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Grünes Licht mit Auflagen für Psycho-Studie

Kinder stehen im Mittelpunkt der Studie. Keystone

Der umstrittene nationale Forschungsschwerpunkt "sesam" zur Untersuchung der psychischen Gesundheit von Kindern kann durchgeführt werden.

Die Studie, die 3000 Familien beobachten will, muss aber Auflagen erfüllen. Namentlich dürfen den Kindern keine Gewebeproben für DNA-Analysen entnommen werden.

“sesam” (Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health) soll durch das Beobachten von 3000 Familien während 20 Jahren Erkenntnisse über die psychische Gesundheit in der Schweiz gewinnen.

“sesam”-Basis ist die Universität Basel; daneben sind Forschende in Genf, Lausanne, Bern und Zürich beteiligt.

2007 und 2008 wollen die Forschenden beim weltweit einzigartigen Projekt Familien und Alleinerziehende zum Mitmachen gewinnen. Sie wollen biologische, psychologische und soziale Einflüsse auf Gesundheit und Wohlbefinden erforschen.

Im Fokus sind speziell die Kinder, da viele psychische Probleme ihren Ursprung in der Kindheit haben.

Keine Gewebe-Entnahmen

Der Bundesrat hatte “sesam” 2005 ausgewählt. Die Ethikkommission beider Basel musste aber noch alle Einzelprojekte prüfen.

Sie hat nun der Durchführung mit 20 gegen eine Stimme zugestimmt, wie EKBB-Präsident Hans Kummer vor den Medien in Basel sagte. Sie formulierte zuvor allerdings sieben Auflagen, welche die Forschenden einhalten müssen.

Die wesentlichste Auflage trifft einen wichtigen “sesam”-Teil: Nicht gestattet wird die Gewebeentnahme zwecks Untersuchung der genomischen DNA bei Kindern. Die Teilnehmenden sollen, sobald sie mündig sind, über Vor- und Nachteile des Projekts informiert werden und erst dann frei über eine Gen-Untersuchung entscheiden.

Begründet wird dies mit einer möglichen lebenslangen starken Belastung, etwa wenn genetische Ähnlichkeiten zu Verwandten mit schweren Krankheiten – wie Schizophrenie oder Depressionen – festgestellt werden. “sesam” wertet Daten zwar nur anonym aus, aber Betroffene haben das Recht ihre individuellen Daten einzusehen.

Individuelles Interesse hat Vorrang

Eine weitere Auflage ist eine unabhängige Begleitstudie, die allfällige negative Effekte auf die Teilnehmenden rasch erkennen soll. Grundsätzlich will “sesam” zwar nur beobachten, aber bei akuten Risiken soll doch interveniert werden. Wann und wie genau, sei noch festzulegen. Offen ist ferner auch noch die Versicherung.

Das individuelle Interesse stehe immer über jenem der Studie, hielt Kummer fest. Das Studienprotokoll sei nach der Prüfung der EKBB viel besser und weise “nur noch wenige Mängel auf”.

Er rechnet damit, dass die “sesam”-Forschenden die Auflagen innert drei Wochen erfüllen und die EKBB dann definitiv grünes Licht geben könne.

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SNF

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) ist eine privatrechtliche Stiftung, die im Auftrag des Bundes hauptsächlich die Grundlagenforschung in der Schweiz unterstützt. Der SNF fördert alle Disziplinen, von Philosophie über Biologie bis zu Nanowissenschaften und Medizin. Die Hauptaufgabe des SNF besteht darin, die von Forschenden eingereichten Projekte wissenschaftlich zu begutachten und diese im Rahmen der verfügbaren Mittel…

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Auflagen akzeptieren

Die Ethikkommissionen an den anderen Forschungsstandorten können laut Kummer nach dem EKBB-Entscheid verkürzte Prüfungen vornehmen.

Sie seien aber in ihrem Entscheid frei. Der EKBB-Entscheid ist zwar anfechtbar, doch bei den bisher über 2000 Studien-Prüfungen sei noch keine formelle anfechtbare Verfügung nötig geworden, hiess es.

“sesam” wolle die Auflagen akzeptieren, sagte Vizedirektor Alexander Grob an einer eigenen Medienkonferenz. Man sei dank guter Vorbereitung “in den Startlöchern” und wolle in Basel so bald wie möglich loslegen. Von den diversen beantragten Untersuchungen sei einzig die Analyse der Kinder-DNA nicht bewilligt.

Kritiker fordern Verzicht

Grob hofft, dass sich die Teilnehmenden so korrekt behandelt fühlen, dass sie im Alter von 18 Jahren Ja sagen zum DNA-Check. Dann könne man die diversen Erkenntnisse nachträglich mit den genetischen Daten vergleichen.

Der Basler Appell gegen Gentechnologie, dessen Petition zum Verzicht auf “sesam” 12’000 Unterschriften erhalten hatte, begrüsst den EKBB-Entscheid. Ohne die Kleinkinder-Genom-Analyse sei das Projekt “obsolet” geworden, teilte er am Montag mit und forderte erneut den gänzlichen Verzicht.

swissinfo und Agenturen

Erste Ideen für das Projekt “Swiss Etiological Study of Adjustement and Mental Health” (sesam) werden ab dem Jahr 2000 entwickelt.

Im März 2005 bewilligt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) sesam als Nationalen Forschungsschwerpunkt.

Darauf folgen Proteste wie derjenige der Organisation “Basler Appell gegen die Gentechnologie”, die verlangt, sesam die Unterstützung zu entziehen.

Verschiedene parlamentarische Vorstösse auf kantonaler (Basel) und nationaler Ebene werden eingereicht.

Kritisiert wird namentlich, dass im Rahmen des Projekts DNA-Analysen bei Kindern gemacht werden sollten. Dieser Kritik hat die Ethik-Kommission beider Basel nun Rechnung getragen.

Vorstudien laufen schon seit Sommer 2005, die Hauptstudie soll im Sommer 2007 anlaufen.

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