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Schweizer Hilfe: Licht- und Schattenseiten

Hilfe zur Selbsthilfe: Die Schweiz fördert lokale Initiativen. swissinfo.ch

Etliche Staaten und internationale Organisationen leisten in Zentralasien Aufbauarbeit. Auch die Schweiz hilft und geniesst in der Region einen guten Ruf.

Aber neben vielen erfolgreichen Projekten müssen auch manche Fehlschläge und einiges an Kritik verkraftet werden.

“Wie ist das möglich? Die Schweiz erwartet keinerlei Gegenleistung?” Viele Leute in Kirgisistan und Usbekistan stellen sich diese Frage. Selbst diejenigen, die direkt von Zuwendungen aus Schweizer Hilfsprojekten profitieren.

Doch die Schweizer Entwicklungsgelder fliessen nicht nur aus reiner Nächstenliebe: In einer globalisierten Welt hören soziale, wirtschaftliche, demographische und Umweltprobleme nicht an den Grenzen einzelner Länder auf.

Der Grossteil der Bewohner auf dem Planeten Erde ist zusehends einem gemeinsamen Schicksal unterworfen. In gewisser Weise profitieren daher alle von Hilfeleistungen, eben auch die Länder, welche die Entwicklungsprojekte finanzieren.

Dies gilt auch für die Schweiz, die von der Organisation für ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) häufig als Vorbild für Entwicklungspolitik genannt wird. Zumindest, was die Qualität der Projekte anbelangt.

“Die Schweizer Entwicklungspolitik erfreut sich zu Recht einer ausgezeichneten Reputation”, sagt Wolf Linder, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Bern. “Diese Politik ist nachhaltig, bezieht die lokale Bevölkerung mit ein und verfolgt keine hintergründigen Ziele ökonomischer oder politischer Art.”

Bekämpfung der Armut

“Der Kampf gegen Armut bildet das Fundament unserer Arbeit”, sagt Derek Müller, Leiter des Zentralasien-Programms bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).

Die DEZA ist seit den frühen 90er-Jahren in Zentralasien tätig, um den Übergang von sowjetischen Zeiten mit Planwirtschaft zu Marktwirtschaft und Demokratie zu erleichtern. Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verfolgt dieses Ziel.

“Darüber hinaus versuchen wir über das Programm Private Public Partnership (PPP) auch den Privatsektor in unsere Arbeit einzubinden”, sagt Christian Hofer, Informationsbeauftragter der Abteilung Entwicklung und Transition im seco. Sowohl Schweizer Firmen, als auch lokale Firmen in den Partnerländern können an dem Programm teilnehmen.

Grosse Vielfalt der Projekte

Im Jahr 2002 haben DEZA und seco in Zentralasien zusammen rund 50 Mio. Franken investiert. Die Höhe dieses Betrags sollte mindestens bis 2006 garantiert sein.

Die in der Region unterstützten Projekte sind vielfältig: Es geht um gute Regierungsführung, Konfliktprävention, Verbesserung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, den Aufbau des Gesundheitswesens und Schutz natürlicher Ressourcen.

Die DEZA finanziert vor allem lokal verankerte Projekte, die vom Tourismus bis zur Kultur reichen. Ziel ist es immer, ein friedliches Nebeneinander verschiedener Volksgruppen zu ermöglichen.

Das seco kümmert sich vorzugsweise um ökonomische Projekte. Beispielsweise im Bereich des Infrastrukturausbaus der Kanalisierung in den Städten Bukhara und Samarkanda, die auch von der Weltbank (WB) und der Europäischen Bank Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) unterstützt wird.

Hilfe wird, trotz Fehlern, geschätzt

Wie fällt die Bilanz des Schweizer Engagements aus? “Es ist schwierig, eine genaue Bilanz zu ziehen, aber die Situation in Kirgisistan und Usbekistan ist heute bestimmt besser als vor 10 Jahren”, ist Christian Hofer überzeugt

“In Zentralasien spielen wir eine Hauptrolle”, sagt Wilhelm Meyer, Schweizer Botschafter in Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, “wir haben seriöse Projekte, die wir sorgfältig betreuen. Deshalb wird unsere Kooperation geschätzt, auch wenn wir Fehler gemacht haben.”

Einige Projekte hat die Schweiz vorzeitig aufgegeben. Andere Projekte werden mit Sicherheit eingestellt, sobald die Schweiz ihre finanzielle Unterstützung einstellt.

Wieder andere Projekte, beispielsweise der Bau einer Käserei in Osten Kirgisistans, könnten als Flop betrachtet werden – es fehlte manchmal die Elektrizität, um die Anlage zu betreiben.

“Aber selbst misslungene Projekte können der Bevölkerung Wissen vermitteln. Im Fall der Käserei etwa in Hinblick auf die Hygiene”, meint Botschafter Meyer.

Kritik an der Entwicklungspolitik

Trotz des umfangreichen Entwicklungsprogramms gibt es auch kritische Stimmen. “Die Schweiz verdient 46 Prozent ihres Einkommens im Ausland, aber nicht einmal 0,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts fliessen in die ärmsten Länder zurück”, meint Christiane Heberlein von der Erklärung von Bern (EvB).

Catherine Schümperli, Professorin für Entwicklungsrecherche an der Universität Genf, ist hingegen der Meinung, dass der Wirkungsgrad und die Absprache der bestehenden Projekte zuerst verbessert werden müssen, bevor neues Geld in die Region gepumpt wird.

Wenn sich die Helfer gegenseitig behindern

Tatsächlich hat auch die OECD die nicht immer optimale Zusammenarbeit zwischen DEZA und seco wiederholt kritisiert. Ausserdem sollte gemäss Schümperli die Schweizer Entwicklungspolitik in Einklang mit anderen Handlungsbereichen wie der Wirtschaftspolitik stehen.

“Seinerzeit hat die Schweiz der Firma ABB, auch wenn diese die Vorwürfe immer zurückgewiesen hat, eine Exportrisikogarantie beim Bau des “Drei Schluchten”-Staudamms in China ausgestellt. Das Staudamm-Projekt respektierte weder die humanitären, noch die ökologischen Zielsetzungen der Schweizer Entwicklungspolitik. Das ist ein Widerspruch”, gibt sie zu bedenken.

Wenigstens zum Teil habe man dies in der Schweiz inzwischen anerkannt – aber noch nicht in ausreichendem Masse.

swissinfo, Marzio Pescia
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Projekte DEZA: ungefähr ein Dutzend in Kirgisistan; die Hälfte davon in Usbekistan.
Projekte seco: 8 in Kirgisistan; 5 in Usbekistan.
Verschiedenste Projekte in Tatschikistan und in den Regionen.

In Kuerze:

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ist die zentrale Schweizer Behörde für öffentliche Entwicklungspolitik.

In Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) investiert die Schweiz pro Jahr zirka 1,5 Mrd. Franken in die internationale Kooperation. Rund 50 Millionen gehen nach Zentralasien.

In dieser Region sind auch viele andere Schweizer Akteure tätig: zahlreiche NGOs, das Bundesamt für Gesundheit und das Bundesamt für Wasser.

Die Schweiz gibt zirka 0,35 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts für Entwicklungsarbeit aus. Es wird angestrebt, diese Quote bis 2010 auf 0,4 Prozent zu erhöhen.

Die Vereinten Nationen (UNO) haben verlangt, diesen Prozentsatz auf mindestens 0,7 Prozent zu fixieren. Doch bis heute erfüllen nur sehr wenige Länder (beispielsweise in Skandinavien) dieses Kriterium.

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