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Osec fordert mehr Einheit in Standortpromotion

Stabile politische Verhältnisse: Ein Faktor, der in der Standortpromotion Schweiz bisher stark unterschätzt wurde. EQ images

Obschon die Schweiz als Wirtschaftsstandort beste Voraussetzungen hat, haben Standort-Promotoren bisher nicht immer mit den richtigen Kriterien geworben. Nun stellt die offizielle Aussenwirtschaftsförderung Osec ein Basispapier als gemeinsame Promotions-Plattform vor.

Will ein Unternehmen eine Niederlassung im Ausland gründen, schaut sie auf so genannte Standort-Faktoren, zum Beispiel die Infrastruktur des Landes, politische Stabilität, Arbeitsmarkt, Steuersystem. Diese stehen für die wirtschaftliche Attraktivität eines Landes.

Bei diesen Faktoren figuriert die Schweiz in internationalen Ländervergleichen regelmässig ganz hoch oben: So hat das World Economic Forum (WEF) in seinem jüngsten “Global Competitiveness Report” die Schweiz sogar auf Platz 1 der wettbewerbsfähigsten Nationen gesetzt.

Bei der Bewerbung ihrer Standortvorteile steht der Schweiz aber oft der Föderalismus im Weg. Die Aussenwirtschaftsförderung Osec hat deshalb neun Firmen und Institutionen beauftragt, die Erkenntnisse aus der Standortpromotion zu bündeln und als Grundlage für neue Strategien aufzubereiten.

Am Dienstag hat sie in Bern eine neue Standortförderungs-Plattform vorgestellt – gemeinsam mit neun mit dieser Promotion verbundenen Beratungsfirmen und Institutionen.

Wahrnehmungs-Diskrepanzen

Diese haben die Standort-Förderung aus ihrer strategischen, Marketing- oder steuerpolitischen Sicht beurteilt, auf Grund von Interviews, Statistiken und Analysen. Herausgefunden haben sie viel Positives, aber auch Erstaunliches.

So stellte der Wirtschaftsberater “Deloitte Schweiz” starke Wahrnehmungsunterschiede zwischen den ausländischen Investoren und den inländischen Promotoren fest: Während die inländischen Standort-Förderer beispielsweise den Standortfaktor “politische Stabilität” weit hinten auf Platz 11 platzierten, liege dieser für ausländische Firmen ganz klar auf Platz 1.

Auch das Finanz- und Bankensystem werde von den Promotoren unterschätzt. Überschätzt hingegen würden Faktoren wie Infrastruktur, Institutionen (Behörden), Arbeitsmarkt und Steuersystem.

Ohne auf die Gründe dieser Diskrepanzen einzugehen, rät Deloitte den Promotoren diplomatisch, “die unterschiedliche Wahrnehmung der Standortfaktoren zu vereinheitlichen”. Und weil nur die Wahrnehmung der ausländischen Investoren zählt, heisst das im Klartext: Standort-Förderer, nehmt euch die Prioritäten eurer Kundschaft zu Herzen.

“Gärtchen-Denken” in der Standort-Promotion

Die Boston Consulting Group (BCG), ebenfalls bei der Osec-Plattform dabei, hat den Marktauftritt der Standort-Förderer untersucht. Matthias Naumann, BCG Managing Director Switzerland, legt dabei den Finger auf einen wunden Punkt: Mehr als ein kantonaler Promotor hätte bis vor kurzem noch ein “Gärtchen-Denken” an den Tag gelegt.

Ein kantonaler Standortförderer habe ihm gesagt: “Es wäre für mich besser gewesen, der ausländische Investor ginge mit seiner Niederlassung ins Ausland, als dass er sich für meinen Nachbarkanton entschieden hätte.”

Die Aussage erinnert an den Fall des US-Biopharma-Konzerns Amgen, der 2005 Interesse zeigte, sich mit “dem grössten Biotech-Unternehmen der Welt in der Schweiz niederzulassen. Hoffnungen auf eine Ansiedlung des Konzerns machten sich gleich mehrere Kantone. Freiburg liess im Grossen Moos vorsorglich dutzende Hektaren Landwirtschaftsfläche auszonen.

Um die Gunst des US-Konzerns buhlten aber auch Orte in der Waadt, im Tessin und Wallis. Das Rennen machte schliesslich Irland, laut Amgen dank qualifizierter Arbeitskräfte und intakter Infrastruktur. Ausdrücklich gelobt hatte der Konzern auch die Unterstützung der irischen Regierung.

BCG weist auf ein anderes kritisches Beispiel der Standort-Vermarktung im Life Sciences-Bereich hin, – ein Sektor, der viel Ähnlichkeit mit der Pharma-Industrie habe. Eine Analyse der Kantone mit Life Science-Ansiedlungen weise nach, so Naumann, “dass diese Kantone die industriespezifischen Standortfaktoren nicht konsequent vermarkten”.

So habe Basel als Zentrum der Pharma-Branche seinen gegebenen Standortfaktor Arbeitsmarkt für Life Science-Firmen nicht explizit vermarktet. Die Region Genf-Waadt hingegen habe alle Faktoren von Forschung & Entwicklung bis Infrastruktur konsequent vermarktet.

Wenig innovativ beim Innovations-Standort

Wie sich Wirtschaftsprüfer in die Standort-Promotion einbringen können, zeigt KPMG, das ebenfalls bei der Plattform der Osec mitmacht. Die Schweiz bringe sich wegen ihrer Holding-Strukturen aus steuerlicher Sicht in Spitzenposition, sagt Jörg Walker von KPMG.

Die Schweiz sei aber aus der Sicht ausländischer Investoren längst nicht überall steuerpolitisch attraktiv, so Walker. Dies gelte zum Beispiel im Forschungsbereich, wo viele EU-Länder heute die entsprechenden Unternehmen längst nicht mehr subventionierten wie einst, sondern diese mit Steuervergünstigungen für deren Forschungsaufwand förderten. In der Schweiz hingegen sei man noch nicht soweit.

Osec: Endlich unter einem Dach

Um den Mängeln der Schweizer Standort-Promotion zu Leibe zu rücken, hat der offizielle Exportförderer Osec nun eine gemeinsame Plattform geschaffen.”Es ist uns gelungen, die zehn führenden an der Ansiedlung von ausländischen Unternehmen Interessierten an einen Tisch zu bringen,” sagt Daniel Küng, CEO der Osec.

Standort-Marketing wäre eigentlich Sache der Kantone. Der Bund habe erst seit 1996 ein Programm für die Vermarktung der gesamten Schweiz ins Leben gerufen.

Die Osec wolle deshalb keine Rahmenbedingungen verändern, sondern optimieren und Impulse geben.

Küng möchte die Kräfte in der Standortpromotion bündeln und die an sich ausgezeichneten Standortfaktoren gezielter vermarkten.

Alexander Künzle, swissinfo.ch

Die Osec ist der offizielle Schweizer Aussenwirtschafts-Förderer (Osec Business Network Switzerland, “Haus der Aussenwirtschafts-Förderung”)

Neben Standort-Promotion betreibt sie Export-, Import- und Investitionsförderung.

Die Osec unterstützt, in Kooperation mit den Kantonen und privaten Organisationen, Schweizer Firmen bei ihren Auslandaktivitäten. Sie ermöglicht so eine schlagkräftige Aussenwirtschafts-Förderung.

Sie vermittelt Informationen zum Unternehmensstandort Schweiz und stellt Plattformen bereit.

Der Bund, das heisst das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), hat 2008 die Standortpromotion für die Schweiz an die privat organisierte Osec abgegeben.

Ein Strukturproblem der Landes-Promotion ist der föderalistische Aufbau.

Laut Seco-Vizedirektor Eric Scheidegger glichen die Koordinationsbemühungen früher eher einem “Flohzirkus”, resp. es handelte sich um ein “schwieriges Thema”.

Seit 2008 wird der Auftritt gemeinsam koordiniert.

Die neueste Standortbestimmung privater Akteure auf Anregung von der Osec hat laut Scheidegger viele Verbesserungs-Vorschläge hervorgebracht.

Der Bund werde sie überprüfen und, wenn geeignet, in seine Botschaft über die Standortförderung 2012-2015 einfliessen lassen.

Im Parlament wird 2011 darüber debattiert werden.

Das geschätzte Gesamtbudget, das schweizweit für die Standortpromotion im Ausland ausgegeben wird, beträgt rund 30 Mio. Franken.

6 Mio. stehen der Osec zur Verfügung, rund 24 Mio. den Kantonen und regionalen Organisationen.

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