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“Todespfleger” von Luzern vor Gericht

Das Pflegeheim "am Schärme" ist eines der betroffenen Heime. Keystone Archive

Mit dem Prozess gegen den Todespfleger von Luzern ist der bisher schwerste Fall von Serientötungen der Schweiz vor Gericht verhandelt worden.

Die Anklage fordert für den 36-jährigen Pfleger wegen Mordes und vorsätzlicher Tötungen 17 Jahre Zuchthaus. Die Verteidigung bestreitet den Mordvorwurf.

Der Krankenpfleger hatte kurz nach seiner Festnahme gestanden, im Luzerner Betagtenzentrum Eichhof neun an Demenz erkrankte Menschen umgebracht zu haben.

Am 11. September 2001 gaben die Behörden bekannt, dass der Mann zwischen 1995 und 2001 insgesamt 24 betagte Frauen und Männer in diversen Heimen in der Zentralschweiz umgebracht haben soll.

Drei weitere Bewohner von Alters- und Pflegeheimen soll der Angeklagte zumindest zu töten versucht haben.

19 betagte Menschen soll der Angeklagte vorsätzlich getötet und fünf ermordet haben. 23 Opfer waren Frauen. Alle Opfer waren zwischen 66 und 95 Jahre alt.

Die Staatsanwaltschaft fordert 17 Jahre Zuchthaus.

Aus Mitleid?

Verhaftet wurde der Krankenpfleger “auf gut Glück und ohne jeden Beweis”, wie die Polizei damals sagte. Doch fielen den Angestellten im Altersheim, in dem der Angeklagte damals seit rund sechs Monaten arbeitete, mehrere seltsame Todesfälle innert kurzen Zeiträumen auf.

Nach der Verhaftung dehnten die Behörden ihre Untersuchung auf weitere Pflegeheime aus, in denen der Mann gearbeitet hatte. Fünf Körper wurden exhuminiert. Die Polizei stiess daraufhin auf 12 verdächtige Todesfälle in einem Altersheim in Sarnen, Kanton Obwalden.

Der Angeklagte sagte gegenüber der Polizei, dass er aus Mitleid gehandelt habe. Weiter sagte er aus, er und seine Kolleginnen und Kollegen seien mit Arbeit überlastet gewesen. Auch habe er oft ungute Gefühle den Heimbewohnern und Heimbewohnerinnen gegenüber empfunden.

Das psychiatrische Gutachten weist darauf hin, dass der Krankenpfleger wusste, was er tat, dass er zurechnungsfähig sei und demnach am Prozess teilnehmen könne.

Luzern hat reagiert

Die Stadt Luzern hat auf die Serientötung reagiert. Ruedi Meier, der zuständige Sozialdirektor, sagte gegenüber swissinfo, dass die Supervision und die Weiterbildung in den Alters- und Pflegeheimen ausgebaut worden sei. Weiter sei mehr Personal angestellt worden, um die Arbeitszeiten der Angestellten zu reduzieren.

“Die Angestellten waren geschockt über das, was vorgefallen ist.” Sie hätten sich nie vorstellen können, einen sogenannten “Todesengel” als Kollegen zu haben, sagte Meier.

“Das alles hat nichts mit Sterbehilfe zu tun, das war Mord”, fügte er bei.

Euthanasie-Debatte

Beim Prozess in Luzern handelt es sich um den bisher grössten Fall von Patiententötung in der Schweiz. Er findet zu einer Zeit statt, in der die Debatte um die Sterbehilfe in der Schweiz und anderswo voll im Gang ist.

Aktive Sterbehilfe ist in der Schweiz verboten. Passive Sterbehilfe allerdings kann in bestimmten Fällen und unter Leitung von Fachpersonen vorgenommen werden. Neuste Studien zeigen, dass die Schweiz in Europa am meisten Fälle von passiver Sterbehilfe aufweist.

Einem Bericht der Universität Zürich aus dem Jahr 2003 zufolge haben sieben von zehn unheilbar kranken Menschen ihrem Leben durch passive Sterbehilfe ein Ende gesetzt.

swissinfo und Agenturen

Ein 36 Jahre alter Krankenpfleger wird beschuldigt, 24 alte Menschen in Heimen umgebracht zu haben.
Drei weitere Bewohner soll er zu töten versucht haben.
Die Taten fanden in einem Zeitraum von rund sieben Jahren statt.
Der Mann wurde 2001 verhaftet.

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