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Wissenschaft fordert Schweizer Traditionskost heraus

Greyerzerkäse ist im Durchschnitt der salzhaltigste Schweizer Käse. Reuters

Schweizer konsumieren zu viel Salz, sehr zulasten der Gesundheit. Einen hohen Salzgehalt haben traditionelle Spezialitäten wie Greyerzer Käse, Cervelats oder Silser-Brötchen. Eine Gesundheitskampagne des Bundes zur Salzreduktion setzt ihnen zu.

Die Schweizer Forscher prüfen Möglichkeiten, die Menge Natriumchlorid (Salz) in den Nahrungsmitteln signifikant zu verringern. In einer neuen Studie behaupten Wissenschaftler der Berner Fachhochschule, dass dies auch ohne Qualitäts- und Sicherheitseinbussen möglich sei.

Durchgeführt wurde die Studie an der Fachhochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen (HAFL). Untersucht wurden verarbeitete Lebensmittel wie Brot sowie Fleisch- und Fertigmahlzeiten mit weniger salzhaltigen Rezepturen.

Eines der Schlüsselresultate zeigt, dass sich Brot besonders eignet, den Natriumgehalt zu reduzieren. “Von diesem Grundnahrungsmittel essen die Leute sehr viel. Eine Salzreduktion in dieser Produktekategorie hätte die grösste Auswirkung auf die Zufuhr”, sagt Claudine Allemann, eine der beteiligten Wissenschaftlerinnen, gegenüber swissinfo.ch.

“Einige Fleischprodukte, vor allem die Luft getrockneten, sind sehr salzhaltig. Aber wenn man sie nicht täglich isst, hat es nur geringe Auswirkungen.”

Öffentliche Akzeptanz

Weniger Salz in Cervelats und Convenience Food, wie Fertigmahlzeiten auf Neudeutsch heissen, fände ebenfalls eine gewisse Akzeptanz, sagt Allemann. Salz ist ein sehr verbreiteter und günstiger Zusatzstoff zum Würzen der Produkte. Im Allgemeinen bevorzugen die Konsumenten salzhaltige Nahrung, sagt die Wissenschaftlerin.

Aber meistens lasse sich der Salzgehalt reduzieren, ohne dass es den Konsumierenden nicht mehr schmecke. 21% des Salzkonsums fällt bei den Schweizern auf die Einnahme von Brot und Gebäck zurück.

Fleischprodukte sind für 14% der Salzaufnahme verantwortlich, Käse und Käseprodukte für 7,5% und verarbeitete Nahrungsmittel – inklusive Fertigmahlzeiten und Frühstücks-Getreide – für 34%. Rund 12% steuern Getränke sowie unverarbeitete Produkte wie Gemüse, Früchte, Fisch bei.

Salz im Gebäck

Salz verleiht dem Brot Geschmack und unterstützt den Backprozess, indem es die Struktur, das Gewebe und die Farbe des Teigs beeinflusst. Die Bandbreite der Dosen, welche die Schweizer Bäcker verwenden, reicht von 1,2 bis 2,3% des Endprodukts, und sie zeigt auch das Sparpotential auf.

In den Konsumententests des HAFL-Sensoriklabors akzeptierten die meisten Versuchspersonen Weizengebäck mit einem um 15% verringerten Salzgehalt. Die Wissenschaftler setzten ein Maximalziel von 20 Gramm Salz pro Kilo Mehl, oder 1,5% fürs Brot.

Grosse Nahrungsmittel-Produzenten wie Nestlé und Grossverteiler wie Migros und Coop haben sich bereit erklärt, den Natriumgehalt in einigen ihrer Produkte zu reduzieren.

Coop gibt an, in seinen Broten nicht mehr als 1,5% Salz zu verwenden. Ab 2009 hat Migros damit begonnen, den Salzgehalt im Brot zu reduzieren. Im letzten Jahr verpflichtete sich der Detaillist dies bei weiteren 171 Produkten zu tun. “Der Salzgehalt in Suppen, Teigwaren, Pizzen und Fertigprodukten wird bis spätestens Ende 2012 reduziert sein”, teilt der Grossverteiler mit.

2010 kündigte Nestlé an, dass es den Natriumgehalt in seinen verarbeiteten Nahrungsmitteln in den nächsten 5 Jahren um 10% senken werde. Aber für kleinere Unternehmen wie Familien eigene Bäckereien, stellen Salzreduktionen hohe Hürden dar.

“Es ist nicht so einfach. Eine Änderung der Rezepturen ist kostspielig. Und falls der Salzgehalt oder das Nährstoffprofil auf der Verpackung aufgedruckt ist, muss diese angepasst werden”, sagt Allemann.

Empfohlene Menge

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie beträgt der durchschnittliche Salzkonsum der Schweizer Bevölkerung pro Tag 9,1 Gramm und liegt damit deutlich über der Tagesdosis von maximal 5 Gramm, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt.

Die Gesundheitsbehörde sagt, dass Reduktionen im Fall von überhöhtem Blutdruck wichtig seien. Laut Experten treibt zu hoher Salzkonsum den Blutdruck nach oben und dies wiederum erhöht das Risiko auf Herz-Kreislauferkrankungen.

Die Behörden rechnen nicht damit, dass sie das Ziel einer Reduktion auf 8 Gramm pro Kopf und Tag bis Ende 2012 erreichen werden. Dieses Ziel hatte das Bundesamt für Gesundheit in seiner “Salzstrategie 2008 bis 2012” festgelegt.

Greyerzer Käse

Einige traditionelle Schweizer Spezialitäten haben einen schweren Stand. Dazu gehört Greyerzer Käse, nach Mozzarella der zweitbeliebteste Käse in der Schweiz.

“Ein solches Produkt können Sie nicht einfach ändern”, sagte Philippe Bardet, Direktor der Branchenorganisation Gruyère, zu der 175 Käseproduzenten gehören, auf die Frage nach einer möglichen Salzreduktion. “Das Rezept ist AOC (Appellation d’origine contrôlée) geschützt, deren Regeln müssen eingehalten werden”, sagt Bardet gegenüber swissinfo.ch.

Mit einem Salzgehalt von 1,1 bis 1,7% gehört Greyerzer zu den salzigsten Schweizer Käsen. Noch höhere Werte haben importierte Käsesorten wie Roquefort und Feta. Salz wirke als Geschmacksverstärker und konserviere den Käse während der Reifezeit.

Pro Jahr werden, vorwiegend in der Westschweiz, 27’500 Tonnen des Hartkäses hergestellt. Der Hauptrohstoff, die Milch, stammt ausschliesslich von Kühen, denen keine Silage verfüttert wird. Bis der Käse die gewünschte Reife erreicht hat, dauert es je nach erwünschtem Geschmack zwischen fünf und zwölf Monaten.

Auf die Oberfläche wird zusätzliches Salz gestreut, um die Bildung einer Rinde zu erzeugen, gemäss den detaillierten, 22-Seiten umfassenden AOC-Richtlinien. Für andere bekannte Käsesorten wie Emmentaler, Appenzeller und Sbrinz seien die Richtlinien ebenfalls massgebend, sagt Bardet.

Die Wissenschaftlerin Claudine Allemann ist der Meinung, dass sich der Salzgehalt im Greyerzer Käse reduzieren liesse, zumindest in jenen Käsen, in denen dieser über dem Durchschnitt liege. Aber sie sei sich bewusst, dass die Konsumenten Käsevielfalt wünschten.

Trotzdem sollte das beträchtliche Salzreduktions-Potenzial, das die Studie aufzeigt, ausgeschöpft werden, sagt Allemann. “Letztlich zählt die Summe der einzelnen Reduktionen.”

Der Amerikanische Physiologe Lewis Dahl hat 1960 den Zusammenhang zwischen hohem Salzkonsum und Bluthochdruck nachgewiesen.

Es ist das Natrium-Chlorid, welches das Herzinfarkt-Risiko erhöht.

2002 hat die Weltgesundheits-Organisation WHO in einem Bericht Alarm geschlagen. Darin wurde auf die Massnahmen aufmerksam gemacht, welche Finnland ergriffen hatte, um den Salzkonsum der Bevölkerung zu reduzieren. Dort hatte der durchschnittliche Tageskonsum pro Kopf im Jahr 1970 rund 14 Gramm betragen.

In den darauf folgenden Jahren konnte der Konsum um einen Drittel gesenkt werden, dank Sensibilisierungskampagnen, die zu Verhaltensänderungen in der Bevölkerung führten.

Die Sterblichkeitsrate infolge Herzinfarkt sank in der gleichen Periode um 75% bei Erwachsenen unter 65 Jahren.

Erfolgreich waren solche Kampagnen auch in Japan und Belgien. Der Natriumwert in der Schweiz entspricht dem europäischen Durchschnitt. Er ging aber in den letzten 10 Jahren nur geringfügig zurück.

Die historischen Daten sind allerdings nicht zuverlässig.

Männer konsumieren laut jüngsten Erhebungen durchschnittlich 10,6 Gramm Salz pro Tag. Fast jeder dritte Mann hat einen hohen Blutdruck.

Bei den Frauen liegt der Wert bei 7,8 Gramm pro Tag. 19% haben einen überhöhten Blutdruck.

Übergewicht und Fettleibigkeit korrelieren laut der Studie mit hohem Salz-Konsum. Gemäss WHO liegt eine unbedenkliche Menge bei rund 5 Gramm pro Kopf und Tag.

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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