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Agglomeration: Missing Link

Ein Agglomerations-Projekt: Die "Orange Bahn-Linie" Offenburg-Freiburg-Basel wird am 7. Januar 2002 in Basel dem Verkehr übergeben. Keystone

In der Schweiz wird immer wieder versucht über Grenzen hinweg wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen einzuleiten. Die Hürden sind allerdings hoch.

“Die Städte und Agglomerationen verdienen bezüglich qualitativer Entwicklung besondere Beachtung und nur eine Strategie mit wettbewerbsfähigen Zentren und kantonalen Entwicklungs-Achsen macht Sinn.”

Solche diffusen Absichts-Erklärungen im Politbereich (diese hier stammt von der SP der Stadt Bern) lassen sich zuhauf finden. Sie besagen, dass nicht mehr jede einzelne Stadt und jedes Dorf die Anforderungen der heutigen Zeit für sich alleine meistern kann. Längst sind wir so zersiedelt, dass sich grössere Gebilde einer Aufgabe annehmen müssen. Das wird dann als Agglomeration bezeichnet.

Unterschiedliche Aufgaben

Die Schweiz kennt – grob gesehen – drei “Autonomien”: Die Gemeinde, den Kanton, den Bund. In einer sich globalisierenden Welt erweisen sich Gemeinde- und Kantons-Autonomie zunehmend als Hemmschuh, wenn es um wirtschaftliche oder kulturelle Entwicklungen geht. Auf politische Grenzen wird nicht mehr Rücksicht genommen.

So können zwei Orte durch eine Kantonsgrenze getrennt sein, die geografisch eigentlich zusammengehören. Von der Schule bis zur Polizei, zur Gerichtsbarkeit und den Ladenöffnungs-Zeiten kann alles sehr verschieden sein. Wollen die beiden Orte etwas gemeinsam tun, dann stossen sie an viele gesetzliche Grenzen.

Regio Basiliensis

Die zweitgrösste Stadt der Schweiz, Basel, kann ein Lied davon singen. Die extreme Grenzlage Basels zu Frankreich und Deutschland (beide EU-Mitglieder) liess eine “Dreiländer-Agglomeration” entstehen. Denn eigentlich gehört Basel zur Region Oberrhein, ist aber durch Landesgrenzen und die EU-Grenze in seiner Entwicklung gehindert.

Basel habe den “Leidensdruck der Vergrenzung” immer als Herausforderung verstanden, heisst es in Basel. Die Regio Basiliensis versucht denn, wo es immer geht, mit dem Elsass und dem Badischen Gebiet zusammenzuarbeiten.

Letztes Beispiel: Eine Regiobahn verkehrt nun von Basel nach Offenburg mit Halt an allen Stationen. Oder die Baudirektoren der Kantone Basel-Land und Basel-Stadt haben die Bürgermeister der umliegenden ausländischen Gemeinden eingeladen, um gemeinsame Konzepte zu entwickeln.

Agglomeration Luzern

Am Anfang steht immer ein Leitbild. Ein solches haben auch die in der Agglomeration Luzern zusammengeschlossenen Gemeinden Adligenswil, Buchrain, Dierikon, Ebikon, Emmen, Gisikon, Hildisrieden, Honau, Horw, Kriens, Littau, Luzern, Malters, Meggen, Rain, Root, Rothenburg, Schwarzenberg und Udligenswil geschaffen.

Im Leitbild steht, es enthalte “Zielformulierungen für alle Bereiche des öffentlichen Lebens”. Weiter liest man von “vier prioritären Handlungsfeldern”. Die, so heisst es weiter, liessen sich nicht mehr nur kommunal lösen. Konkret geht es um Verkehr und Umwelt, Kultur und Sport, Gemeinschaft und Soziales sowie Standortmarketing.

Doch immer stossen die Bemühungen an die altbekannten Gemeindegrenzen. Gemeint sind diejenigen auf der Landkarte und im Kopf. Zusammenarbeit heisst in einer Schweizer Agglomeration immer: nur soviel ist möglich, dass die Gemeindeautonomie nicht tangiert wird. Das lässt einiges zu, verhindert aber meist grosse Würfe.

Agglomeration Gross-Freiburg

“Die Agglomeration ist das einzige Mittel, um den beschaulichen Trott hinter uns zu lassen, in dem wir uns zu verlieren drohen”, sagte kürzlich Nicolas Deiss, der Oberamtmann des Saanebezirks.

“Nur die Agglomeration ermöglicht es dem Kanton Freiburg, sich als starke Kraft zwischen Bern und dem Genfersee zu etablieren”, fuhr Deiss fort. Deiss will die Agglomeration Gross-Freiburg gründen.

Drei Jahre Zeit

Die Versammlung der Agglomeration hat drei Jahre Zeit, um ein Statut und ihre “definitiven territorialen Grenzen” auszuarbeiten. Bis dahin erhofft sich Deiss klare Vorstellungen über die Bereiche der Zusammenarbeit, über finanzielle Konsequenzen und allfällige Änderungen des entsprechenden Gesetzes über die Agglomeration.

Soviel Zeit und wohl unzählige Treffen und Sitzungen braucht es vor allem um abzuklären, ob auch ja keine Gemeinde zu kurz kommt oder gar Autonomie abzugeben hat.

Dass die gemeinsame wirtschaftliche und kulturelle Kraft einer Agglomeration vielleicht eher Wunschdenken denn Realität sein könnte, sagt uns der letzte Abschnitt in der Mitteilung der “Agglomeration Gross-Freiburg”:

“Während sich Tafers und Düdingen mit dem Projekt nicht so richtig anfreunden können, geht Freiburg mit viel Elan und Enthusiasmus an die Sache heran. Andere Gemeinden wollen vor einem Urteil erst abwarten und sehen, wie sich das Ganze entwickelt.”

Urs Maurer

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