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100 Jahre im Dienste der Bedürftigen

Innenminister Pascal Couchepin (links) mit dem ehemaligen SKOS-Präsidenten Rudolf Mittner. Keystone

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) hat am Donnerstag in Luzern ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. Ehrengast war Innenminister Couchepin.

In seiner Rede setzte Couchepin den Akzent auf die Reintegration der Sozialhilfe-Empfänger. Nichts sei schlimmer als inaktiv zu sein.

Die SKOS wurde 1905 als Verband der Armenpfleger gegründet. Ihr Ziel: die Armut bekämpfen. Damals gab es weder eine Altersvorsorge noch eine obligatorische Krankenversicherung. Beides ist heute Tatsache, verursacht jedoch immer höhere Kosten. Heute, so wurde in Luzern gesagt, sehe sich die SKOS an der Schnittstelle von Politik und Facharbeit, wo sie wesentlich an der Entwicklung des Sozialwesens beteiligt sei.

Dem Fachverband der Schweizerischen Sozialhilfe gehören alle Kantone sowie über tausend Städte, Gemeinden und private Werke an. Die SKOS gibt Richtlinien für die Bemessung der Sozialhilfe heraus, die den meisten Kantonen als Referenzgrössen für ihr eigenes Sozialhilferecht dient.

Über Neues nachdenken

Am Festakt im Kultur- und Kongresszentrum (KKL) sprach sich der Schweizer Innenminister Pascal Couchepin vor Persönlichkeiten aus Politik und Fachwelt dafür aus, Arbeit und Beschäftigung nicht zu bestrafen. Es gebe für sozial schwache Menschen nichts Schlimmeres als die Inaktivität.

Couchepin nahm Bezug auf den Vorschlag, den die Zürcher Sozialvorsteherin Monika Stocker kürzlich in die Diskussion warf, spezielle Arbeitsplätze für Leistungsschwache zu schaffen, sogenannte “1000-Franken-Jobs”. Angesichts der explodierenden Sozialausgaben müsse man auch Neues wagen oder zumindest darüber nachdenken, sagte Couchepin.

Zur Entlastung der so genannten Working poor sei die Idee von einkommens-abhängigen Steuergutschriften als Anreiz für die Erwerbstätigkeit vielversprechend, aber schwierig zu realisieren, so Couchepin.

Der Bundesrat dankte der SKOS für ihre Arbeit: “In einer idealen Welt bräuchte es sie nicht; doch davon sind wir weit entfernt, deshalb sind Kompromisse zwischen Realpolitik und Sozialarbeit, wie sie die SKOS schafft, nötig.”

Zum Wohl der Schwachen

Walter Schmid, SKOS-Präsident und Rektor der Hochschule für Soziale Arbeit in Luzern, erinnerte an die Bundesverfassung, die das Wohl der Schwachen zum Massstab für die Stärke des Volkes erkläre. Die Grundrechte der Existenzsicherung gälten also unabhängig von verfügbaren Budgetmitteln und Finanzplänen.

Sozialhilfe sei aber nicht vorab eine Frage des Systems und der Finanzen: “Entscheidender sind gemeinsame Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaft, ein Sinn für Gemeinwohl und Solidarität”, sagte Schmid weiter.

Kongresse und Tagungen

Eingebettet ist der Anlass in eine Veranstaltungswoche unter dem Titel “Soziale Schweiz – Soziales Europa”. Bund, Kantone und Gemeinden sowie Organisationen wie Caritas, International Council of Social Welfare oder die Europäische Freiwilligenuniversität halten Tagungen und Kongresse in Luzern ab.

Themen waren etwa, welche Folgen die Globalisierung für den Gesellschaftsvertrag habe oder wo die Schweiz bei den Netzen der Existenzsicherung stehe.

swissinfo und Agenturen

Die SKOS veröffentlicht Richtlinien zur Bemessung der Sozialhilfe in der Schweiz. Die revidierten Richtlinien traten am 1. April 2005 in Kraft.

Die Richtlinien sind Empfehlungen und nicht bindend. Sie sind Referenz für die Rechtssprechung.

Verbindlich werden die Richtlinien erst durch die kantonale Gesetzgebung, die kommunale Rechtsetzung und die Rechtsprechung.

In der Schweiz sind rund 300’000 Personen auf Sozialhilfe angewiesen.

Die Sozialversicherung leistet finanzielle Hilfe in Höhe von 3 Mrd. Franken.

Die gesamten Sozialausgaben in der Schweiz beliefen sich 2004 auf rund 100 Mio. Franken.

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