lebenden Rentner:innen schneller an, als der Anteil anderer Altersgruppen. Gründe dafür sind die Alterung der Bevölkerung als auch die Auswanderungsentscheidungen von Personen in oder kurz vor der Pensionierung.

Ausgehend von diesen Feststellungen wurde in einer ersten Umfrage zum “transnationalen Altern” in der Schweiz lebende Personen über 55 Jahre zu ihrer Auslandsmobilität befragt. Die zweite Umfrage zum gleichen Thema konzentrierte sich anschliessend auf die Lebenssituation und die Mobilitätspraktiken von Auslandschweizer:innen über 55 Jahre.

Beide Umfragen wurden vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert; im Mittelpunkt dieses Artikels steht die zweite Umfrage. Diese wurde von fünf Forschern und Forscherinnen des Instituts für Soziologie der Universität Neuenburg und der Haute école de travail social in Genf in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten durchgeführt.

Forschungsteam
Das Forschungsteam: Mihaela Nedelcu, Eric Crettaz, Laura Ravazzini, Eva Fernández G.G und Livia Tomás. zVg

Im Rahmen dieser Umfrage sammelte das Team zwischen Oktober 2020 und August 2021 Antworten aus über 43 Ländern. Mit 10 000 weltweit verschickten Umschlägen, stiess die Umfrage auf grosses Interesse und erreichte mit insgesamt 4689 Antworten eine Rekordquote.

Die Fünfte Schweiz über 55 Jahre

Die Fünfte Schweiz rund ums Rentenalter besteht aus Personen mit mehreren Nationalitäten, die regelmässig in andere Länder der Welt reisen. Die meisten dieser Personen sind bereits ein- oder mehrere Male migriert, leben jedoch im Schnitt seit über 30 Jahren
in ihrem heutigen Wohnsitzland, ohne notwendigerweise dort geboren zu sein.

Insgesamt 700 Befragte gaben an, im Ruhestand in ihr jetziges Wohnland gezogen zu sein. Die Bevölkerung der Fünften Schweiz ist vielfältig: Rund ein Fünftel bilden Schweizer Nachkommen, die seit mehreren Generationen in ihrem Wohnland zuhause sind, nie in der Schweiz gelebt haben, aber grösstenteils regelmässig in andere Länder reisen. Die Mehrheit dieser Bevölkerung betrachtet sich daher als “lokal” oder als “weltoffen / kosmopolitisch”.

Die Verbundenheit zur Schweiz

Die meisten Antwortenden verbrachten im Schnitt zehn Jahre in der Schweiz und haben eine dementsprechend enge Bindung zu  diesem Land. Diese Bindung ist ebenfalls bei den Schweizer Nachkommen stark, auch wenn sie nie in der Schweiz gelebt haben. In den letzten fünf Jahren war die Schweiz ein geschätztes Urlaubsziel sowie ein beliebter Ort, um regelmässig Familie und Freunde zu treffen, und um Produkte zu kaufen, die andernorts kaum zu finden sind. Zudem gaben 900 Befragte an, die Schweiz für kulturelle Veranstaltungen besucht zu haben. Schliesslich sind 450 Antwortende in die Schweiz gereist, um sich medizinisch behandeln zu lassen.

Einfache Geldüberweisungen

Knapp 450 Befragte haben in den letzten zwölf Monaten Geld in die Schweiz überwiesen. Dies geschah hauptsächlich aus wohltätigen Gründen, um die Familie zu unterstützen, um Reisen zu bezahlen, oder um Geld auf das eigene Konto in der Schweiz zu überweisen. Zudem gaben die rund 1 000 Antwortenden, die ihr Rentenguthaben aus der Schweiz in ein anderes Land haben transferieren lassen, an, dass der Vorgang sehr oder ziemlich einfach war. Nur 5 Prozent hatten bei diesem Transfer Schwierigkeiten.

Lesen, sich informieren, wählen

Die neuen Technologien werden oft und gerne genutzt, um sich über die Schweiz zu informieren. Online-Zeitungen, Newsletter und Webseiten spielen dabei eine wichtige Rolle. Auch der Kontakt mit der Familie in der Schweiz erfolgt über verschiedene Kommunikationsmittel, wie beispielsweise das Festnetz- oder Mobiltelefon, sowie das Internet und seine Anwendungen. Schliesslich informiert sich zwar fast die Hälfte der Befragten über die in der Schweiz stattfindenden Wahlkampagnen und Abstimmung, aber nur wenige der Antwortenden nehmen tatsächlich daran teil.

Im Rahmen des wissenschaftlichen Projekts haben zudem 5 Paare und 25 Einzelpersonen, die heute in Marokko und Spanien leben, ihre Geschichte erzählt.

Sophie und Laurent Dupraz* gehören zu den Personen, die sich im Rentenalter entschieden haben, die Schweiz zu verlassen. Vor zehn Jahren beschlossen sie, aus wirtschaftlichen Gründen nach Spanien zu ziehen. Als sie noch in der Schweiz lebten, war es für beide wichtig, sich politisch zu engagieren und wählen zu gehen. Daran hat sich auch in den letzten zehn Jahren nichts geändert, wie Sophie uns erzählt:

“Ich finde es sehr wichtig, mich weiterhin über das Geschehen in der Schweiz und gerade über die Themen der  Abstimmungen zu informieren, schon allein für unsere Kinder und Enkelkinder. Denn es geht auch um ihre Zukunft. Es ist eine Art und Weise, wenn man so will, nach wie vor stark mit der Schweiz verbunden zu sein.”

Wie wichtig es Sophie ist, die Zukunft der Schweiz für die eigenen Kinder und Enkelkinder mitzugestalten, zeigt sich auch an ihrer Teilnahme am Klimastreik in der Schweiz vor einigen Jahren. Während die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen nicht für alle Befragte den gleichen Stellenwert einnahm, wurde das Interesse, über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in der Schweiz informiert zu bleiben, von vielen geäussert.

So wie beispielsweise von Jean Mauron*, der seit zwei Jahren in Spanien lebt: “Also das Westschweizer Radio, das höre ich jeden Morgen. Egal, wann ich aufstehe, ich schalte meinen Computer ein und höre mir die Nachrichten an. Ich öffne auch zwei- bis dreimal pro Woche die Seite der ‘Liberté’, um die lokalen Nachrichten aus Freiburg zu lesen. Und dann lese ich ebenfalls den Newsletter von Swissinfo.”

*Namen geändert

Dieser Artikel ist ursprünglich in der Schweizer RevueExterner Link erschienen.

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