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Der Telekom-Markt hält der Krise stand

M. Zouhri/ITU

Die Telekommunikations-Branche ist von der Weltwirtschaftskrise nur wenig betroffen, sagt der Analyst Franco Monti. Zur Eröffnung der World Telecom am Montag in Genf bewertet der Experte den Markt in der Schweiz und der Welt.

Die Ausgabe 2009 der World Telecom hat viel vom einstigen Glanz eingebüsst. Die von der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) organisierte internationale Messe für Informations-Technologien erwartet 35’000 Besuchende und über 300 Aussteller.

Noch 2003 waren es 50’000 Besuchende und 900 Aussteller gewesen – was damals bereits tieferen Zahlen entsprach, als noch in den 1990er-Jahren.

Die relative Bescheidenheit der Ausgabe 2009 steht in starkem Kontrast zum Zustand des Telekommunikationsmarktes, der sich einer recht guten Gesundheit erfreut.

swissinfo.ch hat mit Franco Monti gesprochen, dem Verantwortlichen für die Sektoren Telekommunikation, Medien und Industrie beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungs-Unternehmen Pricewaterhouse Coopers.

swissinfo.ch: Die World Telecom wirkt dieses Jahr viel bescheidener als in den vorangegangenen Ausgaben. Spiegelt dies den Zustand des Marktes wider?

Franco Monti: Nur zum Teil. Mit dem Internet und dem konstanten Informationsfluss in Echtzeit, den dieses ermöglicht, muss man sich fragen, ob eine solche Messe überhaupt noch einen Mehrwert bietet.

Die traditionelle Formel dieser Art von Handelsmessen hat ihren Reiz verloren. Man muss nicht mehr zwingend dabei sein, um den Markt und die Konkurrenz abschätzen zu können.

Man muss aber auch sagen, dass es eine zurückweichende Tendenz im Bereich der Telekommunikation gibt, die den Märkten folgt. In den USA beispielsweise haben die Anbieter die Investitionen in Infrastrukturen wie etwa Breitband-Anschlüsse gestoppt.

Dies, weil es schwieriger geworden ist, Bankkredite zu erhalten. Und dieses Hindernis blockiert auch zahlreiche sehr viel versprechende Projekte in diesem Bereich.

swissinfo.ch: Sind die Telekom-Anbieter dennoch mehr oder weniger von der Krise verschont geblieben?

F.M.: Ja und Nein. Die Kabelanbieter, die Inhalte verbreiten, sind weniger davon betroffen als andere Sektoren der Industrie. Ihre finanzielle Situation ist mehr oder weniger stabil.

Was die Anbieter von mobilen Angeboten betrifft, werden die Prepaid-Abonnemente nicht mehr mit der gleichen Frequenz erneuert wie vor der Krise. Und diese Art Vertrag kann bis 60% aller verkauften Abonnemente ausmachen.

Unter den Schwierigkeiten beim Zugang zu Krediten leiden die Lieferanten von Netzwerk-Einrichtungen viel mehr als die Anbieter, aber immer noch weniger als andere Industriesektoren.

swissinfo.ch: Ist der Telekom-Markt nicht bereits gesättigt?

F.M.: Nein. Dieser Markt folgt einer gestuften Kurve: Perioden von Wachstum und Stabilisierung wechseln sich ab. Auch die Netzkapazitäten werden weiterhin ansteigen, weil sich die Bedürfnisse der Kundschaft stetig erhöhen.

Vor einigen Jahren ging es darum, die Bevölkerung ans Internet zu bringen. Heute ist das Ziel, sie mit Echtzeit-Angeboten wie Spielen im Netz, Smartphones usw. zu verbinden.

Zusammengefasst heisst das, dass Nutzerinnen und Nutzer von Telekom-Angeboten immer schnellere und billigere Verbindungen verlangen. Die Investitionen und Wachstumsmöglichkeiten hängen mit dieser Nachfrage zusammen.

swissinfo.ch: Wo ist mehr Wachstum möglich: Bei den Dienstleistungen oder den Infrastrukturen?

F.M.: Nehmen wir das Beispiel von Verizon, einem amerikanischen Telekom-Riesen, der als Modell für die Zukunft dieser Branche gelten kann. Der Konzern hat sich gezielt auf visuelle Kommunikation (Video-Konferenzen) und Konvergenz (Telefon, Internet, TV) ausgerichtet.

Er hat auch in die Kapazitätserhöhung von drahtlosen Netzen investiert (100 Megabytes bis 1 Gigabyte pro Sekunde). Dies wiederum öffnet die Türe für verschiedene neue Dienstleistungen.

Wir begleiten auch ein Konvergenz-Projekt zwischen Telekom und Medien: In der Schweiz suchen Verleger wie Ringier oder Edipresse sowie die Telekom-Anbieter neue Geschäftsmodelle.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Unternehmen wie Disney oder Google die Anbieter der Zukunft sein werden. Es geht darum, neue Dienstleistungen zu schaffen und den Boden für neue Anwendungen, Dienste und Inhalte zu besetzen.

swissinfo.ch: Wie steht es um den Schweizer Markt? Hat er sich genügend geöffnet, um konkurrenzfähig zu sein?

F.M.: Laut Analysen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD weist die Schweiz beim Zugang zu den Netzen ein hohes Kapazitätsniveau auf. Anders gesagt: Das Breitband ist in der Schweiz gut entwickelt.

Enorme Investitionen werden derzeit von Telekom-Anbietern, städtischen Industriebetrieben und Kabelanbietern bewilligt, um die Kapazitäten der Netze weiter zu erhöhen.

Die Schweiz will sich mit ultraschnellen Informations-Netzen ausstatten, um jederzeit von ausgeklügelten multimedialen Dienstleistungen und Inhalten profitieren zu können. Dies erlaubt es, teure und ausgefeilte Dienste anzubieten. Daher sind die Schweizer Konsumenten immer eine interessante Kundschaft.

Und weil in der Schweiz quasi ein Oligopol herrscht, eine Marktbeherrschung durch wenige Grossunternehmen, trägt die Swisscom folglich die Rolle eines Service Public.

Frédéric Burnand, Genf, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

ITU: Die World Telecom 2009 wird von der Internationalen Fernmelde-Union (International Telecommunication Union ITU) mit Sitz in Genf organisiert.

Dauer: Diese internationale Handelsmesse des Telekommunikations-Sektors und der Informations-Technologien dauert vom 5. bis 9. Oktober.

Rückkehr: Die Ausgabe 2009 markiert die Rückkehr der Telecom nach Genf, wo die Veranstaltung 1971 zum ersten Mal über die Bühne ging.

Psychodrama: Seit 1995 entscheidet die ITU über den Austragungsort auf Basis einer Ausschreibung. Dass die Ausgabe 2006 in Hongkong stattgefunden hatte, gab in Genf viel zu Reden.

40. Jubiläum: 2009 wurde Genf vor Paris, Birmingham und Dubai ausgewählt. Es handelt sich um eine strategische Ausgabe der Messe, die es der ITU und dem Kanton Genf ermöglichen soll, die Ausgabe 2011 vorzubereiten. In zwei Jahren feiert die ITU das 40-Jahr-Jubiläum der Messe.

Forum: Am Forum, das parallel zur Messe läuft, nehmen über 1300 Delegierten aus 90 Ländern teil. Rund ein Dutzend Staats- und Regierungschefs werden erwartet.

Abwesende: Bekannte Namen wie Cisco, IBM, Inmarsat, Microsoft, China Mobile, NTT oder Samsung sind dieses Jahr an der Messe vertreten. Grosse Abwesende sind die beiden nordischen Handy-Riesen Nokia und Ericsson.

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