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Volksdroge Cannabis – quo vadis?

Die gezeigten Hanfpflanzen in der Ausstellung machen niemanden "high". swissinfo.ch

Ein Viertel der Schweizer Jugendlichen raucht Cannabis, was weitherum als harmlos gilt. Eine Ausstellung in Basel will Schulklassen erklären, wie es wirklich steht.

Dabei sollen fundierte Informationen vermittelt und nicht Drohfinger erhoben werden. Ein Augenschein mit einer Klasse.

“Kiffen, erhöht das die Leistung des Kurzzeitgedächtnisses?”, fragt Susan Schärrer. Sie führt an diesem Morgen eine 22-köpfige Schulklasse durch die Ausstellung “Cannabis – quo vadis”. Die 14 bis 16-jährigen Schülerinnen und Schüler eines Basler Gymnasiums drucksen herum, niemand mag sich exponieren.

Wer aus dem Fenster schaut, sieht das Riesenrad der Basler Herbstmesse gemächliche Runden drehen. Eine schwache Sonne scheint in den kargen Ausstellungs-Raum im obersten Stockwerk des “Museums der Kulturen”.

“Kiffen macht vergesslich, glaube ich”, meldet sich doch ein Schüler. Ein anderer pflichtet bei. “Ihr habt recht, es macht vergesslich”, bestätigt Schärrer.

“Wenn wir uns das Gehirn wie eine Schallplatte vorstellen, dann verstopft der Konsum von Cannabis die Rillen, und das Wissen kann sich nicht fest verankern, man vergisst sehr viel mehr.”

Trinationale Ausstellung

Schärrer ist Sozialarbeiterin beim Erziehungsdepartement von Basel-Stadt sowie Schauspielerin; seit über 15 Jahre ist sie in der Suchtberatung tätig.

“Wir wollen den Jugendlichen nicht den Drohfinger zeigen, sondern fundierte Informationen über den Cannabis-Konsum liefern”, skizziert sie die Absicht der interaktiven Ausstellung, die wie ein Postenlauf mit verschiedenen Stationen aufgebaut ist.

“Die Jugendlichen wissen nachher, wie Cannabis auf sie einwirkt. Sie können danach entscheiden, ob sie das wollen oder nicht.”

Hinter dem Projekt stehen Drogen-Fachleute aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz, die im “Trinationalen Forum Suchtprävention” zusammengeschlossen sind.

“Die Ausstellung wurde gemeinsam konzipiert”, sagt Marc Flückiger, Leiter der Abteilung Jugend, Familie und Prävention im Justiz-Departement von Basel-Stadt.

Prävention im richtigen Moment

Nach zwei Jahren Vorbereitung wird die zweisprachige Ausstellung gegenwärtig in Basel gezeigt. Danach wandert sie für je vier Monate ins Elsass und nach Südbaden. “Der Ansturm war gewaltig”, sagt Flückiger. “Es haben sich über 100 Klassen aus Basel angemeldet.”

“Es ist ein guter Zeitpunkt für die Klasse, sich mit dem Thema auseinander zu setzen”, betont Lehrer Werner Laschinger. “Es rauchen noch nicht viele Zigaretten, wie es mit dem Cannabis-Konsum aussieht, weiss ich nicht.”

Er wisse aber, dass an seiner Schule gekifft werde; gelegentlich gebe es auch bekiffte Schülerinnen und Schüler im Unterricht.

Ein Viertel der Jugendlichen kifft

Wie es bei den jungen Besucherinnen und Besuchern mit dem Kiffen aussieht, wird in einer geheimen Abstimmung erhoben: Jede und jeder füllt hinter einer Stellwand einen Zettel aus, gibt neben Alter und Geschlecht auch an, ob sie noch nie gekifft hat, schon probiert hat (weniger als fünf Mal) oder regelmässig kifft.

Von der Auswertung der Zettelchen in der Urne erhoffen sich die Experten Zahlen über den Konsum im Dreiländereck.

“Ja, ich hab’ schon gekifft”, sagt ein Schüler im Kapuzen-Pullover im Gespräch mit swissinfo. “In meiner alten Klasse haben alle gekifft, ausser einer Person.”

Dass Joints bei vielen Schweizer Jugendlichen zum Alltag gehören, weiss man auch bei der Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme in Lausanne: Ein Viertel der Jugendlichen zwischen 15 und 24 bekennen sich zum Cannabis-Konsum, wie eine Umfrage aus dem Jahr 2000 zeigt.

Gesellschaftlich breit akzeptiert

Die Schweiz galt in der Cannabis-Frage weitherum als gleich liberal wie die Niederlande. Sogar das Parlament beschäftigte sich mit der Frage, ob es den Cannabiskonsum entkriminalisieren und den Handel in geordnete Bahnen lenken solle: Im vergangenen Juni wischte der Nationalrat diesen Vorschlag vom Tisch.

Gerade aber beim Wissem um die Gesetzeslage herrsche bei den Jugendlichen Wildwuchs, beobachtet Schärrer: “Viele glauben, der Besitz für den Eigenkonsum sei legal.”

In der Ausstellung klärt sie auf: “Besitz, Handel und Anbau sind verboten. Wer erwischt wird, muss mit einer Verzeigung rechnen.” Betretene Gesichter in der Runde zeigen, dass sich nicht alle dieser Tatsache bewusst waren.

Einige Blicke bleiben an den kleinen Töpfen mit noch ziemlich kleinen Hanfpflanzen zwischen den Stellwänden hängen; säuberlich etikettiert mit der Mitteilung, dass der THC-Gehalt unter 3% liege.

“Die kommen aus dem Botanischen Garten”, sagt Schärrer trocken. “Davon kann man ein Kilo rauchen und merkt nichts.”

swissinfo, Philippe Kropf, Basel

25% der Jugendlichen in der Schweiz rauchen Cannabis.

11,5% der 15- bis 19-Jährigen rauchen mindestens 1 Mal pro Woche.

In den Schulen können bekiffte Schülerinnen und Schüler zum Problem werden.

Schulklassen werden von einer Fachperson durch die Ausstellung geführt, es werden ihnen die neuesten Erkenntnisse zum Konsum von Cannabis vermittelt.

Auch die Beziehung zu den Eltern wird angesprochen – und wie Kifferinnen und Kiffer mit diesen darüber sprechen könnten.

Am Ende der Ausstellung gibt es Flyers mit Adressen von Beratungs-Stellen.

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