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Schweiz soll Steuern auf Benzin und Heizöl erhöhen

Der Schweizer Gasmarkt ist zu wenig geöffnet, sagt die IEA. Keystone

Um den CO2-Ausstoss zu drosseln, rät die Internationale Energie-Agentur (IEA) der Schweiz zur Anhebung der Steuern auf Benzin und Heizöl.

Den Klimarappen hält das internationale Gremium für ungenügend. Bundesrat Moritz Leuenberger sieht sich durch die Agentur bestätigt.

Die IEA hat die Schweizer Energiepolitik nach 2003 einer zweiten “Tiefenprüfung” unterzogen. Im Schlussbericht zur Expertise, den Exekutivdirektor Nobuo Tanaka am Montag in Bern vorstellte, setzte es gute Noten ab, aber auch Kritik.

Wie in den meisten Industriestaaten sei der Verkehr die grösste Herausforderung für die Energie- und Klimapolitik der Schweiz, sagte Tanaka. Der Klimawandel sei Menschenwerk. Die nächsten zehn Jahre seien entscheidend. Die Schweiz müsse sich für die Zeit nach Kyoto 2012 ehrgeizigere Ziele setzen, forderte der Japaner.

Ungenügender Anreiz

Die Besteuerung von Benzin und Diesel sei nicht nachhaltig, heisst es in dem IEA-Bericht. Das freiwillige System des Klimarappens schaffe keinen ausreichenden Anreiz für eine Trendwende. Längerfristig sei die Fortführung der heutigen Besteuerung keine Option.

Zudem werden die externen Kosten des privaten Autoverkehrs laut IEA zu wenig internalisiert. Die Schweiz sollte Benzin und Diesel verteuern, die Motorfahrzeugsteuern anheben, CO2-Ausstosslimiten pro Kilometer festlegen, die Strassen- und Parking-Gebühren erhöhen und die Zahl der Parkplätze begrenzen.

Option Kernenergie

Die IEA begrüsst die geplante Öffnung des Strommarktes. Sie lobt die sichere Versorgung mit Erdöl und Erdgas und die wachsende Bedeutung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien. Die Agentur ermuntert den Bundesrat, die Liberalisierung des Gasmarktes in die Wege zu leiten.

Der Schweiz droht laut IEA eine Stromlücke, weil die Nachfrage schneller als die Produktion wächst und es nur wenige Pläne für neue Grossanlagen gibt. Mit erneuerbaren Energien und Energieeffizienz könne die Lücke nicht gefüllt werden. Die Schweiz stehe vor der Option, Kernkraftwerke oder Gaskraftwerke zu bauen.

Der Bundesrat sollte nach Meinung der IEA dafür sorgen, dass die Bewilligungsverfahren für neue Kernkraftwerke vereinfacht werden. Er sollte seinen Spielraum so ausschöpfen, dass eine Referendumsabstimmung über ein neues Kernkraftwerk so früh wie möglich abgehalten wird.

Einsame Fahrer in durstigsten Autos

Energie- und Umweltminister Leuenberger begrüsste die Kritik der IEA. Heiz- und Treibstoffe würden in der Schweiz in der Tat einzigartig niedrig besteuert. In Anspielung auf den Einpersonen-Privatverkehr sagte Leuenberger, in der Schweiz zirkulierten die “einsamsten Fahrer in den durstigsten Autos”.

Weniger offen zeigten sich die im Energiebereich engagierten Organisationen: Marco Berg, Geschäftsführer der Stiftung Klimarappen, geht davon aus, dass sich die IEA bei ihrer Kritik am Klimarappen auf die Zeit nach 2012 bezieht. Es gehe hier offenbar um die längerfristige Klimapolitik, was eine politische Frage sei.

Wenig überraschend wollen die Umweltorganisationen trotz des Votums der IEA nichts von Atomenergie wissen. Der WWF begrüsst aber den Schluss des Berichts, wonach der Preis für Benzin und Diesel in der Schweiz zu niedrig sei und die CO2-Abgabe ausgeweitet werden müsste.

swissinfo und Agenturen

1. Der Klimarappen ist eine freiwillige Abgabe der Wirtschaft auf Brennstoffe. Der Bund nimmt keinen Einfluss, weder auf Höhe noch Verwendung der Einkünfte. Die Verantwortung liegt bei der Stiftung Klimarappen, die von Wirtschaftsverbänden gegründet wurde.

2. Auf 2008 tritt die obligatorische Steuer auf fossilen Brennstoffen in Kraft. Die Einnahmen werden der Bevölkerung rückvergütet, via Löhne und Krankenkassen.

3. Der Handel mit Emissionszertifikaten. Länder und Unternehmen, die ihren Ausstoss an klimaschädigendem CO2 verringert haben, können auf dem Markt Zertifikate anbieten. Wer die Reduktionsziele noch nicht erreicht hat, kann diese “Rechte auf Verschmutzung” gegen Geld kaufen.

Sie gehört zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Agentur wurde 1974 von den 16 OECD-Mitgliedstaaten gegründet, die Erdöl importierten, darunter der Schweiz. Heute zählt die IEA 26 Mitgliedstaaten.

Ziel der Agentur ist es, Angebot und Nachfrage von Energie weltweit besser in Einklang zu bringen, um Krisenfällen wie den Erdölschock von 1973 vorzubeugen.

Weitere Ziele sind die effizientere Nutzung von Energie, Förderung der Technologie zur Nutzung erneuerbarer Energie sowie die Verringerung der Energieabhängigkeit.

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