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11. AHV-Revision erneut am Start

Rund anderthalb Jahre nach Ablehnung der 11. AHV-Revision durch das Volk bringt die Landesregierung eine neue Vorlage ins Parlament.

Die Reaktionen von politischen Parteien und Verbänden fallen eher ungnädig aus.

Anderthalb Jahre nach dem Volks-Nein zur 11. Revision der Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV) hat der Bundesrat am Mittwoch seinen Plan B verabschiedet. Er will das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 Jahre erhöhen und ärmeren Arbeitern die frühzeitige Pension ermöglichen. Die AHV würde um 341 Mio. Franken pro Jahr entlastet.

Das Scheitern der 11. AHV-Revision an der Urne im Mai 2004 sei kein Auftrag gewesen, nichts zu tun, sagte Bundesrat Pascal Couchepin. Auch habe die Notwendigkeit für Revisionen keineswegs nachgelassen.

Schwindende liquide Mittel

Der AHV-Fonds werde schon im Jahr 2011 auf unter 70% einer Jahresausgabe sinken und dann noch weiter abnehmen. Noch drastischer stelle sich die Situation unter Einbezug der Schulden der Invalidenversicherung (IV) dar, sagte Couchepin.

Faktisch werde die AHV bis Ende 2010 nur noch über liquide Mittel in der Höhe von rund 15 bis 20% einer Jahresausgabe verfügen.

Kurz- und langfristige Revisionsschritte

Zur Sicherung der AHV hält Couchepin sowohl langfristig wie auch kurzfristig Revisionsschritte für unumgänglich. Die nun vorgelegten ersten Schritte seien ausgewogen und gerecht, sagte er.

Neue Finanzierungsquellen zur langfristigen Konsolidierung der AHV-Finanzen oder andere wichtige Änderungen sollen voraussichtlich 2008 in der 12. AHV-Revision vorgelegt werden.

Die nun vorgelegte Neuauflage der 11. Revision sieht einerseits das einheitliche Rentenalter 65 für Frauen und Männer vor, wie dies schon in der abgelehnten Vorlage der Fall war.

Zudem sind flexiblere Möglichkeiten beim Vorbezug oder Aufschub der Altersrente innerhalb des geltenden Rechts vorgesehen. Verzichtet wird dagegen auf die Aufhebung der Witwenrente für kinderlose Frauen.

“Vorruhestandsleistung”

Eine zweite Botschaft bringt zudem die Einführung einer so genannten “Vorruhestands-Leistung”. Damit soll bestimmten Bedürftigen ein flexibler, auch teilweiser Altersrücktritt ermöglicht werden. Anspruchsberechtigt sollen Personen sein, die heute faktisch von der Frühpensionierung ausgeschlossen sind, weil sie die damit verbundenen Leistungseinbussen nicht verkraften können und trotzdem noch keine Ergänzungsleistungen bekommen.

Unter dem Strich bringt die Vorlage für die AHV damit Einsparungen von 341 Mio. Franken pro Jahr. Die Erhöhung des Frauenrentenalters und die Vorruhestands-Leistungen sind aneinander gekoppelt, so dass nur beide Botschaften zusammen oder aber gar keine in Kraft treten kann.

Revision schon jetzt unter Beschuss

Wie die Reaktionen der Parteien zeigen, wird die Revision im Parlament höchst umstritten sein. Die Sozialdemokratische Partei (SP) und die Gewerkschaften kritisieren die neuen Revisionspläne als einseitiges Abbauprojekt. Die Vorruhestands-Leistungen seien ein blosses Notpflästerchen und nur eine Leistung für die Ärmsten der Armen.

Der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) hingegen ist der Spareffekt nicht gross genug, und die Schweizerische Volkspartei (SVP) schoss scharf gegen die Vorruhestands-Regelung. Damit werde der Arbeitsanreiz für ältere Menschen erneut reduziert.

Auch der Versicherungsverband will sich gegen die 350 Mio. Franken pro Jahr für Vorruhestands-Leistungen zur Wehr setzen.

swissinfo und Agenturen

Das Schweizerische Sozialversicherungs-System ist auf drei Säulen aufgebaut.:

Die erste Säule wird gebildet aus der Alters- und Hinterlassenen-Versicherung AHV, der Invalidenversicherung (IV) und der Verbindung mit den Ergänzungsleistungen (EL). Sie soll den Existenzbedarf decken und ist obligatorisch.

Aus der Pensionskasse, der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) und dem Unfallversicherungs-Gesetz (UVG) wird die zweite Säule gebildet. Zusammen mit der AHV soll sie mindestens 60% des zuletzt bezogenen Lohnes absichern.

Die dritte Säule ist die freiwillige Selbstvorsorge, das Sparen also. Im Unterschied zum herkömmlichen Sparen ist sie teilweise steuerlich begünstigt.

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