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New Orleans auf dem langen Weg zur Normalität

Die Fluten in New Orleans gehen zurück - eine Geisterstadt taucht auf. swissinfo.ch

Zwei Wochen nach dem Hurrikan, sagt der Schweizer Hotelier Hans Wandfluh gegenüber swissinfo, dass die Stadt New Orleans keineswegs am Ende sei.

Wandfluh leitet das Royal Sonesta Hotel im French Quarter und überstand Sturm und Plünderungen verbarrikadiert im Hotel mit rund 20 Angestellten.

Aus den Fluten, die zurückgehen, tauchen kaputte, verdreckte Strassen auf. Kolonnen von Armee-Fahrzeugen rollen durch verlassene Nachbarschaften, Helikopter donnern über den Dächern.

Als der swissinfo-Journalist in die Stadt kommt, gleicht sie immer noch einem Kriegsgebiet, die nächtliche Ausgangssperre ist noch in Kraft, aber das Royal Sonesta Hotel ist bereits wieder offen.

Während es noch einige Zeit dauern wird, bis wieder alle Lichter an der Bourbon Street leuchten, nimmt das Leben im Hotel von Hans Wandfluh bereits wieder seinen fast normalen Gang: Die Bundespolizei FBI hat ihr Hauptquartier im 500-Zimmer-Hotel aufgeschlagen, und auch der Nachrichten-Riese CNN benutzt es als Basis.

swissinfo: Die Stadt sieht immer noch aus wie ein Kriegsgebiet. Was hat sich in den vergangenen Tagen verbessert?

Hans Waldfluh: Viel hat sich verändert: Vor allem sehen wir kein Wasser mehr. Das Wasser kam bis auf fünf Meter ans Hotel heran, jetzt ist es weg. Das ist also eine Verbesserung.

In den ersten Tagen hatten wir hier weder Polizei noch Militär. Die Polizisten konzentrierten sich auf die Rettungsarbeiten oder rannten selber um ihr Leben, zusammen mit allen anderen. Aber jetzt sind Polizei und Armee präsent und wir sind extrem gut geschützt. Auch Nahrungsmittel kommen wieder herein.

swissinfo: Die Behörden scheinen die Situation wieder im Griff zu haben. Zu Beginn allerdings mussten Sie sich selber vor den Plünderern und Banden in den Strassen schützen. Welche Schritte haben Sie ergriffen?

H. W.: Wir haben uns einfach verbarrikadiert. Wir haben alles zugenagelt. Plünderer rannten ums Hotel, aber sie kamen nicht rein weil sie nicht rein konnten.

swissinfo: Sie leben seit über 25 Jahre in New Orleans. Wie lange denken Sie wird es dauern, bis die Stadt wieder auf ihre Füsse kommt?

H. W.: Das ist sehr schwierig zu sagen. Das French Quarter und die Innenstadt sind intakt – da muss man nur aufräumen. Ich schätze, dass hier in zwei bis drei Monaten das Leben wieder beginnen wird.

Ich habe absolut keine Zweifel, dass New Orleans grösser und besser zurückkommen wird, dass das Leben wieder normal wird.

swissinfo: Gehen Sie davon aus, dass bereits wieder eine stattliche Anzahl Touristen an Weihnachten die Stadt besuchen werden?

H. W.: Das kommt drauf an, was Sie unter einer stattlichen Anzahl verstehen. Aber die Touristen werden kommen. Amerikaner sind wundervolle Leute, und sie werden nach uns schauen. Sobald wir sagen können “Hey, wir sind zurück im Geschäft”, werden sie uns unterstützen und kommen. Das ist fast garantiert.

swissinfo: Die langsame Reaktion der Behörden hat herbe Kritk geerntet. Sie haben die Ereignisse aus der Nähe gesehen. Wer ist schuld?

H. W.: Kritisieren ist immer einfach. Man kann mit dem Finger auf Schuldige zeigen, vor allem Politiker sind da Spezialisten. Aber es ist schwierig zu sagen, wer schuld ist. Der Gouverneur? Der Präsident? Persönlich denke ich, dass alle Schuld tragen. Von ganz oben bis ganz unten.

Aber ich denke, wir sollten weniger Zeit damit verschwenden, die Schuldigen zu benennen, sondern mit den Reparaturen beginnen. Im Grunde sollten wir die Lehren aus dem Ereignis ziehen und in eine bessere Zukunft schauen.

swissinfo-Interview, Adam Beaumont in New Orleans, Louisiana
(Übertragung aus dem Englischen: Philippe Kropf)

Das Royal Sonesta Hotel liegt an der Bourbon Street, im Herzen des French Quarter von New Orleans.

Das Hotel hat den Hurrikan Katrina ohne Schaden überstanden und nimmt die ersten Gäste auf – von FBI und CNN.

Hans Waldfluh, ursprünglich aus Interlaken, leitet das Hotel seit 1969.

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