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Die Vereinigung von Globalisierungsgegnern droht zu platzen

Streit nicht nur mit der Polizei - sondern auch unter den Globalisierungsgegnern. Keystone

Seit mehreren Jahren ziehen die Globalisierungsgegner eine bunt zusammengewürfelte Schar an.

Lange Zeit waren sie solidarisch. Doch jetzt zeigen sich erste Risse zwischen ihnen und denen, die mit dem Forum von Davos in den Dialog treten wollen.

“Der einzige Riss ist jener mit den Organisationen, welche den Dialog mit Organisationen wie dem Weltwirtschaftsforum (WEF) suchen”, erklärt Alessandro Pelizzari, Sekretär von ATTAC Schweiz.

“Unserer Erfahrung nach”, so der militante Alternative weiter, “will das WEF den Dialog nicht wirklich.”

Das WEF streckt die Hand aus

Das WEF hat mit einem Dutzend Schweizer NGOs ein “Open forum Davos” organisiert und ins Programm des offiziellen Forums aufgenommen, auch wenn es ausserhalb stattfinden wird.

Das Schweizerische Rote Kreuz, Brot für alle, Terre des hommes und die Stiftung Max Havelaar machen mit.

Die NGOs haben aber bereits mehrmals gesagt, ihre Teilnahme am Open forum bedeute nicht, dass sie die vom WEF gepredigte Politik akzeptieren.

Die Stiftung Max Havelaar (die für fairen Handel zwischen den Produzenten des Südens und den Konsumenten des Nordens einsteht) bestätigt, dass der Erfolg des Anlasses zum Teil vom Dialog mit den Multis und den grossen Verteilketten abhängt.

Laut WEF nehmen 71 NGOs am Forum von Davos teil.

Und vergessen wir nicht, dass Klaus Schwab selber eine Globalisierung mit menschlichem Gesicht anstrebt. Seit mehreren Jahren fordert der Gründer des WEF dann auch die Wirtschaft auf, die Ärmsten zu integrieren, da sonst grosse Gefahren drohen.

Die Ablehnung von Phil Knight



Nur glauben die Globalisierungsgegner leider kein Wort. So finden die Organisatoren von “Public eye on Davos”, dass die schönen Reden einiger Wirtschaftsgrössen nichts mit der Realität im Feld zu tun haben.

Die Erklärung von Bern, der Hauptorganisator von “Public eye on Davos” wollte im Übrigen den Chef von Nike (den berühmten amerikanischen Sportkleiderhersteller) mit einer Einladung herausfordern.

Aber Phil Knight ist nicht bereicht, sich mit einem Gewerkschafter und einer Arbeiterin aus Südostasien auseinander zu setzen. In dieser Region befinden sich viele Zulieferern der amerikanischen Firma.

“Knight hat seine Ablehnung mit seiner Unabkömmlichkeit begründet”, erklärt Mattias Held, Koordinator von “Public eye on Davos”.

“Da er aber zu den Gästen des WEF gehört”, so Held weiter, “untergräbt diese Ablehnung die Glaubwürdigkeit des sozialen Engagements der amerikanischen Firma.”

Widerstand

Am Donnerstag kam das Oltner Bündnis in Zürich zusammen. Es geht noch weiter, es predigt Widerstand auf alle Seiten: Gegen die Privatisierungen, gegen die Multis, gegen das Bankgeheimnis und gegen den Irakkrieg.

Angeführt von ATTAC Schweiz und unterstützt von rund fünfzig Organisationen wollte man am Zürcher Kongress sogar aufzeigen, dass der Krieg gegen den Terrorismus und jener gegen den Irak kein anderes Ziel haben, als die Privatisierung der Welt zu schützen.

Aus dieser Überzeugung dürfte ein grosser Teil der Slogans der für Samstag in Davos geplanten Demo stammen und die den Flugblättern zu entnehmen sind.

Die Kriegsvorbereitungen der Regierung Bush zementieren natürlich das grosse Konglomerat von Globalisierungsgegnern auf unerwartete Weise.

Aber früher oder später dürften neue Risse sichtbar werden. Dieser Ansicht jedenfalls ist Alberto Velasco, ein militanter Genfer in der ATTAC.

Die Rückkehr der extremen Linken

“Die Widersprüche zwischen Reformisten und Antikapitalisten werden sich verschärfen”, glaubt Velasco.

Diese Gräben zeigten sich übrigens schon anlässlich des Europäischen Sozialforums im November in Florenz.

“Unsere Bewegung ist nicht reformistisch, sie ist radikal”, hatte Vittorio Agnoletto, einer der Organisatoren, damals in einer Auseinandersetzung zwischen der trotzkistischen oder kommunistischen und der sozialistischen Linken ausgerufen.

Viele NGOs, die nun am Weltsozialforum von Porto Alegre teilnehmen, fühlen sich von dieser Debatte an den Rand gedrängt.

Wird die Schweiz mit ihrer alten Kompromisskultur verschont? “Wir haben im Oltner Bündnis eine Kultur des Gesprächs zwischen den reformistischen NGOs und den radikaleren Bewegungen aufgebaut”, versichert Alessandro Pelizzari.

Geografischer Sieg

Wie auch immer, einen geografischen Sieg haben die Gegner einer totalen Liberalisierung der Märkte bereits errungen. Durch die vielen Gegengipfel und die Demonstrationen gegen das WEF schmälern sie die Bedeutung des Davoser Forums.

swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übersetzung Charlotte Egger)

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