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Zypern: Schweiz arbeitet an Vereinigung mit

Ein Bundesstaat nach Schweizer Vorbild soll die Teilung Zyperns beenden. Keystone

Die Schweiz schickt ein Expertenteam auf die geteilte Mittelmeerinsel, welches die Gespräche um die Wiedervereinigung unterstützen soll.

Auf der Insel soll es gemäss UNO-Plan einen Bundesstaat geben, nach Schweizer Vorbild und mit Schweizer Hilfe.

Die Führer der griechischen und der türkischen Volksgruppe auf Zypern, Tassos Papadopoulos und Rauf Denktasch, beraten seit vergangenem Donnerstag über eine Wiedervereinigung der geteilten Mittelmeerinsel. Die Gespräche stehen unter UNO-Vermittlung.

Im Zentrum der Gespräche steht ein UNO-Plan Kofi Annans aus dem Jahr 2002, der eine Föderation nach dem Vorbild der Schweiz vorsieht. Zypern soll demnach ein eigenständiger und föderaler Staat werden, der aus zwei gleichberechtigten Teilstaaten für die türkische und griechische Volksgruppe besteht.

Juristische Beratungen

Die Schweiz schickt nun drei Fachleute auf die Insel, welche die Juristenteams der beiden Inselteile dabei beraten, die über 30 griechisch- und türkischzyprischen Gesetze einander anzugleichen. Das teilte das Departement für auswärtige Angelegenheiten am Dienstag in Bern mit.

Die Gesetze betreffen die Bereiche Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht sowie öffentliches Recht. Die Schweizer Experten übernehmen auch Mediations-Aufgaben, hiess es.

Schweizer Modell nicht tel quel übertragbar

Thomas Fleiner, Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht am Institut für Föderalismus der Universität Freiburg i. Ue., war an der Ausarbeitung des UNO-Plans für Zypern mitbeteiligt. Für ihn ist aber bei der Anlehnung an das Schweizer Föderalismus-Modell Vorsicht geboten.

“Ich glaube nicht, dass man das Modell des Schweizer Föderalismus auf ein anderes Land übertragen kann. Wichtiger ist vielmehr die Philosophie, welche hinter dem Schweizer Modell steht”, so Fleiner gegenüber swissinfo.

Eine Schwierigkeit besteht für ihn darin, für einen föderalen Bundesstaat und eine gemeinsame Verfassung die grösstmögliche Legitimität der beiden Bevölkerungsgruppen zu erhalten.

Wichtig ist laut Fleiner, dass man einen Konsens findet: “So wird eine Demokratie geschaffen, die einen grossen Teil der Bevölkerung integriert.”

Zweiter Versuch hoffentlich erfolgreich

Es komme nicht so sehr darauf an, ob ein Modell gut sei oder nicht, sondern ob die Menschen es in guten Treuen umsetzen wollten, sagte Victor-Yves Gherbali vom Genfer Institut über Internationale Studien.

Bereits die zyprische Unabhängigkeits-Verfassung der 60er Jahre habe mehr oder weniger auf der Schweizer Verfassung basiert, und das hat damals überhaupt nicht funktioniert, so Gherbali. Was jetzt die UNO vorschlage, sei ein bi-föderaler Staat, der aus zwei Einheiten bestehe. Und das könne zu Problemen führen.

Bestens mit der Materie vertraut

Leiter des Expertenteams, welches das Schweizer Aussenministerium diese Woche nach Nikosia schickt, ist der Diplomat Didier Pfirter. Er befasste sich bereits von 2000 bis Anfang 2003 mit der Beilegung des 30-jährigen Konflikts.

Pfirter war auch in den vergangenen Wochen aktiv, indem er dem UNO-Verhandlungsleiter Alvaro de Soto beratend zur Seite stand. Der Diplomat wird bei seiner Mission von zwei Fachleuten des Schweizerischen Expertenpools für zivile Friedensförderung unterstützt.

Keine Bedingung, aber…

Für den Beitritt Zyperns zur EU, der auf den 1. Mai geplant ist, ist die Wiedervereinigung zwar ausdrücklich keine Bedingung. Kommt aber keine solche zustande, wird nur der griechische Teil aufgenommen.

Der türkische Teil dagegen muss draussen bleiben. Dies weil sich die Führung der Inseltürken bisher einer Wiedervereinigung widersetzt hatten.

swissinfo und Agenturen

Zypern ist viermal kleiner als die Schweiz (9250 Quadratkilometer).
Der türkische Norden belegt ein Drittel der Insel und zählt rund 200’000 Einwohner.
Im griechischen Teil leben 715’000 Einwohner.
Die Hauptstadt Nikosia zählt 200’000 Einwohner. Sie ist durch eine Mauer getrennt.
Seit vergangenem April ist die Grenze zwischen den beiden Teilen für Besucher geöffnet.

Zypern ist seit 30 Jahren geteilt. Bis 1959 war die Insel britische Kolonie. In der Unabhängigkeits-Verfassung von 1959 erhielten Griechenland und die Türkei den Status von Garantiemächten.

Die Machtteilung funktionierte aber nie. 1963 kam es zum Bürgerkrieg und “ethnischen Säuberungen”.

Im Juli 1974 besetzte die türkische Armee den Nordteil der Insel und rief die “Türkische Republik Nordzypern” aus. Sie wurde jedoch nur von der Türkei selbst anerkannt.

Weil der türkische Teil der Insel verarmt ist, wanderten viele Türken in den griechischen Teil ab.

1998 leiteten die griechisch-zypriotischen Behörden den Beitritt zur EU ein.

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