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Terror-Schock fördert Religions-Dialog

Das Kopftuch steht als Symbol für die Mühe, die Europa anderen Kulturen und Religonen entgegenbringt. Keystone

Ein Ort, wo sich Vertreter aller Religionen treffen können, wo kleine Religionen ein Refugium finden und Extremismus durch Dialog Boden verliert: An dieser Vision arbeitet ein Verein in Bern.

Entstehen soll das so genannte “Haus der Religionen” in Bern West, einem Stadtteil, wo viele Migranten leben.

Bereits ein bisschen zur Realität wurde die Vision vom friedlichen Zusammenleben an der viertägigen “Fête KultuRel” am vergangenen Wochendende.

“Man konnte von der Moschee zu einem jüdischen Raum, vom Zentrum der Baha’i zu den Christen wandern”, freut sich Hartmut Haas im Gespräch mit swissinfo. “Wir haben zusammen mit Vertretern von sechs Weltreligionen gefeiert.”

Haas ist Präsident des Vereins “Haus der Religionen – Dialog der Kulturen”. Der Pfarrer der Herrnhuter Brüdergemeinde, einer Anfang des 18. Jahrhunderts gegründeten protestantischen Freikirche, ist eine treibende Kraft im Projekt, das Vertreter mehrerer Religionen umfasst. Neben den beiden christlichen Kirchen sind das die Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten und Baha’i.

Ein Quartierproblem lösen

“Unser Quartier ist religiös stark im Umbruch”, sagt Hans Stucki gegenüber swissinfo. “Es kommen vor allem mehr Moslems und Hindus, gleichzeitig werden Pfarrstellen gestrichen, weil es zu wenig christliche Kirchgänger mehr gibt.” Stucki ist Sekretär der Quartierkommission von Bümpliz-Bethlehem (QBB). Die QBB berät die Stadtregierung.

Das Quartier Bümpliz-Bethlehem im Westen der Bundesstadt hat 32’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Der Anteil von Migrantinnen und Migranten liegt in gewissen Teilen deutlich über einem Drittel.

In der Schweiz regeln die einzelnen Kantone das Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Im Kanton Zürich beispielsweise, der kürzlich in einer Volksabstimmung die Anerkennung weiterer Religions-Gemeinschaften verwarf, sind nur die evangelisch-reformierte und die römisch-katholische Landeskirche sowie die christkatholische Kirchgemeinde anerkannt. Die jüdischen Gemeinden werden hingegen lediglich in den Kantonen Bern, Basel-Stadt, St. Gallen und Freiburg anerkannt.

Moschee in der Einstellhalle

“Die Hindus mussten ihren Tempel in einem Gewerbehaus unterbringen, die Moslems beteten zeitweise in einer Einstellhalle”, beschreibt Stucki die Lage im Quartier.

Pfarrer Haas möchte Abhilfe schaffen: “Mit dem Haus der Religionen wollen wir Menschengruppen, die neu oder seit jüngerer Zeit hier leben, eine würdige Heimat für ihre Riten und Feste geben. Das Provisorium in Tiefgaragen oder neben Kehrichtverbrennungs-Anlagen soll ein Ende haben.”

“Grundlage zum Mitmachen ist die Bereitschaft zum Dialog und der Verzicht auf sektiererische, missionarische Bemühungen”, sagt Haas. Alle Partner seien auch in der Gruppe des “Runden Tisch der Religionen”. Seit 1998 treffen sich dort hohe Repräsentanten verschiedener Kirchen.

Seit Ende 2000 wird am Projekt gearbeitet, mit grösseren Schritten voran kam es aber erst seit den Terror-Anschlägen in New York und Washington vor drei Jahren. “Der 11. September hat sicher einen Schock bewirkt, der die Aufmerksamkeit auf das Phänomen Religion gelegt hat.”

Dialog fördern, Extremismus verhindern

Der Doppeltitel des Projektes ist denn auch Programm: Im Haus der Religionen soll diskutiert werden können. “Es ist nötig, dass die Gruppen miteinander ins Gespräch kommen und die grosse Öffentlichkeit eine Begegnungs-Möglichkeit hat mit dem, was ihr fremd erscheint.”

Illusionen, dass der Dialog zwischen den moderaten Vertreter der Religionen Fanatikern das Wasser abgraben könnte, macht sich Haas keine. “Das Projekt kann nicht die ganze Welt retten. Aber wir wollen zeigen, dass es nicht nur den Fanatismus gibt, sondern Vielfalt und Schönheit jeder Kultur und Religion zeigen.”

Private Investoren gesucht

Entstehen soll das Haus in einem Neubau-Komplex in Bern Ausserholligen, der momentan in Planung ist. Finanziert werden soll das Projekt von privater Seite. Man sei, so Haas, im Gespräch mit Versicherungen und Pensionskassen.

Stucki vom QBB hält die Finanzierung durch einen Konzern durchaus für möglich: “Das ist nicht abwegig, private Firmen schätzen beispielsweise Genf für seine Multikulturalität.”

Auch die Stadt Bern hat finanzielle Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Erwartet wird zudem ein Beitrag durch die Religions-Gemeinschaften.

Unabhängigkeit muss gewährleistet sein

Der Verein von Haas will bis Ende Jahr eine Stiftung gründen, einerseits als Sicherheit für die Investoren, andererseits soll sie über die Unabhängigkeit des Kirchen-Hauses wachen. “Andere Interessen dürfen den ursprünglichen Zweck nicht überlagern”, sagt Haas.

Solange sich keine der Religions-Gemeinschaften in den Vordergrund dränge, sei die Akzeptanz im Quartier auch sehr hoch, zeigt sich Stucki zuversichtlich. “Wir sind in einer guten Ausgangslage.”

Und: “Das Haus der Religionen ist Friedensarbeit in einem Quartier, wo die Integrationsarbeit sehr anspruchsvoll ist.”

swissinfo, Philippe Kropf

Konfessionen in der Schweiz (2000):
42% Katholiken
35,2% Protestanten
4,3% Muslime
0,2% Juden
1,8% Orthodoxe
11,1% Konfessionslose

Im Berner West-Quartier Bümpliz-Betlehem leben viele Migrantinnen und Migranten.

Da ihre Kirchen nicht anerkannt sind, müssen sie ihre Kirchenhäuser oft in Tiefgaragen oder Gewerbehäusern einrichten.

Das “Haus der Religionen” soll allen Konfessionen einen würdigen Ort für Feste und Riten bieten.

Im Dialog zwischen den Kulturen hoffen die Organisatoren auf bessere Integration und darauf, dass Extremismus gar nicht erst entsteht.

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