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“Der Bürger hat keine Zeit, meine Herkunft zu prüfen”

Aus Sicherheitsgründen will Fábio Mateus nur von hinten fotografiert werden. swissinfo.ch

Fábio Mateus ist einer der ausländischen Polizisten des Kantons Basel-Stadt. Vor kurzem liess sich der Portugiese einbürgern und fühlt sich in der Schweiz voll integriert. Sein Beruf war für ihn schon ein Kindheitstraum.

Der Polizeiposten an der Clarastrasse 38 ist der Arbeitsort des 25-jährigen Portugiesen. Die blaue Uniform mit dem Basler Wappen auf den Schulterklappen steht ihm gut. Am Gürtel trägt er eine Pistole, Handschellen, eine Taschenlampe, ein Funkgerät sowie einen Knüppel. Zudem hat er eine kugelsichere Weste mit der Aufschrift Polizei auf dem Rücken.

Fábio Mateus ist überzeugt, dass er den richtigen Beruf gewählt hat. “Es war ein Kindheitstraum. Schon immer wollte ich einen Beruf mit direktem Kontakt zu Menschen haben”, erzählt der junge Mann mit kurzem Haar, das an den Haarschnitt des Fussballspielers Ronaldo erinnert.

Seine Eltern stammen aus dem Dorf Pias im Süden Portugals. Genau 29 Tage nach seiner Geburt in Lissabon kam seine Familie in die Schweiz, wohin seine Grosseltern schon vor mehr als dreissig Jahre ausgewandert waren.

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Normale Kindheit

Laut Fábio war seine Kindheit in Langenthal “normal”. Dort absolvierte er die obligatorische Schulzeit und hatte Schweizer Freunde. Seine Familie besuchte jedoch auch den Portugiesen-Club, wo man sich an Weihnachten, Ostern und an Wochenenden zum Mittagessen mit portugiesischem Wein und typischen Gerichten wie Kabeljau traf.

Schon nach dem Schulabschluss träumte er von der Polizei, beschloss aber, einen Beruf zu erlernen, der seiner Wirklichkeit näher stand. Nach vier Jahren Lehre hatte er sein Diplom als Autokarosseriebauer. Doch er nahm eine ganz andere Arbeit an. “Mir gefielen Autos, doch ich wollte Kontakt zu Menschen haben. So wurde ich in einem Grossunternehmen Verkäufer für Handies“, erzählt er.

Nach einem Jahr kehrte er zu den Autos zurück und begann, Ersatzteile zu verkaufen. Doch sein Wunsch war stärker, und schliesslich beschloss er, Polizist zu werden. “Ich wählte die Basler Kantonspolizei, weil Basel einer der wenigen Kantone ist, der Leute wie mich aufnimmt. Damals hatte ich nur die C-Bewilligung (Niederlassungsbewilligung)”, bemerkt er.

Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung ist in der Schweiz Kompetenz der Kantone.

Laut Daten von anfangs 2013 verfügt der Kanton Zürich mit 3840 Beamten über das grösste Polizeicorps, gefolgt vom Kanton Bern (1900) und dem Kanton Waadt (1800).

Gemessen an der Bevölkerung hat der Kanton Nidwalden mit 1 Polizisten pro 774 Einwohner am wenigsten Polizeibeamten, gefolgt vom Kanton Aargau mit 1 Polizisten pro 717 Bewohner.

Im Vergleich zur Bevölkerung haben die Kantone Zürich und Basel-Stadt mit 1 Polizisten pro 363 bzw. pro 284 Einwohner die grössten Polizeicorps.

Laut dem Verband Schweizerischer Polizei-Beamter braucht die Schweiz zwischen 7000 und 15’000 Polizeibeamten mehr. Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren schätzt, dass mindestens 1500 neue Polizisten eingestellt werden müssen.

Anspruchsvolle Aufnahmeprüfung

Die Aufnahmeprüfung war streng. Nach einem Gespräch mit drei Beamten gab es eine Reihe von Tests wie physische Eignung, Allgemeinwissen und andere Eigenschaften wie Kommunikation. Letztere ist vielleicht eine seiner Stärken. “Ich spreche sechs Sprachen”, erzählt er stolz und nennt zusätzlich zu seiner Muttersprache Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Englisch. “Sprachen, v.a. lateinischen Ursprungs, liegen mir.”

Nach seiner Annahme 2011 wurde er an die Kantonale Polizeischule in Hitzkirch geschickt, wo Polizisten aus elf verschiedenen Kantonen ausgebildet werden. Nach einem Jahr Theorie und fast einem Jahr Praxis auf einem Polizeiposten in Basel fehlt dem jungen Portugiesen noch ein Jahr Ausbildung. “Wir müssen verschiedene Etappen durchlaufen, um mehr Erfahrung zu gewinnen. Gegen Ende 2014 werde ich meine Ausbildung abgeschlossen haben”, sagt er.

Bisher erfüllten sich seine Erwartungen. “Als Polizist hat man vielfältige Aufgaben. Die Arbeit wird nie langweilig. Ich geniesse dieses Gefühl beim Aufwachen, wenn ich weiss, dass jeder Tag anders verläuft”, erklärt er.

Fábio Mateus erzählt von seiner Arbeit auf dem Polizeiposten in einem beliebten Quartier und unweit der deutschen Grenze: “Ich habe schon viele Anzeigen wegen Taschendiebstahl aufgenommen oder musste bei Fussballspielen für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sorgen. Ich führe auch Identitätskontrollen auf der Strasse durch, oft handelt es sich dabei um Ausländer.” Seine Sprachkenntnisse seien ihm dabei eine grosse Hilfe: “Wenn ich merke, dass jemand meine Anweisungen nicht versteht, versuche ich herauszufinden, welche Sprache er spricht.”

Seit anfangs 2013 ist Fábio Mateus nicht nur portugiesischer Staatsbürger: “Seit Februar bin ich Schweizer” erzählt er und betont gleichzeitig, dass ihm die Einbürgerungsformalitäten nicht erleichtert wurden, weil er Polizist sei, sondern wie für andere Anwärter rund drei Jahre dauerten.

Ein Polizeibeamter wie alle anderen

Seine Herkunft beeinflusse seine Arbeit nicht und man behandle ihn auch nicht anders, meint er: “Wenn wir zur Lösung irgendeines Problems gerufen werden, hat der Bürger normalerweise keine Zeit, sich um meinen Namen oder um mein Aussehen zu kümmern. Er ist glücklich, dass ich gekommen bin um zu helfen.”

Trotz des roten Passes und obwohl er sich in der Schweiz zu Hause fühlt, verleugnet der junge Polizist seine portugiesische Herkunft nicht. Auf die Frage, welche Nationalmannschaft er bei den Fussballweltmeisterschaften in Brasilien unterstützen werde, da sowohl die schweizerische als auch die portugiesische teilnehmen wird, meint er lachend: “Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Ich weiss es noch nicht.” 

Bedingungen bei der Kantonspolizei Basel-Stadt:

-Alter zwischen 20 – 40 Jahren

-Schweizer Bürger oder C-Bewilligung für Ausländer

-Abgeschlossenes Gymnasium oder Berufslehre

-Tadelloser Ruf ohne Eintragungen im Strafregister

-Beherrschung von Hochdeutsch und Schweizerdeutsch sowie einer Fremdsprache

-Führerschein

-Bestehen physischer und psychologischer Eignungstests

-Minimalgrösse für Frauen 160 cm und für Männer 168 cm.

Anfangslohn: zwischen 4527 SFr. während der Ausbildung und 6162 SFr. kurz nach dem Abschluss.

(Übertragung aus dem Portugiesischen: Regula Ochsenbein)

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