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“Mit Vernunft zu weniger Energieverbrauch”

Auch im Bereich Beleuchtung ist noch einiges an Sparpotenzial vorhanden. Keystone

Schweizerinnen und Schweizer geniessen einen immer höheren Lebensstandard. Doch dieser geht einher mit immer mehr Energieverbrauch. Ein Dilemma?

Es gebe einen Ausweg ohne Verzicht, meint der Schweizer Energieexperte Michael Kaufmann. Sein Zauberwort heisst Energieeffizienz.

Das Ziel ist hoch gesteckt: Der überdurchschnittliche Schweizer Lebensstandard soll mit weniger Energieverbrauch als bisher aufrecht erhalten bleiben.

Kämpfer an vorderster Front ist Michael Kaufmann, Vizedirektor des Bundesamts für Energie und Leiter von EnergieSchweiz, dem Programm für Energieeffizienz und erneuerbare Energien.

“Energieeffizienz bedeutet, dass man mit möglichst wenig Energieaufwand, also möglichst wenig Input an Energie, möglichst viel Arbeit und Leistung herausholt”, sagt er gegenüber swissinfo.

Konkret heisst das: “Wir haben heute Technologien zur Verfügung, die bei der gleichen Leistung, die durch eine Maschine, ein Fahrzeug oder ein elektrisches Gerät erbracht wird, nur noch mit dem halben Energieaufwand die gleiche Leistung erbringen.”

Jedes Jahr mehr

Eine effizientere Nutzung der produzierten Energie ist angesichts der globalen Erwärmung dringend nötig. Denn jedes Jahr verbraucht die Schweiz mehr Energie.

2005 waren es über 890’000 Terajoule (TJ). Ein Begriff, der etwas abstrakt ist, weil er verschiedene Energieträger zusammenfasst, deren Anteil am Energieverbrauch nicht mit der gleichen Masseinheit angegeben wird.

Ein TJ entspricht 280’000 Kilowattstunden (KWh), womit die Schweiz 2005 also 250 Milliarden KWh Energie verbraucht hat. Pro Person macht das fast 42’000 KWh. Gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme von 1,3%.

Gebäude, Fahrzeuge, Geräte

Das grösste Sparpotenzial sieht Kaufmann beim Hausbau. Mit Minergie- oder Passiv-Häusern könne zwischen 50 und 80% der bei konventionellen Häusern benötigten Energie eingespart werden.

Aber auch in den Bereichen Fahrzeuge und Elektrogeräte könne jede und jeder Einzelne etwas gegen Energieverschwendung tun, betont er. Auch wenn beispielsweise einige der Geräte mit einem A, A+ oder A++ auf der Energieetikette heute noch etwas teurer sind.

“Wenn man langfristig über die Lebensdauer eines Gerätes rechnet, werden diese Mehrkosten längstens kompensiert: Durch den geringeren Energieverbrauch, der Energiekosten spart”, betont der Experte.

Im Bereich der Elektrizität könnte so allein mit dem Einsatz der besten verfügbaren Technik rund ein Drittel weniger Energie verbraucht werden. Dies hat die Schweizerische Agentur für Energieeffizienz (S.A.F.E.) basierend auf den Zahlen von 2005 ausgerechnet.

Standby vermeiden

Doch um Energie zu sparen, müssen nicht einmal immer die effizientesten Geräte angeschafft werden. Oftmals würde sogar ein Knopfdruck genügen, um beispielsweise den Standby-Betrieb vieler Geräte zu unterbrechen.

Viele Geräte in der Schweiz sind ständig auf Abruf bereit und verbrauchen dabei rund 2/3 der Energie, die sie im Vollbetrieb benötigen. Hier möchte EnergieSchweiz einen Hebel ansetzen.

“Es stellt niemand freiwillig ein Gerät ab”, so Kaufmann. “Der Strom ist ja auch nicht so teuer.” Darum brauche es Hilfsmittel, technische Lösungen, um dem Standby Herr zu werden. Oder Stromschienen, mit denen ein ganzes Arsenal von Geräten mit einem Knopfdruck vom Netz genommen werden kann.

Auch Wirtschaft gefordert

Doch noch ist die Schweiz weit davon entfernt, eine Energiespar-Nation zu werden. Dafür ist auch ein Mitziehen der Wirtschaft nötig, wie Kaufmann betont.

Er sieht grosse Verbesserungs-Möglichkeiten im Bereich der Produktion. “Mit effizienten Motoren, Steuergeräten, Druckluft haben wir riesige Sparpotenziale.”

Um den CO2-Ausstoss der Wirtschaft (jährlich rund 10 Mio. Tonnen) zu senken, laufen neben der vom Parlament beschlossenen CO2-Abgabe gegenwärtig verschiedene Programme.

“Wir sehen, dass die Wirtschaft heute ebenfalls in diese Richtung geht und ganz klar auf Reduktion des Energieverbrauchs hin arbeitet.”

Kein Verzicht

Sparen ja, aber von Verzicht will Kaufmann nichts hören. Es sei möglich, in der Schweiz den heutigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten, meint er. Für ihn eine Frage der Einstellung: “Ich möchte nicht Verzicht predigen, sondern intelligentes, vernünftiges Verhalten.”

Im Vergleich zu andern Ländern stehe die Schweiz recht gut da, so der Experte. Doch genau bei der hohen Lebensqualität und Kaufkraft ortet er den Wermutstropfen. “Ein grosser Teil der Energieeffizienz in der Schweiz wird wieder zunichte gemacht – durch Mehrkonsum.”

swissinfo, Christian Raaflaub und Gaby Ochsenbein

Energieverbrauch der Schweiz 2005 (Zu-/Abnahme gegenüber 2004):
Erdölprodukte: 11,8 Mio. Tonnen (t), entspricht 502’890 TJ (+0,5%), Anteil am Gesamtverbrauch in %: 56,5%
Elektrizität: 57’330 Gigawattstunden (GWh), entspricht 206’390 TJ (+2,1%), Anteil: 23,2%
Gas: 30’228 GWh, entspricht 108’820 TJ (+2,7%), Anteil: 12,2%
Holz: 3,845 Mio. m3, entspricht 30’450 TJ (+2,9%), Anteil: 3,4%
Fernwärme: 4447 GWh, entspricht 16’010 TJ (+4,5%), Anteil: 1,8%
Industrieabfälle: 12’050 TJ (+1%), Anteil: 1,4%
Übrige erneuerbare Energien: 2292 GWh, entspricht 8250 TJ (+7,7%), Anteil: 0,9%
Kohle: 210’000 t, entspricht 5580 TJ (-1,2%), Anteil: 0,6%

In der EU hat die Europäische Kommission letzten Herbst ein Energieeffizienz-Programm mit über 70 Aktionen verabschiedet.

Die Schweizer Regierung setzt ihre Priorität im Rahmen der neuen Energiestrategie auf die Energieeffizienz.

Das Parlament hat im Rahmen des neuen Energiegesetzes klare Effizienzziele verabschiedet.

Ende Jahr wird das BFE sein Effizienzprogramm vorstellen und Ziele vorgeben sowie Massnahmen vorschlagen.

EnergieSchweiz hat ab 2008 jährlich 16 Mio. Franken zur Verfügung, um Effizienzmassnahmen zu fördern.

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