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Wo Antennnen gebaut werden dürfen

Alle wollen überall telefonieren - hier eine Mobilfunkantenne in den Bergen. RDB

Der Bund hat einen Leitfaden Mobilfunk für Gemeinden und Städte erarbeitet. "Es ist ein Hilfsmittel für die Kantone und Gemeinden", sagt George Ganz dazu, der Delegierte der Schweizerischen Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK).

Obwohl in letzter Zeit in der Öffentlichkeit nicht mehr so laut wie auch schon wegen der Standorte von Antennen gestritten wird, schwelen die Konflikte weiter. Kürzlich mussten beispielsweise in zwei Zürcher Gemeinden Mobilfunkantennen stillgelegt werden, weil die Mietverträge für die Antennenstandorte nicht mehr weitergeführt werden. Mit Einsprachen zu geplanten Standorten müssen die Mobilfunkbetreiber nach wie vor rechnen.

In der Schweiz seien die Grenzwerte viel tiefer als in der EU, hält Ganz fest. “Die Schweiz hat rund 10 Mal tiefere Grenzwerte als die EU. Liechtenstein hat darüber abgestimmt, ob die Grenzwerte auf das Niveau der Schweiz gesenkt werden sollen.” Die Liechtensteiner Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entschieden dagegen.

Gemeinden haben keinen Spielraum

Die Situation sei vorher unbefriedigend gewesen, sagte George Ganz anlässlich der Vorstellung des Leitfadens. “Die kommunalen Behörden, meist handelt es sich um den Gemeinderat oder um den Bauvorstand, sind im Zusammenhang mit der Bewilligung solcher Anlagen oft überfordert. Der politische Druck der Gegnerschaft ist oft massiv.”

Doch den Gemeinden bleibt gar kein politischer Spielraum. Baubewilligungsverfahren sind in der Schweiz keine politische Angelegenheit. “Grundsätzlich müssen Antennen, wenn sie die Bestimmungen des Bau- und Polizeirechts sowie die zusätzlichen Bundesbestimmungen wie die Schutzbestimmung gegen nichtionisierende Strahlung einhalten, bewilligt werden”, hält Ganz fest,

“Die Gemeinden haben diesbezüglich keinen Spielraum.” Auch ein Haus müsse, sofern es in einer Bauzone gebaut wird, bewilligt werden, wenn die Bestimmungen eingehalten werden.

Der Leitfaden ist zu dieser Frage deutlich: “Den Kantonen und Gemeinden verbleibt in diesem Gebiet kein Regelungsraum. Eine Änderung der Schutzvorschriften ist öffentlich-rechtlich nicht zulässig.” Auch Bewilligungsmoratorien und Bewilligungsstopps für Mobilfunkanlagen sind nicht erlaubt.

Anders als beispielsweise bei den Gesetzen zum Rauchverbot ist es den Kantonen in Sachen Mobilfunkantennen nicht erlaubt, strengere Vorschriften als die des Bundes zu erlassen. “Es handelt sich um eine abschliessende bundesrechtliche Regelung, die in der ganzen Schweiz gilt”, erklärt Ganz.

Liberalisierung hat nicht damit zu tun

Im heute gültigen Fernmeldegesetz, das 1998 in Kraft trat, ist vorgesehen, dass der Bund für eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung in allen Landesteilen sorgt. Mit diesem Gesetz wurde der Telekommunikationsbereich liberalisiert. Damit soll der Bevölkerung und der Wirtschaft preiswerte und qualitativ hochstehende Fernmelddienste angeboten werden.

Die Probleme, Mobilfunkstandorte zu finden, hängen jedoch nicht mit der Liberalisierung der Telekommunikation zusammen, glaubt George Ganz. “Auch ein Monopolist müsste diese Leistungen erbringen und dafür Antennen aufstellen.”

Dass es in der Schweiz so viele Antennen braucht, hat laut Ganz zwei Gründe: “In der Schweiz sind als Mobilfunkräume kleine Zellen gewählt worden. Der Grund liegt darin, dass damit die Strahlungen von der einzelnen Antenne viel geringer sind, als wenn nur wenige Antennen mit massiver Strahlenintensität gebaut würden.”

Dazu komme, dass immer mehr Anforderungen an den Mobilfunk gestellt würden: Die blitzschnelle mobile Übertragung von grossen Datenmengen in bester Qualität werde als selbstverständlich erachtet. “Alle wollen überall und immer telefonieren. Die Anbieter müssen der Nachfrage gerecht werden.”

Möglichkeiten der Gemeinden

Spielraum, die Standorte von Mobilfunkantennen zu beeinflussen, haben die Gemeinden aber via die so genannte Standortplanung. Die Instrumente dafür seien, so der Leitfaden “die Negativplanung, die Positivplanung und eine Regelung bezüglich Standortevaluation”.

Unter Negativplanung versteht man, dass eine Gemeinde bestimmte Gebiete von vornherein für bestimmte Nutzungen ausschliesst. Positivplanung bedeutet, dass bestimmte Gebiete für bestimmte Nutzungen grundsätzlich zugelassen werden. Damit könnten gleichzeitig “legitime ortsplanierische” Interessen verfolgt werden, wie der Leitfaden betont.

Eine weitere Möglichkeit, die Standorte von Mobilfunkantennen zum Vorneherein zu steuern, ist die der Prioritätenordnung. “Eine Anlage in einem Gebiet 2. Priorität wäre demnach immer nur dann zulässig, wenn sie nicht in einem Gebiet 1. Priorität errichtet werden kann.”

Diese Massnahmen sind nur zulässig, wenn sie raumplanerisch zweckmässig sind, das Umweltschutz- und Fernmelderecht des Bundes nicht unterlaufen und sich als verhältnismässig erweisen. Die kommunalen Vorschriften dürfen die in der Fernmeldegesetzgebung des Bundes konkretisierten öffentlichen Interesse nicht verletzen, hält der Leitfaden fest.

Sind Kooperationsverträge die Lösung?

Die Idee, mit den Mobilfunkbetreibern Vereinbarungen abzuschliessen, wie es der Leitfaden vorschlägt, haben bereits einige Kantone verwirklicht. Freiwillige Vereinbarungen haben den Vorteil, dass den Kantonen und Gemeinden weitergehende Rechte zukommen können, als gesetzlich durchsetzbar wäre, meint der Leitfaden.

Die Kantone Luzern und Aargau beispielsweise haben mit den Anbietern vereinbart, dass diese die Gemeinden mit regelmässiger und transparenter Information über den zukünftigen Netzbau versorgen, die Gemeinden frühzeitig über konkrete Projekte informieren und den Gemeinden Mitsprache im Rahmen der Standortevaluation einräumen müssen.

Der Delegierte der Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz findet diese Vereinbarungen eine gute Sache: “Solche Vereinbarungen sind sehr moderne Zusammenarbeitsformen von Gesetzgeber, Behörde und Privaten und ein Zeichen der Transparenz. So können stringente gesetzliche Verpflichtungen verhindert werden. Das ist im Interesse aller.”

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Mobilfunkanlagen dürfen ausserhalb von Bauzonen nur erstellt werden, wenn eine Ausnahmebewilligung nach Art.24 des Raumplanungsgesetzes erteilt wird. Voraussetzung für eine solche ist einerseits, dass die Anlage auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist und dass andererseits dem gewählten Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.

Das Bundesgericht hat strenge raumplanerische Anforderungen formuliert und lässt eine Mobilfunkanlage ausserhalb der Bauzone nur zu, wenn sie insbesondere aus funktechnischen Gründen unbedingt erforderlich ist oder wenn am vorgesehenen Standort bereits eine Anlage besteht.

87% aller Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz ab 16 Jahren besassen im Jahr 2009 ein Mobiltelefon, “Handy” oder “Natel” genannt.

Die wissenschaftliche Forschung hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Frage der gesundheitlichen Auswirkungen hochfrequenter Strahlung befasst. Derzeit ist die thermische Wirkung dieser Strahlung als Ursache eine Gesundheitsgefährdung unbestritten.

Die thermischen, also wärmebedingten Effekte seien gut untersucht und bildeten die Grundlage für die derzeit international gültigen Immissionsgrenzwerte, steht im Leitfaden Mobilfunk für Gemeinden und Städte. Diese Grenzwerte würden in der zugänglichen Umwelt durchwegs eingehalten, so dass thermische Wirkungen ausgeschlossen werden können.

Die Frage nach Auswirkungen auf Zellen, Tiere oder Menschen, die bei so niedriger Strahlungsintensität auftreten, dass sie nicht auf einen Wärmeeinfluss zurückgeführt werden können, müsse jedoch aus wissenschaftlicher Sicht offen bleiben.

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