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Rettungshunde gegen Katastrophen

Slowakische Rettungspolizei mit Schnauzer Hugo. swissinfo.ch

Naturkatastrophen und Rettungseinsätze nahmen in der Slowakei im letzten Jahrzehnt stark zu. Doch es fehlt an Erfahrung und Material. Mit Mitteln aus dem Schweizerischen Erweiterungsbeitrag wird die Ausbildung von Hunden und ihren Begleitern finanziert.

“Lauf, Hugo, lauf!”, befiehlt die Polizistin Monika Vikova liebevoll, aber bestimmt, und gibt ihm einen Klaps auf den Hintern. Sie nimmt die Leine ab, und Hugo, der neunjährige Schnauzer, bellt laut auf und braust los. In den Wald hinein, wo er den Besucher des Zentrums für Rettungshunde suchen soll. Dieser hat sich – zu Testzwecken – 100 Meter weiter stehend hinter einem der vielen Bäume versteckt.

Doch echt auf dem feuchten Waldboden liegen sollte er, wie ein richtiger Verletzter, nicht einfach stehen wie ein Figurant, der sich seine Kleider nicht verschmutzen will. Deshalb knurrt Hugo ihn an, nachdem er ihn aufgespürt hat: Solchen “Testübungen mit Journalisten” traut er nicht. Hugo ist auf das Auffinden von Verletzten abgerichtet. Er muss ganz sicher sein, einen wirklich Verwundeten, Verschütteten oder Erschöpften gefunden zu haben.

Das slowakische Zentrum für Rettungshunde befindet sich am Fuss eines bewaldeten Hügels bei einer Autobahnausfahrt in der Peripherie Bratislavas. Gesicherte hohe Tore, ein altes Verwaltungsgebäude, in die Jahre gekommene feuchte Hundezwinger: Darin, ganz aufgeregt, bellen Dutzende Hunde, meist schwarze oder gelb-beige Deutsche Schäfer, auf den unbekannten Besucher ein.

Weshalb arbeitet die Polizei derart gerne mit Deutschen Schäferhunden? “Diese Hunderasse ist die einzige, die von verschiedenen Menschen Befehle akzeptiert, was den Einsatz innerhalb eines Teams erleichtert”, sagt Milos Humensky, Direktor der Rettungsabteilung der slowakischen Polizei, gegenüber swissinfo.ch. Die Hunde anderer Rassen seien viel stärker auf eine einzige Bezugsperson fixiert.

Starke Zunahme der Rettungseinsätze

In der Slowakei verzeichneten die Rettungsdienste, mit oder ohne Rettungstiere, Feuerwehr oder Katastrophenlabor, zwischen 1998 und 2008 einen Viertel mehr Einsätze. Wobei das Donauland nicht nur mit mehr Überschwemmungen zu kämpfen hatte.

Im Rahmen des Schweizer Erweiterungsbeitrags für die 2004 neu zur EU gestossenen zehn mittel-osteuropäischen Länder, den das Schweizer Stimmvolk 2006 angenommen hat, sollen die slowakischen Rettungskräfte unterstützt werden: Die 50 Jahre alten Zwingergebäude bei Bratislava zum Beispiel sollen erneuert werden, die Hundeführer in Zusammenarbeit mit dem “Kompetenzzentrum Veterinärdienst und Armeetiere” der Schweizer Armee trainiert werden.

Analysen ergaben, dass bei Waldbränden, Wind- oder Schneeschäden, bei den stark zunehmenden Verkehrs- und Tunnelunfällen und dem Austritt von giftigen Substanzen in Industriebetrieben noch Defizite im professionellen Einsatz der Rettungskräfte und im benötigten Material bestehen.

Internationale Standards aus der Schweiz

Auf Rettungseinsätze spezialisierte Polizisten seien in der Slowakei keine Freiwilligen, sondern Experten, so Humensky. Und als solche streben sie weltweit anerkannte Standards für Qualität an. Damit steige ihr Wert, denn nur damit seien sie international einsetzbar: “Und diese Standards werden von der Schweiz aus vergeben.”

Die Schweiz kann seit 2008 “die so genannte ‘Rettungskette’ einsetzen, falls diese von einem katastrophenbetroffenen Land nach Standards der ‘International Search and Rescue Advisory Group’ (Insarag) angefordert wird”, schreibt die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) auf ihrer Homepage. Diese Rettungskette besteht aus rund 100 Rettern, Notärzten, Hundeführern, Hunden und Material, die innerhalb von 8 bis 12 Stunden abflugbereit seien.

Das Insarag-Sekretariat liegt bei der UNO in Genf. Mit deren Richtlinien entspricht die Schweiz den von der UNO definierten Einsatzanforderungen. Diese Standards möchten die slowakischen Hilfsmannschaften ebenfalls erreichen, um in ihrem Land ein mittel-osteuropäisches Trainings-Zentrum für Rettungshunde (Canispol Slovakia) aufzuziehen.

Anforderungen für Hundeführer und Hunde

Die Insarag wurde 1991 als Kooperative zwischen von Erdbeben und anderen Katastrophen bedrohten Ländern und der UNO gegründet, um Erfahrungen auszutauschen und das Training zu vereinheitlichen. “Erst diese Standards machen ein nationales Rettungsteam international kompatibel”, so Humensky. “Erst dann kann ein slowakisches mit einem japanischen oder türkischen Team effektiv zusammen arbeiten.”

Hundeführer müssen gemäss Insarag beispielsweise sowohl für Menschen wie für Hunde Erste Hilfe leisten können, sie müssen (Einreise-)Formalitäten, Standards und Bedingungen für die Tiere kennen, wenn sie international transportiert werden. Sie haben gelernt, wie sie reagieren können, wenn ein Hund in einem Land zwar Verschüttete retten könnte, diese Tiere dort aber als unrein gelten, oder wenn man die Sprache nicht spricht.

Die Hunde selbst müssen sozialisiert sein, sich unterordnen können, Erfahrungen in Einsätzen haben und die Opfer nicht nur finden, sondern auch anzeigen können. Solche Rettungshunde müssen auch regelmässig tierärztlich untersucht, entwurmt und geimpft werden, damit sie fit bleiben und immer einsatzbereit sind.

Seien Katastrophenopfer bereits tot, brauche es eventuell speziell auf Leichengeruch ausgebildete Hunde, sagt Humensky. Die meisten Rettungshunde würden zwischen Leiche und Verletztem kaum einen Unterschied machen: Entweder sie zeigen kaum noch an, oder anders als gewollt.

Die Slowakei zählt 5,4 Mio. Einwohner auf einer Fläche von 49’000 Quadratkilometern.

2009 betrug die Kaufkraft im Vergleich zum EU-Durchschnitt 73%.

Die Schweiz unterstützt die Slowakei mit 67 Mio. Franken. Zum Vergleich: Die EU-Fördergelder (2007/13 betragen 10,2 Mrd. Euro).
 
Das Geld stammt aus dem Erweiterungsbeitrag (“Kohäsionsmilliarde”), den das Schweizer Volk 2006 genehmigt hat, zwei Jahre nach dem Beitritt der zehn neuen Länder Europas zur EU.
 
Die Mittel sind zur Verminderung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten bestimmt. Finanziert werden konkrete Projekte in den Bereichen Sicherheit, Stabilität, Reformen, Umwelt, Infrastruktur, Förderung des Privatsektors und der sozialen Entwicklung.
 
40% der Mittel sollen in strukturschwachen Regionen im Osten eingesetzt werden.

Knapp 2,7 Mio. Euro aus dem Erweiterungsbeitrag sind für die Verbesserung der Bereitschaft der slowakischen Katastrophenrettungs-Dienste vorgesehen.

Kompetente Unterstützung hofft der für Einsatzhunde zuständige Milos Humensky und die anderen Rettungsbehörden bei Schweizer Institutionen zu finden.

Zum Beispiel beim Kompetenzzentrum Veterinärdienst und Armeetiere des Schweizer Militärs.
 
Dessen “Kommando Armeehundwesen” befasse sich mit dem Training von Hunden für die Ortung und habe schon andere europäische Länder unterstützt, sagt der zuständige Daniel Rätzer, gegenüber swissinfo.ch. 
 
Sein Kommando  arbeitet eng zusammen mit Redog, einer gemeinnützigen, humanitären Freiwilligenorganisation, die Spezialistenteams für Trümmer- und Geländesuche im In- und Ausland zur Verfügung stellt.

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