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Gentech-Weizen: Zurück zum Start

Noch ist der Entscheid nicht gefallen, ob der Weizen aus dem Treibhaus ins Freiland kommt. Keystone

Umweltminister Leuenberger hat sein Amt zurückgepfiffen: Der im letzten November abgelehnte Freisetzungs-Versuch mit Gentech-Weizen muss neu beurteilt werden.

Dies heizt die aktuelle politische Debatte zusätzlich an.

In der Schweiz gibt es keine Gentech-Pflanzen auf den Feldern – weder im kommerziellen Anbau noch auf wissenschaftlichen Versuchsflächen. Einzig Anfang der 90er-Jahre waren Experimente im Freien (damals mit genveränderten Kartoffeln) durchgeführt worden. Spätere Gesuche erhielten jeweils abschlägigen Bescheid.

So auch letzten November das Gesuch von Forschern der ETH Zürich: Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) lehnte – mehr als ein Jahr nach dessen Einreichung – auch ihr Gesuch ab, gentechnisch veränderten Weizen in einem Freisetzungs-Versuch zu testen.

Die Zürcher Forscher wollten mit ihrem kleinflächigen Feldversuch (rund 1600 Pflanzen auf wenigen Quadratmetern) die “Biosicherheit von transgenem Weizen unter natürlichen Bedingungen” abschätzen, wie es im Gesuch heisst.

Die Pflanzen wurden im Labor gentechnisch so verändert, dass sie nicht mehr von Stickbrand befallen werden können. Dank einem Fremdgen entwickeln sie ein Eiweiss, mit dem sie sich selber gegen die Pilzerkrankung wehren können.

Ausführliche Begründung des BUWAL-Neins

Das BUWAL begründete sein Nein ausführlich. Das Schadenpotenzial sei nicht abschätzbar, man wisse über das Produkt des eingeschleusten Gens zu wenig, die molekulare Beschreibung sei ungenügend.

Zudem beinhalten die Pflanzen ein Antibiotikaresistenz-Gen (auch in der Medizin wird das Antibiotikum verwendet), dies sei nicht nötig, so das BUWAL.

Andere Sichtweise des übergeordneten Bundesrats

Die ETH wollte das Nein nicht akzeptieren und machte Rekurs – zu Recht, wie nun Umweltminister Moritz Leuenberger feststellte. Das BUWAL habe “den Versuch zu Unrecht als nicht bewilligungsfähig beurteilt”, so die Begründung. Denn gemäss geltendem Recht seien solche Versuche unter restriktiven Bedingungen erlaubt.

Zudem hätten nicht nur die Fachkommission für Biologische Sicherheit, sondern auch die zuständige Ethikkommission, verschiedene andere Bundesämter und das Umweltamt des Kantons Zürich grünes Licht für den Versuch gegeben. Von diesen Haltungen dürfe das BUWAL “nicht ohne triftige Gründe” abweichen.

Und zu den triftigen Gründen sagte Leuenberger am Freitag vor den Medien: “Wir haben keine gefunden.”

Geltendes Gesetz zur Zeit in Revision

Wie es nun mit dieser Neubeurteilung weiter geht, ist offen. Denn auch das Umweltministerium ist der Meinung, dass die “künstliche Verbreitung von resistenzbildenen Organismen (…) grundsätzlich unerwünscht ist”.

Allerdings: “Das geltende Recht ermächtigt die Vollzugsbehörden nicht dazu, im Vorgriff auf mögliches künftiges Recht einen Versuch aus grundsätzlichen umweltpolitischen Überlegungen abzulehnen.”

Die Lage ist verzwickt, denn das geltende Gesetz ist seit Jahren in Revision, das Parlament macht sich die Entscheide nicht leicht. Am 1. Oktober kommt der Entwurf in die Zweite Kammer, in den Nationalrat.

Sein Entscheid widerspreche dem Parlamentswillen, räumte Bundesrat Leuenberger ein. Denn der Ständerat hat im Gentechnikgesetz Versuche mit gentechnisch eingebrachten Resistenzgenen gegen Antibiotika verboten. Die Nationalrats-Kommission ist sogar noch strenger.

Das BUWAL hat nun 90 Tage Zeit, über die Bücher zu gehen und seinen ablehnenden Entscheid zu überprüfen. Allerdings: Auch gegen den aktuellen Entscheid können alle Parteien rekurrieren. Und dies ist durchaus nicht unwahrscheinlich. “Ich denke, es ist gut möglich, dass es einen Rekurs ans Bundesgericht gibt”, sagte Philipp De Canto vom Rechtsdienst des Umweltministeriums gegenüber swissinfo.

ETH erfreut

Obgleich noch nichts definitiv ist: Die ETH Zürich hat mit Erleichterung auf den Entscheid reagiert. Es sei ein gutes Signal für zukünftige Forschungsvorhaben, sagte Gesuchsteller und ETH-Forscher Christof Sautter gegenüber swissinfo.

Die ETH geht nun davon aus, dass das BUWAL die Auflagen und Bedingungen gemäss den Empfehlungen der Fachstellen festlegt und den Feldversuch rasch bewilligt.

swissinfo, Eva Herrmann

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