Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Unbefristet grünes Licht für AKW Beznau II

Zugang zum Sicherheitsgebäude des KKW Beznau II. Keystone

Das umstrittene Kernkraftwerk Beznau II erhält eine unbefristete Betriebsbewilligung. Der Bundesrat hat ein entsprechendes Gesuch gutgeheissen.

Atomkraftwerk-Gegner sprechen von einem Kniefall vor der Atomlobby.

Wie das Energiedepartement (UVEK) am Freitag mitteilte, entschied der Bundesrat gestützt auf die Beurteilung der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) und der Eidg. Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen (KSA). Sollten die Voraussetzungen für den sicheren Betrieb von Beznau II einmal nicht mehr gegeben sein, könne das KKW jederzeit ausser Betrieb genommen werden.

Das Betriebsbewilligungs-Gesuch für das KKW Beznau II in Döttingen im Kanton Aargau war von der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK) gestellt worden.

Bundesrat sieht keinen Befristungs-Bedarf

Der Bundesrat hat auf eine Befristung der Bewilligung verzichtet, weil KKW ohnehin nur solange betrieben werden dürfen, wie ihre Sicherheit gewährleistet ist. Erfüllt ein KKW die Bewilligungsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr, kann es aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen werden.

Nach dem neuen Kernenergiegesetz, das am 1. Februar in Kraft treten wird, ist die Betriebsbewilligung grundsätzlich unbefristet zu erteilen, eine Befristung jedoch aus Sicherheitsgründen zulässig. Für Beznau II liegen laut dem UVEK keine Gründe vor, die eine Befristung erforderlich machen würden.

Die KKW Beznau I, Gösgen und Leibstadt verfügen über unbefristete Betriebsbewilligungen. Demgegenüber waren die Betriebsbewilligungen für Beznau II und Mühleberg von Anfang an befristet. Die Praxis für die KKW sei somit nicht einheitlich, schreibt das UVEK. Beznau II sei mit Beznau I baugleich.

Motivation erhöhen

Schliesslich erhöhe eine unbefristete Betriebsbewilligung die Motivation des Betreibers für längerfristige Investitionen in Nachrüstungen. Und es sei einfacher, qualifiziertes Personal zu gewinnen, schreibt das UVEK.

Eine unbefristete Betriebsbewilligung lasse Raum für eine längerfristige Planung der Investitionen, was im Interesse eines hohen Sicherheitsniveaus liege.

Über den Bundesrats-Entscheid entsetzt

Die unbefristete Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Beznau II stellt für die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) einen Kniefall vor der Atomlobby dar. Die SES äussert sich in einer Mitteilung vom Freitag entsetzt über den Entscheid des Bundesrats und will sich weiterhin für einen geplanten und geordneten Ausstieg aus der “gefährlichen Atomtechnologie” einsetzen.

Nach wie vor fehle es für die Atomkraftwerke an klaren Abschalt-Kriterien, bemängelt die SES. Die bisher vorgeschlagenen Kriterien seien vollkommen ungenügend und würden das Ansteigen des Atomrisikos auf das Zehn- bis Hundertfache zulassen. Dies gehe aus einer Studie von Greenpeace hervor. Zudem würden in der Kernenergie-Verordnung keine klaren, bezifferten Sicherheitsgrenzwerte gesetzt.

Die SES glaubt auch nicht, dass die Betreiber in Nachrüstungen investieren werden. “Warum soll ein Betreiber in teure Nachrüstungen investieren, wenn er eine unbefristete Betriebsbewilligung in der Tasche hat?”, sagt der grüne Nationalrat und SES-Präsident Geri Müller.

Totgesagte leben länger

KKW hatten in den 80-er und 90-er Jahren keine Zukunft mehr. Heute spielen die Stromproduzenten wieder die KKW-Karte aus.

Einen Grund dafür sieht Dori Schaer, Leiterin der Expertenkommission des Bundes, die das neue Stromversorgungs-Gesetz ausgearbeitet hat, in den verlorenen Volksabstimmungen über die beiden Moratoriums-Initiativen 2003. “Das hat den AKW-Befürwortern Auftrieb gegeben”, sagt Schaer gegenüber swissinfo.

Ausserdem werde die Frage, wie die Stromlücke bei Ablauf der Betriebsdauer der heutigen KKW gefüllt werden soll, aus zeitlichen Gründen brennend. Es sei zudem Hoffnung vorhanden auf neue KKW-Technologien mit wesentlich verbesserter Sicherheit und besserer Aussnutzung des Brennstoffs. “Es ist aber noch völlig unklar, wann das soweit sein wird”, so Schaer.

Weitere Bewilligungen

In weiteren atomrechtlichen Bewilligungen hiess der Bundesrat das Gesuch des Paul Scherrer Instituts (PSI) um Einlagerung weiterer Gebindearten und um den Verzicht auf die Begrenzung der Abfallaktivität im oberirdischen Bundeszwischenlager für radioaktive Abfälle (BZL) gut. Er hält den sicheren Betrieb für gewährleistet.

Gutgeheissen wurde auch ein Gesuch des Kernkraftwerks Leibstadt um Entnahme und Einleitung von Kühlwasser aus dem beziehungsweise in den Rhein. Die Kühlwassermenge sei im Verhältnis zur Wasserführung des Rheins unwesentlich und gefährde Fische und die übrige Flussfauna nicht.

Schliesslich hob der Bundesrat die atomrechtliche Aufsicht für das Grundstück des Versuchs-Atomkraftwerks Lucens im Kanton Waadt auf. Nach einem Unfall im Jahre 1969 war das Werk stillgelegt worden. Gestützt auf Gutachten kam der Bundesrat zum Schluss, dass die radioaktive Strahlung des Grundstücks der natürlichen entspreche.

swissinfo und Agenturen

Die Schweiz hat vier Atomkraftwerke mit fünf Atomreaktoren.

Atomenergie-Produktion der Schweiz 2003: rund 26 Mrd. Kilowattstunden.

40% der in der Schweiz produzierten Energie ist Atomenergie.

Das KKW Beznau I im Kanton Aargau produziert seit 1969 Atomstrom, Beznau II seit 1971.

Das Atomkraftwerk Beznau wird von der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK) betrieben. Beznau produziert jährlich 5,5 Mrd. Kilowattstunden Atomstrom sowie Fernwäre.

Die anderen Schweizer Atomkraftwerke sind Mühlebereg im Kanton Bern (1971), Gösgen im Kanton Solothurn (1978) und Leibstadt (1984) im Kanton Aargau.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft