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Dem Rütli-Charme verfallen: Leuenberger und Havel

Bundespräsident Leuenberger zeigt Vaclav Havel die traditionelle Schweiz. Keystone

Das Rütli steht nicht nur für alte Mythen, sondern auch für eine offene Schweiz. Dies sagte Leuenberger am Freitag (29.06.) während des Staatsbesuchs von Vaclav Havel. Auch der tschechische Präsident zeigte sich vom Rütli begeistert.

Bundespräsident Moritz Leuenberger machte in seiner Ansprache keinen Hehl daraus, dass er ursprünglich dem tschechischen Präsidenten Vaclav Havel lieber die moderne städtische Schweiz gezeigt hätte. Er habe zunächst gedacht, dass das Rütli nur ein Symbol für trutzigen Widerstand gegen feindliche Mächte in einer kriegerischen Zeit stehe, sagte Leuenberger. Ein solcher Ort passe doch nicht in die heutige Zeit.

Die Schriften des Dichterpräsidenten haben Leuenberger indes dazu ermutigt, nicht nur der Gegenwart ins Gesicht zu schauen, sondern auch den Wert in den eidgenössischen Mythen zu entdecken. So sei es den drei Eidgenossen auf dem Rütli nicht in erster Linie um Abschottung, sondern um die Wahrung des sozialen Friedens gegangen, sagte Leuenberger. Heute würden die drei Eidgenossen sicherlich auf die UNO-Charta mit ihren ähnlichen Anliegen schwören.

Denn heute gehe es nicht mehr um «Leib und Gut in unseren Tälern». Die Schweiz habe erkennen müssen, dass die Verletzung von Menschenrechten in einem anderen Land sie etwas angehe, sagte Leuenberger. Ähnlich wie das Rütli sei auch die Charta 77 der tschechischen Opposition gewesen, die Havel mitgegründet hatte. Auch dort hätten sich drei Individuen gegen ungerechte und übermächtige Strukturen aufgelehnt.

Auch Havel im Banne des Rütli-Charme

Vaclav Havel hatte gewünscht, auf seinem zweitägigen Staatsbesuch das Rütli zu besuchen. Er wolle damit den jahrhundertealten Staatenbund, den Föderalismus und die alte Demokratie in der Schweiz würdigen, sagte Havel in seiner Rede.

Der Ursprung der Schweiz beruhe auf einem Vertrag, sagte Havel. Das Vertragsprinzip setze sich immer mehr auch global zwischen den Staaten durch. Schliesslich würdigte der tschechische Präsident auch den Willen der kleinen Gruppen, gegen Grossmächte zu bestehen. Havel sagte, institutionell sei die Schweiz noch immer unabhängig. Im menschlichen Sinne verhalte sich das Land aber nicht neutral, wie die vielen Friedenskonferenzen, die in der Schweiz stattgefunden hatten, zeigten.

Die tschechische Repulik sei der Nato beigetreten und wünsche, der EU beitreten zu können. Sie mache dies nicht, weil sie sich auf eine Seite der Welt schlagen wolle, sagte Havel. Doch sie wolle ihren Platz in den Strukturen haben, die die global vernetzte Welt benötige.

swissinfo und Agenturen

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