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Wohin steuert Zimbabwe?

Einst das gefeierte afrikanische Musterland, ein aufstrebender Sozialstaat – heute eine wirtschaftliche Ruine: Zimbabwe im südlichen Afrika durchlebt schwierige Zeiten.

1980 erlangte Zimbabwe als letzte der europäischen Kolonien in Afrika die Unabhängigkeit. Fast 10 Jahre hatte der Befreiungskrieg gedauert, dem über 100’000 Menschen zum Opfer fielen.

Robert Mugabe wurde der erste Premierminister der neuen Nation. Sein Wahlversprechen, die gerechte und friedliche Umverteilung des Landes, sowie Bildung, Wohlstand und Frieden für alle, brachte ihm viele Vorschusslorbeeren von allen Seiten ein.

Das Bild verlor jedoch bald von seinem Glanz: Mehrere, von Robert Mugabe zumindest geduldete Massaker an der Volksgruppe der Ndebele, brachten das Land in den 80-er Jahren an den Rand eines weiteren Bürgerkriegs.

Die umstrittene Landreform

Derweil rief die ungleiche Landverteilung nach Veränderung: Die knapp 3% Weissen der Bevölkerung besassen rund drei Viertel des fruchtbaren Bodens. Auf einer Durchschnittsfarm von damals hätten mit der Ansiedlung schwarzer Landarbeiter rund 400 Familien Heim und Auskommen finden sollen.

Um es möglichst allen recht zu tun, wurden die anstehenden Landreformen nach dem Prinzip “willige Verkäufer – willige Käufer” organisiert. Sie stockten von Beginn weg, wollten doch die meisten weissen Farmer ihr Land nicht verkaufen.

Es entstand eine rechtliche und politische Pattsituation, die schliesslich zu den gewaltsamen Besetzungen und Enteignungen führte, mit denen das Land während der letzten zwei, drei Jahren Schlagzeilen machte. Im Rückblick wird die Zeit zwischen 1980 und der Jahrtausendwende von vielen schwarzen und weissen Zimbabwern als “Zeit der vertanen Chancen” gewertet.

Tiefgreifende Krise



Heute steckt Zimbabwe in einer umfassenden politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Krise. Im Jahr 2002 betrug die offizielle Inflation 175,5%. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für das Jahr 2003 in Zimbabwe mit einer Inflation von gegen 600%, bezieht man sich auf Schwarzmarktpreise, liegt sie in Wahrheit noch sehr viel höher.

Im November 2002 wurden die Preise für Grundnahrungsmittel, öffentlicher Verkehr und Treibstoff vom Staat eingefroren, was der gebeutelten Bevölkerung jedoch wenig half. In Kürze herrschte auf dem öffentlichen Markt eine noch grössere Knappheit als zuvor, denn niemand konnte oder wollte zu solchen Preisen liefern und produzieren.

Entsprechend blüht heute der Schwarzhandel. ” Alles konzentriert sich auf die Hinterhofgeschäfte”, berichtet ein Augenzeuge. Allerdings wird da mit Preisen gehandelt, die sich das gewöhnliche Volk nicht leisten kann.

Gleichzeitig schliessen wöchentlich Firmen, verlieren unzählige von Arbeitnehmern ihr Auskommen. Die offizielle Arbeitslosigkeit beträgt über 85 Prozent. Und die Ansteckungsrate für Aids und HIV ist eine der höchsten weltweit.

Kein Ende in Sicht



Ein ganz kleiner Teil der zimbabwischen Bevölkerung profitierte bis heute von diesen Entwicklungen, während noch immer Tausende auf Land und bessere Zeiten warten, sich an die Versprechungen der Politiker klammern und hoffen, dass zumindest genügend Regen fällt.

Die Frage, wohin Zimbabwe steuert, mag gegenwärtig niemand so recht zu beantworten. “Dasselbe wollte ich Sie fragen”, sagt der zeitungslesende Junge bei der Tankstelle. Er blickt von seiner abgegriffenen Lektüre auf.

“Sie kommen von draussen, Sie wissen mehr als wir…”. Seit Wochen gab es hier keinen Treibstoff mehr zu kaufen. “Vielleicht kommt morgen eine Ladung an”, meint er noch. “Versuchen Sie es morgen wieder.”

“Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras”, sagt ein afrikanisches Sprichwort.

swissinfo, Katharina Morello in Zimbabwe

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