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“Geld kann kreativ sein”

"Wenn ich wirklich eine Strategie verfolgen würde, wäre ich reich": Ruth Waldburger. Keystone

An den Solothurner Filmtagen wird sie mit dem Spezialprogramm "Rencontre" geehrt: Die Filmproduzentin Ruth Waldburger, die in ihrer Karriere Filme von Jean-Luc Godard und Robert Frank produziert und den Schauspieler Brad Pitt entdeckt hat.

1991 ebnete Ruth Waldburger Brad Pitt mit der Hauptrolle in “Johnny Suede” die Weltkarriere und gewann für diesen Film in Locarno den Goldenen Leoparden.

Insgesamt hat Walburger rund 80 Filme produziert. 16 von ihnen werden in Solothurn zu sehen sein.

swissinfo.ch: Was bedeutet Ihnen diese Retrospektive?

Ruth Waldburger: Ich bin ganz einfach zufrieden darüber, dass meine Filme in Solothurn laufen und dass darunter auch Filme sind, die seit Jahren nicht mehr gezeigt worden sind.

Es ist eine Ehre für mich, aber es handelt sich um Filme, die von Regisseuren, Schauspielern und Mitarbeitern gemacht wurden. Ich bin Produzentin und stehe nicht im Mittelpunkt.

swissinfo.ch: Kinder träumen davon, Schauspielerin oder Schauspieler zu werden. Wie sind Sie Produzentin geworden?

R.W.: Zuerst habe ich als Regisseurin gearbeitet, habe dann jedoch schnell gemerkt, dass mich der Beruf der Produzentin am meisten interessiert. Hier hat man die breitesten kreativen Möglichkeiten.

swissinfo.ch: Dennoch: Beim Film gibt es eine Trennung zwischen dem künstlerischen Bereich und dem Geld.

R.W.: Geld kann kreativ sein, das versichere ich Ihnen. Es ist faszinierend, die Filme anzuschauen, die man produziert hat und dabei zu sehen, was aus dem ausgegebenen Geld geworden ist.

Ziel eines Produzenten ist es, dass Geld so auszugeben, dass man es auf der Leinwand sieht. Und das ist eine grosse Herausforderung.

swissinfo.ch: Sie haben in ihrem Katalog sowohl Autorenfilme wie auch Komödien für das breite Publikum.

R.W.: Das hat mich von Beginn weg interessiert. Ich habe mit Autoren gearbeitet, aber mir eines Tages auch gesagt, dass die letzten Schweizer Komödien damals bereits Jahre zurück lagen und dass es an der Zeit wäre, neue zu produzieren.

Das Ganze hat mit meiner Begeisterung zu tun, dahinter steckt keine Strategie. Wenn ich wirklich eine Strategie verfolgen würde, wäre ich reich.

swissinfo.ch: Seit Ihren Anfängen arbeiten Sie mit Jean-Luc Godard zusammen. Auch den neusten Godard – “Film socialisme” – haben Sie produziert. Wie erklären Sie sich diese gegenseitige Treue?

R.W.: Ich habe viel von ihm darüber gelernt, wie man einen Film produziert. Godard ist einer der grössten Produzenten, die ich kennen gelernt habe. Ich habe auch von ihm als Regisseur viel gelernt.

Unsere Zusammenarbeit hat mit dem Film “Passion” begonnen, bei dem ich die Regie führte. Wir kennen uns gegenseitig gut, was unsere Arbeit erleichtert.

swissinfo.ch: Wenn man heute mit Godard einen Film macht, hat man dann noch das Gefühl, für das Publikum zu arbeiten oder arbeitet man nur noch für die Kritik und für die Festivals?

R.W.: Man wendet sich selbstverständlich immer an ein Publikum, wenn auch von Fall zu Fall an ein anderes. Die Filme von Jean Luc Godard verkaufen sich immer noch weltweit. Es gibt ein Interesse von Seiten der Festivals, aber sie verkaufen sich auch auf DVD.

Meine 15-jährige Tochter hat kürzlich “A bout de souffle” entdeckt und ist so begeistert von diesem Film, wie ich es damals war. Das wird auch in dreissig Jahren so sein.

swissinfo.ch: Eine erstaunliche Episode in Ihrem Werdegang ist der Film ” Johnny Suede” von Tom DiCillo mit dem jungen Brad Pitt.

R.W.: Ich habe Tom DiCillo durch Jim Jarmusch kennen gelernt. DiCillo war auf der Suche nach einem Produzenten für seinen ersten Film, da er in Amerika kein Geld gefunden hatte. Ich war in Amerika in den Ferien und habe das Drehbuch gelesen. Es hat mir sehr gefallen.

Danach haben wir ein Casting durchgeführt. Dreissig junge Schauspieler haben sich vorgestellt – und es war für mich und für Tom DiCillo sofort klar, dass Brad Pitt die Rolle bekommen würde. Er war bereits damals ein grosses Talent.

swissinfo: Was bedeutet es für Sie heute, Brad Pitt entdeckt zu haben?

R.W.: Nichts.

In Herisau (Kanton Appenzell Ausserrhoden) geboren und dort aufgewachsen.

Seit 1970 lebt sie in Zürich,

wo sie zunächst Sekretärin und Produktions-Assistentin beim Schweizer Fernsehen war.

1977 begann sie ihre Karriere in der Filmbranche als Stagiaire/Aufnahmeleiterin beim Film “Messidor” von Alain Tanner.

1982 wurde sie Mitinhaberin der Xanadu Film und arbeitet seither als Fimproduzentin.

1988 gründete sie ihre eigene Produktionsfirma Vega Film.

Die 46. Ausgabe findet vom 20. bis 27. Januar statt.

Nach 170 selektionierten Filmen in der Sparte “Forum Schweiz” im Jahr 2010 schafften es heuer nur 142 ins Programm.

An der Produktion liegt es kaum: Eingereicht wurden 379 Streifen (2010: 332).

Die Filmtage versprechen sich von der Reduktion mehr Raum für die ausgewählten Filme, die jetzt alle zweimal gezeigt werden.

Mindestens drei Streifen haben grosse Aufmerksamkeit bereits im Vorfeld auf sicher:

– “Manipulation” von Pascal Verdosci mit den Stars Klaus Maria Brandauer und Sebastian Koch in den Hauptrollen wird am 20. Januar am Eröffnungsabend gezeigt, an dem traditionsgemäss die Bundespräsidentin die Filmtage besucht.

– “Picco” mit dem Zürcher Schauspieler Joel Basman wird erst ab 16 Jahren zu sehen sein – die Altersbeschränkung ist eine Premiere in der Geschichte der Filmtage. Der Film des deutschen Regisseurs Philip Koch, der in der Sparte “Passages” für ausländische Werke läuft, handelt von einem brutalen Mord in einem Jugendknast.

– Grosse Erwartungen weckt “La dernière fugue” von Léa Pool. Als einziger Beitrag wurde der Streifen über einen an Parkinson leidenden Patriarchen für beide grossen Preise der Filmtage – “Prix du Public” und “Prix de Soleure” – nominiert.

Die Träger werden im Rahmen einer “Soirée de clôture” am 27. Januar bekannt gegeben.

Am Mittwoch, 26. Januar, findet in Anwesenheit von Kulturminister

Didier Burkhalter die Nacht der Nominationen statt, in der verkündet wird, wer sich Hoffnungen auf den Schweizer Filmpreis Quartz machen darf. Dieser Preis wird Mitte März in Luzern verliehen.

(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)

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