Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Was der Umwelt dient, dient auch der Wirtschaft

Bruno Oberle ist überzeugt, dass auch die Schweizer Wirtschaft von einer gesunden Umwelt profitiert. swissinfo.ch

Bruno Oberle will im neuem Bundesamt für Umwelt einen effizienten Umwelt- und Naturschutz betreiben, der auch der Wirtschaft zu Gute kommt.

Im Interview mit swissinfo verdeutlicht der verantwortliche Chefbeamte die Leitlinien seiner Umweltpolitik.

Eine gute Lebensqualität in einer gesunden Umwelt: Dieses Ziel strebt das neue Bundesamt für Umwelt (BAFU) an. Wichtig sind aber auch gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen.

Bruno Oberle hat seine Ziele vor kurzem an einer Medienkonferenz vorgestellt. Seiner Meinung nach nimmt die Umweltpolitik nach wie vor einen hohen Stellenwert bei den Schweizern ein.

swissinfo: Sie haben sich vorgenommen, die Umwelt- und die Wirtschaftspolitik gegenseitig anzunähern. Lassen sich so unterschiedliche Interessen tatsächlich unter einen Hut bringen?

Bruno Oberle: Das hängt sehr davon ab, was man unter Wirtschaft versteht. Die Wirtschaft ist nicht einfach die Summe aller Unternehmungen. Wir gehören alle dazu, Produzenten, Konsumenten, Arbeiter, Rentner. In diesem Sinne gibt es keinen Widerspruch zwischen Ökonomie und Umwelt.

Die Umweltpolitik verfolgt eine korrekte und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen. Damit wird eine lebenswichtige Grundlage für die Wirtschaft geschaffen.

swissinfo: Tatsache ist aber, dass in der Umweltpolitik langfristige Ziele verfolgt werden, während in der Wirtschaft häufig das kurzfristige Gewinndenken dominiert.

B.O.: Es kann zwischen Anliegen im Umweltschutz und einigen Bereichen der Wirtschaft sicherlich zu Widersprüchen kommen. Doch diese müssen durch einen konstruktiven Dialog und Kompromisse im Interesse des Landes gelöst werden.

Denken wir beispielsweise an den Einbau von Filtern, um die Emissionen von Feinstaub zu reduzieren. Eine solche Massnahme kann erhebliche Mehrkosten für Firmen bedeuten, aber die Gemeinschaft profitiert als Ganzes, weil sich Gesundheitskosten und dadurch auch Krankenkassenprämien verringern lassen.

Diese eingesparten Gelder können wiederum in Konsumgüter fliessen und so zum Wirtschaftswachstum beitragen.

swissinfo: Sind die Wirtschaftsführer in der Schweiz Ihrer Meinung nach sensibel für Umweltfragen?

B.O.: Ja, vor allem bei grossen Unternehmungen, die auch im Ausland tätig sind. Diese verfügen über mehr Mittel und können in längeren Zeiträumen denken. Es sind eher die kleinen, lokal operierenden Unternehmungen, die bei Umweltanliegen auf die Bremse stehen. Sie stehen unter stärkerem Kostendruck.

Ganz allgemein lässt sich jedoch sagen, dass die Schweizer Unternehmungen sich schnell an die Erfordernisse des Umweltschutzes angepasst haben. Ich möchte aber auch unterstreichen, dass gerade in der Schweiz eine gute Raumplanung und Umweltqualität nötig ist, um Entwicklung zu ermöglichen.

Unsere Wirtschaft basiert auf Mehrwertschöpfung und wissenschaftlicher Forschung. Wir benötigen daher sehr qualifizierte Arbeitskräfte. Diese Personen haben in der Regel sehr hohe Ansprüche in Bezug auf die Umwelt, in der sie leben und arbeiten. Sicherlich kommt niemand in die Schweiz, um im Dreck zu leben.

swissinfo: Doch nach wie vor muss die Gemeinschaft rund 20 Mrd. Franken an Kosten für Umweltverschmutzung tragen, für die Privatunternehmen verantwortlich sind. Man denke nur an die Sanierung verseuchter Gelände oder alter Deponien.

B.O.: Diese Kosten sind nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft nicht tragbar.

Wer Umweltschäden verursacht, muss auch dafür aufkommen. Die Verantwortung kann nicht an andere abgeschoben werden. Ansonsten führt dies auch zu einer Preisverzerrung, die nicht im Interesse einer Marktwirtschaft ist. In diesem Bereich muss man Gegensteuer geben.

swissinfo: 1990 bezeichneten 70% der Schweizer Bevölkerung den Umweltschutz als ein prioritäres Anliegen. Seither ist der Stellenwert stetig gesunken, bis auf 9% im Jahr 2005. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

B.O.: Im Grundsatz kann dies als Kompliment unserer Umweltpolitik verstanden werden. Viele Probleme, die die Leute vor 10 oder 20 Jahren beschäftigten, sind gelöst worden, oder die Situation hat sich verbessert.

Denken wir an den Gewässerschutz. Heute kann man praktisch überall problemlos baden, während es vor 40 Jahren nicht einmal ratsam war, die Hand in einen Fluss zu halten. Es gab früher fast überall irgendwelche Deponien im Land.

Inzwischen werden Abfälle mit modernsten Technologien rezykliert oder entsorgt. Enorme Fortschritte haben wir auch bei der Verbesserung der Luftqualität und der Bekämpfung des sauren Regens gemacht.

Und trotzdem ist der Umweltschutz ein gewisses Sorgenkind der Menschen geblieben. Wenn man heute fragt, unter welchen Problemen die künftigen Generationen vor allem leiden werden, kommt die Umwelt noch immer vor der Arbeitslosigkeit und anderen sozialen Fragen.

swissinfo: Wie werden denn die Umweltprobleme der künftigen Generationen aussehen?

B.O.: Eines der Hauptprobleme wird der Klimawechsel sein, der vom Menschen erzeugt wird. Es gibt das Risiko anhaltender Naturkatastrophen.

Inseln und Küstengebiete werden diesen Wandel am Stärksten zu spüren bekommen. Denn sie riskieren eine Überflutung. Auch die arktischen Gebiete werden sich verändern. Dort macht sich der Temperaturanstieg besonders bemerkbar.

Dazu kommen die Berggebiete als äusserst sensible Landschaft. Die Schweiz muss sich auf diese Konsequenzen einstellen. Unser Interesse ist sehr gross, dass die internationale Gemeinschaft schnell handelt.

Es gibt zudem eine Reihe von Unbekannten im Umgang mit diversen Stoffen und Technologien – etwa das Nano-Material oder die genetischen Mutationen. Oder es gibt chemische Substanzen, die in sehr geringem Ausmass ins Wasser gelangen, aber genetische Deformationen und Geschlechtsumwandlungen an Tieren und Pflanzen auslösen können.

Niemand weiss, ob der Mensch von diesen Risiken möglicherweise betroffen ist.

swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Bruno Oberle, 1959 in St.Gallen geboren, wuchs in Locarno (Tessin) auf.
Er ist der einzige Chefbeamte italienischer Muttersprache in der Bundesverwaltung.
Nach seiner Promotion in Naturwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETHZ) 1980 war er in diversen Umweltschutz-Projekten tätig.
Oberle ist als Nachfolger von Philippe Roch seit Oktober 2005 Direktor des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL).
Zuvor war er seit 1999 Vizedirektor dieses Amtes, das inzwischen Bundesamt für Umwelt (BAFU) heisst.

Aufgabe des seit dem 1. Januar 2006 bestehenden Bundesamtes für Umwelt (BAFU) ist es, in der Schweiz Lebensqualität, eine gesunde Umwelt und gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu fördern

Das BAFU ist ein Zusammenschluss des bisherigen Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) und des Bundesamtes für Wasser und Geologie (BWG).

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft