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Drei Themen, aber kein grosses Interesse

Die drei Themen werden kaum einen grosse Ansturm auf die Wahllokale auslösen. AFP

Managed Care, Staatsverträge und Bausparen: Darüber hat die Schweiz am Wochenende an der Urne abgestimmt. Laut letzten Umfragen der SRG SSR zeichnet sich ein dreifaches Nein ab. Mit unter 40% werde die Stimmbeteiligung unterdurchschnittlich ausfallen.

Die Umfragen im Vorfeld des Abstimmungswochenendes deuten auf ein dreifaches Nein hin. Am deutlichsten werde dieses zur so genannten Managed-Care-Modell ausfallen. 58% der Stimmenden hätten ein Nein in die Urne geworfen, wenn Ende Mai abgestimmt worden wäre. Anfang Mai hatten lediglich 44% angegeben, Nein stimmen zu wollen.

Managed Care, das sind Ärzte-Netzwerke, zu denen sich verschiedene Ärzte (Hausärzte, Spezialärzte, Physiotherapeuten etc.) zusammenschliessen und die Betreuung der Patienten untereinander koordinieren. Das Parlament und der Bundesrat erhoffen sich von dieser Revision des Krankenversicherungs-Gesetzes eine Eindämmung der Gesundheitskosten.

“Zweiklassenmedizin” oder “mehr Effizienz”?

Dass eine Behördenvorlage im Vorfeld der Abstimmung so schlecht wegkomme, bezeichnete gfs-Studienleiter Claude Longchamp als “aussergewöhnlich und sehr selten”. Ungewöhnlich sei auch, dass das Nein quer durchs Land, die Sprachregionen und die Anhänger der politischen Parteien gehe.

Die Befürworter führen in der Abstimmungskampagne die “bessere Qualität der Behandlung” und “mehr Effizienz” als Argumente für Managed-Care-Modelle ins Feld. Die Gegner sprechen im Falle eines Ja von einer “Zweiklassenmedizin” und dem Ende der “freien Arztwahl”.

Riegel schieben

Ebenfalls auf ein Nein deuten die Umfragen im Falle der beiden Volksinitiativen “Eigene vier Wände dank Bausparen” und “Staatsverträge vors Volk”. Auch hier hat das jeweilige Nein-Lager in den vier Wochen zwischen erster und zweiter Befragung deutlich zugenommen.

Die Staatsvertrags-Initiative verlangt, dass alle völkerrechtlichen Verträge dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden müssten. Wenn am 29. Mai darüber abgestimmt worden wäre, hätten 55% Nein gestimmt. Lediglich die Anhänger der SVP befürworten die Initiative mehrheitlich. In allen andern Parteien und in allen Landesteilen dominiert die Ablehnung.

Laut den Initianten der Initiative muss der Aushöhlung der Souveränität ein Riegel geschoben werden. “Schlechte Verträge, wie das Schengen-Abkommen, könnten so eher abgewendet werden”, sagt Hans Fehr, Nationalrat der SVP gegenüber swissinfo.ch. “Wir haben heute die Situation, dass lediglich ganz zentrale Weichenstellungen wie ein EU- oder NATO-Beitritt dem obligatorischen Referendum unterstellt sind.”

Bei allen andern wichtigen Bereichen, wie den Kohäsions-Zahlungen und der Ausweitung der Personenfreizügigkeit sei das nicht der Fall. “Das höhlt die Souveränität der Schweiz und unsere Volksrechte aus. Da wollen wir einen Riegel schieben”.

Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit

Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments lehnen die Volksinitiative ab. Die Initiative würde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz schmälern, weil Wirtschaftsabkommen erst mit ein paar Monaten Verspätung in Kraft treten könnten, sagte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann bei der Lancierung der bundesrätlichen Kampagne gegen die Initiative.

Über “alles, was die Schweizer Bevölkerung als wichtig erachtet”, könne bereits heute abgestimmt werden, sagt CVP-Nationalrat Gerhard Pfister gegenüber swissinfo.ch und verweist auf die Möglichkeit, das Referendum zu ergreifen.

“Insofern sind die Mitspracherechte des Volkes schon jetzt gewährleistet. Der Verdacht drängt sich auf, dass die Initianten nicht eine höhere Volksbeteiligung wollen, sondern mit dem Ausgang von Volksentscheiden nicht zufrieden sind und nun Hürden aufbauen wollen, um diese Entscheide in ihre Richtung zu drehen”, so Pfister.

Volk- und Ständemehr notwendig

Die Bauspar-Initiative, die landesweit steuerliche Abzüge für Bauspareinlagen ermöglichen will, kommt auf einen Nein-Anteil von 45%. Dieser werde jedoch – wie bei Volksinitiativen üblich – bis zur Abstimmung tendenziell eher zunehmen, sagte Longchamp. Das linke Lager und auch die Christdemokraten sind gegen das Begehren. Dafür sind die bürgerlichen Parteien und der Hauseigentümerband.

Die beiden Initiativen verlangen jeweils eine Verfassungsänderung. Für eine Annahme sind das Volks- und das Ständemehr notwendig. Bei der Gesundheits-Vorlage würde das Volksmehr genügen.

Die Stimmbürger im Kanton Waadt stimmen am Wochenende über zwei Vorlagen zur Sterbehilfe ab.

Bisher hatten in der Schweiz erst die Zürcher die Gelegenheit, sich an der Urne zur Sterbehilfe zu äussern. Im Mai 2011 schickten die Stimmberechtigten des Kantons Zürich zwei Initiativen deutlich bachab, welche die Sterbehilfe verbieten und dem Sterbetourismus einen Riegel schieben wollten.

In der Waadt, wo fast die Hälfte der 16’500 Westschweizer Mitglieder von Exit leben, reichte die Waadtländer Sektion der Sterbehilfeorganisation 2009 eine von 14’000 Personen unterzeichnete kantonale Initiative für ein Sterben in Würde ein. Diese verlangt, dass Bewohner von öffentlich finanzierten Alters- und Pflegeheimen Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfen.

Die Waadtländer Behörden sind zum Schluss gekommen, dass es besser sei, einen Gegenvorschlag zu präsentieren, der die Sterbehilfe genau regelt, statt gegen die Initiative zu opponieren. Das Gesetz geht zudem weiter als die Initiative, denn es regelt die Sterbehilfe nicht nur in Pflegeheimen, sondern auch in Spitälern.

Zwei Voraussetzungen müssen allerdings erfüllt sein: So muss einerseits eine schwere und unheilbare Krankheit vorliegen und anderseits die Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen gegeben sein. Ob die beiden Kriterien erfüllt sind, entscheidet ein Chefarzt oder Klinikleiter zusammen mit dem Pflegeteam und dem behandelnden Arzt.

Exit beurteilt den Gegenvorschlag weniger gut als den Status quo. Die letzte Entscheidung dem Arzt einer Institution zu überlassen, stelle eine Bevormundung des Patienten dar, urteilt die Sterbehilfeorganisation.

Unterstützt wird die regierungsrätliche Vorlage sowohl von der Vereinigung der Waadtländer Pflegeheime als auch von den Waadtländer Ärzten. Ein Ja zum Gegenvorschlag empfehlen zudem alle politischen Parteien. Die Grünen und die Linksaussenpartei “A gauche toute” befürworten zusätzlich auch die Initiative, um ein deutliches Zeichen für das Recht auf Sterben zu setzen. Katholische und evangelische Kreise lehnen beide Vorlagen ab.

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