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40 Jahre für den Dialog der Religionen

Der Vatikan steht mit dem Schweizer Theologen Hans Küng weiter auf Kriegsfuss (Bild aus dem Jahr 2000). Keystone Archive

Dialog statt Abgrenzung, so das Credo des Schweizer Theologen Hans Küng. Sein Institut für Ökumenische Forschung an der deutschen Universität Tübingen feiert sein 40-jähriges Bestehen.

Der Vatikan, bei dem Küng in Ungnade gefallen ist, sendet auch zum Jubiläum keine Signale zu einer Versöhnung aus.

Er gehört zu den bekanntesten Schweizern überhaupt: Der katholische Theologe Hans Küng, der im vergangenen Jahr seinen 75. Geburtstag feierte und in seiner Laufbahn mit zahlreichen Preisen bedacht wurde.

Dieses Jahr hätte Küng gleich wiederum Anlass zum Feiern: Das Institut für Ökumenische Forschung an der deutschen Universität Tübingen, dessen Gründer er ist, begeht am Montag das 40. Jahr seines Bestehens.

“Hätte”: Das Wort ist mit Bedacht gewählt, denn das Ziel von Küngs Wirken, ein Dialog zwischen den Religionen, ist auch heute, nach jahrzehntelangen Bemühungen Küngs, nicht in Sicht. Dabei wäre eine solche Verständigung laut dem prominenten Lehrer und Publizisten eine Grundlage für den Weltfrieden.

Popularität dank Verbot aus Rom

Der Anlass zu Küngs weltweiter Bekanntheit war 1979 ein Bann aus Rom: Damals hatte ihm der Vatikan ein kirchliches Lehrverbot auferlegt, weil Küng es gewagt hatte, die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen in Zweifel zu ziehen.

Küng aber liess sich vom Streit mit dem mächtigen Gegner nicht entmutigen. Mit unveränderter Vehemenz trägt er seine Botschaft Dialog statt Diktat, Öffnung statt Abgrenzung in die Welt hinaus.Das Institut für Ökumenische Forschung ist ihm dabei die institutionelle Basis für seine Tätigkeit.

Verpasste Gelegenheit

Wenn Küng sich zu aktuellen Themen wie dem Krieg in Irak und dem Konflikt der Religionen äussert oder an das ethische Gewissen der multinationalen Konzerne in einer globalisierten Wirtschaft appelliert, erzielt er als ausgezeichneter Kommunikator und vielbeachteter Autor eine grosse Resonanz. Wenn er sich aber für seine Rehabilitierung als Kirchenlehrer einsetzt, stellt sich Rom taub.

Im vergangenen Jahr, anlässlich seines Geburtstages, hatte sich Küng im Gespräch mit swissinfo noch hoffnungsvoll über eine mögliche Versöhnung mit der Kurie geäussert. Doch davon kann auch heute keine Rede sein. Dabei wäre das Jubiläum seines Instituts eine Gelegenheit dazu.

Zwar will der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, am Festakt am Montag ein Grusswort sprechen. Eine Friedensbotschaft aus dem Vatikan wird er aber kaum im Gepäck haben.

Frei durch Abkoppelung

Nach Küngs Verbannung aus der Lehrtätigkeit Ende der 70er Jahre wurde sein Tübinger Institut aus der Katholisch-Theologischen Fakultät ausgegliedert, blieb aber eine Forschungs- und Lehrstätte der Universität.

Diese Konstruktion bot dem streitbaren Theologen viele Vorteile: Lästige Gremienarbeit und umfangreiche Prüfungsverpflichtungen blieben ihm als Professor erspart.Er konnte sich auf seine eigenen Projekte konzentrieren, zum Beispiel auf die Stiftung Weltethos für einen Frieden unter den Religionen.

1996, als Küng in den Ruhestand trat, kehrte sein Institut in die Fakultät zurück. Damals hatte die Katholisch-Theologische Fakultät der Uni Tübingen zu seinem Abschied die volle Rehabilitierung Küngs gefordert.

“Doch dazu gehören zwei Seiten”, war die Antwort der Kirchenleitung. Solange Professor Küng nicht einen Millimeter von seiner harschen Kirchenkritik abrücke, sei ein Ende des Konflikts nicht in Sicht.

Weitgehend wirkungslos?

Was hat all die jahrzehntelange Forschungsarbeit im Tübinger Institut unter dem Strich gebracht? Der ökumenische Dialog der Konfessionen und Religionen ist längst ins Stocken geraten. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Memoranden fristen ein Dasein in den Archiven.

Doch Küng gibt nicht auf: Längst sei erwiesen, dass eine Abendmahlsgemeinschaft von Katholiken und Protestanten theologisch zu verantworten sei, sagt er. Doch davon nehme die Kirchenleitung nicht einmal Kenntnis. “Dann kann einen schon die Wehmut überkommen, wenn man von Rom nur ökumenische Worte und keine ökumenische Taten erfährt.”

“Geistliche Diktatur”

Dabei ist der Chef-Ökumeniker in Rom ein ehemaliger Schüler des heute 76-Jährigen: Walter Kasper war 1960 Küngs wissenschaftlicher Assistent; später wurde er Rottenburger Bischof. Jetzt leitet Kasper als Kurienkardinal den Päpstlichen Einheitsrat.

Auch Kasper ist mitgemeint, wenn Küng der römischen Kirchenzentrale eine “geistliche Diktatur” und ein “autoritäres System” vorwirft, das keinen Widerspruch erlaube. Selbst der Stuttgarter Ortsbischof Gebhard Fürst habe nicht einmal “den Mut zu sagen, dass ich ein katholischer Theologe bin”, so Küng.

Kontroversen

Küngs Kritiker sitzen aber nicht nur in Rom. Kollegen werfen gerade angesichts seines Weltethos-Projekts populärwissenschaftliche Verkürzungen und ein ausuferndes Gesamtwerk vor. Zudem äussere er sich zu allen möglichen theologischen und nicht-theologischen Themen.

Insgeheim beneiden sie Küng aber auch wohl wegen seiner Medienwirksamkeit. Kein anderer deutschsprachiger Uni-Theologe ist in der internationalen Politik so angesehen. Selbst UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat sich zu Küng bekannt, als er im vergangenen Dezember anlässlich Küngs Geburtstages eine Rede gehalten hatte.

swissinfo und Agenturen

Hans Küng wurde 1928 in Sursee im Kanton Luzern geboren.

Er studierte Philosophie und Theologie in Rom und Paris und wurde 1954 ordiniert.

1962 ernannte ihn Papst Johannes XXIII zum offiziellen Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils, das bis 1965 dauerte.

Er lehnte 1971 in seinem Buch “Unfehlbar? Eine Anfrage” als erster wichtiger römisch-katholischer Theologe die Doktrin der päpstlichen Unfehlbarkeit ab.

1979 wurde ihm sein Lehrauftrag entzogen.

Von 1960 bis zu seiner Pensionierung 1996 war Küng Professor für Ökumenische Theologie und Direktor des Instituts für Ökumenische Forschung der Universität Tübingen.

Er ist Gründer und Präsident der Stiftung Weltethos.

2001 erhielt er den “Planetary Consciousness World Leaderhsip Award” des Club of Budapest. Ausgezeichnet wurde Küng für den Einsatz für einen interreligösen Dialog.

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