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Familien schätzen an Weihnachten die festliche Stimmung

Typische Schweizer Weihnacht am Abend des 24. Dezember. Keystone

Weihnachten ist in der Schweiz vor allem ein wichtiges Familienfest. Es wird weder als scheinharmonische Veranstaltung noch als sinnentleertes Konsumfest verstanden.

Eine Studie der Universität Bern untersuchte, wie Familien mit kleinen Kindern das Weihnachtsfest feiern.

Ein Forschungsteam um Maurice Baumann und Roland Hauri an der Theologischen Fakultät der Universität Bern fand heraus, dass sich die Art des Weihnachtsfestes über die Generationen hinweg kaum verändert hat. Es seien lediglich “kleine Veränderungen am herkömmlichen Bild” auszumachen.

swissinfo: Wie wird Weihnachten in einer typischen Schweizer Familie gefeiert?

Roland Hauri: In den allermeisten Fällen schmückt eine Schweizer Familie den Tannenbaum. Es gibt Geschenke und ein gutes Weihnachtsessen.

Eine Mehrzahl der Deutschschweizer Familien feiert in der Weihnachtszeit zwischen ein- und dreimal Weihnachten, wobei das Hauptfest am Abend des 24. Dezember stattfindet.

Bei fast allen Familien sind mindestens an einem Fest die Grosseltern, Onkel und Tanten dabei. Bei Patchwork-Familien sind bis fünf Feiern möglich.

swissinfo: Und was gehört sonst noch zu einer waschechten Schweizer Weihnachtsfeier?

R.H.: In vielen Familien wird musiziert und es werden Lieder gesungen. Auch werden die Häuser und Wohnungen weihnachtlich geschmückt.

Häufig wird auch die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und die Kinder sagen Värsli (Reime) auf. Viele schauen auch zusammen fern.

Wir erwarteten eigentlich, dass es eine Vielzahl von Arten gibt, wie hier Weihnachten gefeiert wird. Überraschenderweise erwähnten fast alle Befragten diese Hauptelemente.

swissinfo: Wie hat die immer weltlicher werdende Auffassung von Weihnachten das Fest beeinflusst?

R.H.: Viele sagten, dass für sie Weihnachten nicht in erster Linie ein religiöses Fest sei, aber es soll eine festliche Atmosphäre herrschen.

Überraschend sagte rund die Hälfte der Familien, dass sie über Weihnachten zur Kirche gehen. Etliche weisen aber auch darauf hin, dass es für sie zu schwierig geworden sei sich zu organisieren, um dorthin zu gehen.

Religion wird nicht notwendigerweise mit der Kirche verbunden. Es hat sich vielmehr eine individuelle, eher private Annäherung an die Religion entwickelt.

swissinfo: wie wichtig ist das Ritual des Weihnachtsfestes für das Familienleben?

R.H.: Wenn wir Weihnachten mit andern Familienfesten vergleichen, dann ist die Weihnachtsfeier eines der wenigen Feste der Grossfamilie. Das heisst, Grosseltern, Tanten, Brüder und Schwestern – auch die der Eltern – und andere Verwandte sind mit dabei.

Kinder sagten uns, dass der Geburtstag und Weihnachten die beiden wichtigsten Feste für sie seien. Die Erwachsenen sehen Weihnachten als Familienangelegenheit. Das Zusammenkommen ist wichtig. Die materiellen Dinge sind eher von sekundärer Bedeutung.

Eine Frau sagte es uns so: An Weihnachten sei sichtbar, wie es um eine Familie steht. Möglicherweise sind Familienmitglieder gestorben oder fehlen, weil sie wegleiben wollen oder nicht dabei sein können. Oder es sind neue Mitglieder dazugekommen, kleine Kinder, neue Partner. Um das zu merken, dazu biete die Weihnachtsfeier die Gelegenheit.

swissinfo: Hat ihre Untersuchung auch Hinweise darauf geliefert, dass die Festzeit auch eine Stresszeit sein kann, da die Familienmitglieder längere Zeit beisammen sind?

R.H.: Es gab kaum Hinweise darauf, dass Weihnachten eine Zeit der Spannungen innerhalb der Familien wäre. Wohl darum, weil Weihnachten vor allem der Kinder wegen gefeiert wird. Es soll eine harmonische Zeit sein.

Wenn von Spannungen gesprochen wurde, dann sind diese vor der Feier aufgetreten. Bei der Frage, wen wann einladen oder zu wem zu Besuch gehen.

Einige Grosselten sagten, dass sie mit der Art, wie sich die Enkel aufführten, nicht einverstanden waren, also mit deren Erziehung. Doch fanden die meisten, Weihnachten sei nun nicht der Zeitpunkt sich darüber auszulassen.

swissinfo-Interview: Urs Geiser
(Aus dem Englischen übertragen von Urs Maurer)

Für die Untersuchung der Universität Bern wurden 1300 Familien über Weihnachten befragt.

Teil der Studie ist auch eine ausführliche Befragung von 13 ausgewählten Familien in der Region Bern.

Die Weihnachts-Studie ist Teil des Nationalen Forschungs-Programmes 52 (NFP 52) das über die aktuellen und zukünftig zu erwartenden Lebensverhältnisse und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen neue Erkenntnisse gewinnen will.

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