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Wenig Westschweizer Touristen in der Deutschschweiz

Lieber ins Ausland statt ins Appenzell, sagen sich viele Westschweizer. ST/swiss-image

Touristen aus der französischen Schweiz sieht man in der Deutschschweiz wegen der Sprachbarriere und schwacher Werbung eher selten.

Doch der neue TGV Est, der ab 2007 Basel über Strassburg mit Frankreich verbindet, dürfte die französischen Touristen näher an die Deutschschweiz bringen.

Offizielle statistische Erhebungen oder Studien über die Anzahl Romands, die in der Deutschschweiz ihre Ferien verbringen, gibt es keine. Das Bundesamt für Statistik (BfS) schlüsselt die Reisen innerhalb der Schweiz nicht auf.

Die Schweiz wird als Ganzes betrachtet. Zurzeit fehlten die Mittel für eine Verfeinerung, sagt ein BfS-Sprecher.

Champion im Inlandtourismus

Über 40% der Touristen in der Schweiz sind selber Schweizer. Aber laut Christian Laesser, Tourismus-Spezialist an der Universität St. Gallen, überqueren sehr wenige Welschschweizer ferienhalber die Saane.

“Sie bleiben in der eigenen Sprachregion, reisen nach Frankreich oder in andere Länder.” Die Romands hätten lieber ausländische als Appenzeller Exotik.

Umgekehrt reisen die Deutschschweizer ihrerseits zwar etwas häufiger in den französischen Landesteil. Aber auch sie machen lieber Ferien in ihren Regionen oder aber in Deutschland, Österreich und Italien, in Frankreich oder in Spanien. Dieses Verhalten ist laut Laesser seit Jahren unverändert.

Fragen zum nationalen Zusammenhalt

Peter Keller, Tourismus-Direktor beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), bedauert das Fehlen von Zahlen zu Besuchen von Romands in der übrigen Schweiz.

Vor allem, weil es ja nicht nur den wirtschaftlichen Aspekt gibt: Eine andere Sprachregion zu bereisen, würde auch den nationalen Zusammenhalt fördern.

In Deutschschweizer Tourismus-Kreisen tut man allerdings nicht viel, um Besucher aus der französischen Schweiz anzuziehen.

Bezeichnend, dass etwa die Internet-Seiten der Städte Zürich und Luzern Informationen auf Deutsch und Englisch enthalten, nicht aber auf Französisch.

Ausländer geben mehr Geld aus als Romands



Genf und Lausanne dagegen bieten auch deutschsprachige Informationen an.

Véronique Kanel von Schweiz Tourismus erklärt dies mit den Prioritäten: “Mit Frankophobie hat das nichts zu tun.”

Vielmehr mit dem Umstand, dass sich Deutschschweizer Regionen auf Besucher aus deutschsprachigen Ländern, aus dem angelsächsischen und dem asiatischen Raum konzentrierten. Diese Touristen würden mehr Geld ausgeben als Einheimische.

Auch in Basel, nahe der französischsprachigen Schweiz und Frankreich, ist man auf Deutschland und Grossbritannien ausgerichtet, wie man beim lokalen Tourismusbüro einräumt.

Umdenken: Paris-Chur bald in sechs Stunden

Die Situation könnte sich 2007 ändern. Mit dem TGV Est können dann Reisende aus Paris in sechs Stunden in Graubünden sein.

Spätestens dann werden die Deutschschweizer die Bedeutung des französischsprachigen Marktes realisieren. Dieser umfasse nicht nur Frankreich, sondern eben auch die Romandie und Belgien, hofft Véronique Kanel.

Im Tourismusbüro Zürich hat das Umdenken schon angefangen. “Der französischsprachige Markt hat sich entwickelt und beginnt, für uns interessant zu werden”, sagt Susanne Staiger.

Sprachbarriere bleibt für Romands bestehen

Man werde ab kommendem Jahr mehr Mittel dafür einsetzen. Und man erwäge sogar eine Übersetzung der Internet-Seite auf Französisch.

Dennoch bleibt Tourismus-Experte Christian Laesser skeptisch: Auch teure Marketing-Anstrengungen würden nicht viele Romands anziehen, befürchtet er. Sie sind durch die Sprache gehemmt. Zur Zeit lebten Deutsch- und Welschschweizer mehr neben- statt miteinander.

Peter Keller vom Seco schlägt vor, systematisch den Austausch von Schulklassen über die Sprachgrenze hinweg zu fördern. Damit könnte man gegenseitig die “Inlandtouristen von morgen” heranziehen.

swissinfo und Agenturen

Die Schweiz gehört zu den ältesten Feriendestinationen der Welt.

Bis in die 80er-Jahre zählte sie weltweit zu den 20 wichtigsten Urlaubsländern. Doch seither hat sie Marktanteile eingebüsst.

Mehr als die Hälfte aller Tourismuseinnahmen stammen aus dem Ausland (Tourismus als Exportsektor).

Stand früher der alpine Wintertourismus hoch in Kurs, sind es heute eher die Sommertouristen und Städtereisenden, die für Volumen sorgen.

Die Hotelbranche erreicht wohl bald ihren Sättigungspunkt. Wachstum gibt es noch im Bereich der Ausbildung.

Von den 23 Mrd. Franken Gesamteinnahmen im Tourismus entfielen 2005 13 Mrd. auf Einnahmen in Fremdwährungen.

Allein auf die Gäste aus Deutschland entfielen rund 6 Mio. Logiernächte, was einem Drittel des Totals gleichkommt.

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SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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