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Kirchenmusik mit Alphorn

Lazariterkirche im zürcherischen Dübendorf. swissinfo.ch

Weltpremiere in Zürich: Am 8. Dezember wird erstmals eine interreligiöse Messe uraufgeführt. Als Höhepunkt der "Biennale für neue spirituelle Musik" verbindet sie Musik, Geist und Religion mit Kultur.

Auch das Alphorn wird eingesetzt, neben tibetischen Tempelglocken, Tamtams und klassischen Instrumenten. Chöre singen ausser auf Lateinisch auch Arabisch, Indisch und Indianisch.

Jungfrau Maria, Reformator Zwingli und Dalai Lama vereint unter einem Dach: Am 8. Dezember, dem katholischen Feiertag “Mariä Empfängnis”, findet in der reformierten Kirche des Grossmünsters in Zürich mit dem Segen des Buddhisten Dalai Lama die erste interreligiöse Messe der Welt statt.

Symphonisch ist die Messe vollständig vertont. Damit gilt sie formal nicht als religiös gültiger, konfessioneller Gottesdienst, sondern als panreligiöser kultureller Akt. Innerhalb des Festivals der spirituellen neuen Musik soll dieser musikalische Höhepunkt allen offen stehen.

Die drei K

“Kunst und Kultur gehören zur Kirche”, sagt Christoph Maria Moosmann, der künstlerische Leiter des Biennales, gegenüber swissinfo, “zusammen mit der christlichen Religion”.

“Musik, Kunst und Kultur einerseits, und Religion und Spiritualität anderseits, sind die beiden Themen, die in meinem Leben wichtig sind”, sagt Moosmann, Orgel-Virtuose und ehemaliger Organist der Stadtkirche Dübendorf.

Eigentlich gehöre beides zusammen. “Aber ausgerechnet an dem Ort, wo beides zusammen finden könnte, in den Kirchen, findet meines Erachtens weder das Eine noch das Andere statt.”

Kultus und Kultur: nahe beieinander

Darum hat Moosmann einen derartigen Anlass, der diese Elemente zusammen bringt, selber auf die Beine gestellt. Es ist zwar als nichtkonfessionielles, rein kulturelles Ereignis gedacht; Austragungsorte müssen dennoch Kirchen sein.

Das seien traditionell die Orte, in denen Spiritualität und Religion in der Öffentlichkeit stattfinden. “Das war schon lange vor dem Mittelalter so, und wurde in Europa erst seit der Zeit der Aufklärung getrennt.”

Moosmann möchte Kultus und Kultur wieder zusammen bringen. Aber nicht rückwärtsgewandt in Richtung Vergangenheit, sondern nach vorn blickend in Form einer neuen Entwicklungsstufe, einer lebendigen und neuartigen Kirchenmusik.

Kein Kathedralkitsch, sondern neue Verbindungen

Gerade als Organist sei er einem Musikbetrieb zwischen Akademismus und Kathedralkitsch abgeneigt. Deshalb habe er auch das “festival religio musica nova” gegründet, das 2005 in Dübendorf bei Zürich erstmals stattfand.

Als Biennale-Leiter, Experte für zeitgenössische Musik und Spezialist für diffizile Uraufführungen interessiert sich Moosmann auch für Naturwissenschaften und Philosophie.

Interdisziplinär geht er auch in Sachen Musik vor: “Interessant an dieser Aufführung ist die Verbindung von verschiedenen Instrumenten. Zum Beispiel singt ein professioneller Chor, der Rundfunkchor Berlin, mit einem klassischen Symphonieorchester wie dem Zürcher Kammerorchester. Und andererseits werden grosse Instrumente eingesetzt, wie Tamtam, tibetische Tempelglocken, und mit der Orgel verbunden.”

Wie kommt ein Alphorn in die Kirche?

Auch das klassische Schweizer Alphorn finde Verwendung, so der Biennale-Leiter. “Aber es wird völlig anders gespielt.” Zurück gehe das Ganze auf ein argentinisches Duo, dass meditativ-spirituelle Musik spielt. Diese Musik wurzle zwar in der Tradition, öffne sich aber in eine aktuelle Sprache.

“Die Argentinier haben mir dann die Idee vom Alphorn gegeben. Dieses Horn ist ein Naturinstrument, mit entsprechenden Tönen. Eigentlich passt es gar nicht in das europäische Musiksystem. Doch haben Naturtöne die Eigenschaft, zu jedem x-beliebigen Instrument zu passen.”

Das Alphorn nehme zwar nicht auf die konkrete europäische geistliche Musik Bezug, so Moosmann, sondern mehr auf spirituelle Themen im Allgemeinen. “Aber während des Festivals wird es in der Kirche gespielt, zusammen mit der Orgel, drei Gamben und vier Mädchenstimmen.”

Die Welt von heute ist multireligiös

Diesem wechselseitigen Verhältnis der Instrumente entspricht das wechselseitige Verhältnis der Religionen und Kulturen. Laut dem Biennale-Leiter ist es zu einer der grössten Herausforderungen unserer Zeit geworden. Der “Clash of Civilizations” werde von vielen als Bedrohung gefühlt.

“Damit erhebt sich auch die Frage nach der eigenen Identität”, sagt Moosmann, “und die ist eben in einer multireligiösen Welt offen.” Wir in Europa seien von der Glaubensstärke der Muslime und von der Tiefe des Buddhismus beeindruckt, leben dabei aber selber in einer postmodernen Beliebigkeit.

“Suchen wir in unseren eigenen Traditionen, so kommen wir um die Messe als das Zentrale der christlichen Religion nicht herum”, schliesst Moosmann. Sie habe Europa immerhin über zwei Jahrtausende kulturell geprägt und sei gesellschaftlich präsent gewesen. Und sie habe dabei besonders die Musik stark beeinflusst.

swissinfo, Alexander Künzle

Eine Biennale für spirituelle neue Musik
2. bis 9. Dezember in Zürich und Dübendorf.

Unter anderem:
8. 12. Grossmünster Zürich. Sir John Tavener: Sollemnitas in conceptione immaculata beatae Mariae virginis (Uraufführung)
2.12. Lazariterkirche Dübendorf: José Marchi & Daniel Vareda: Anunciación (Uraufführung)

Kolloquien und Partnerveranstaltungen

Verschiedene Stiftungen und öffentliche Stellen unterstützen das Biennale.

Pro Helvetia, der Kanton Zürich, verschiedene Kirchgemeinden, und private Kulturstiftungen von Guggenheim bis Göhner.

Als religiöses Oberhaupt einer der wichtigen Buddhismuszweige ist der Dalai Lama Mitglied des Patronatskomitees.

Präsidentin der Trägerschaft, des Vereins festival religio musica nova, ist Alt-Nationalrätin Rosemarie Zapfl.

Die lateinische (Tridentinische) Messe hat sich vor über 1000 Jahren entwickelt.

Von 900 bis 1965, dem Zweiten Vatikanischen Konzil, war sie ziemlich konstant. Dann wurde das Latein abgeschafft und die Messe neu konzipiert – in der heute allgemein gültigen Version.

Erst im Juli 2007 hat Papst Benedikt die alte Messe wieder zugelassen.

Die Messe, die im Festival religio musica nova aufgeführt wird, ist 2006 komponiert, zwar nach der neuen Liturgieform, aber in Latein.

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