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Alpen stehen vor düsterer Klimazukunft

Gletscherschwund: Der Triftgletscher im Berner Oberland zog sich von 2004 auf 2005 um 216 m zurück. Keystone

Die Alpenregionen könnten künftig von Hitzewellen und Dürren am stärksten betroffen sein, sagt der am Karfreitag nach zähen Verhandlungen veröffentlichte zweite UNO-Klimabericht.

Die gravierendsten Auswirkungen liessen sich laut der Umweltschutz-Organisation WWF nur mit einer drastischen Reduktion der Treibhausgase verhindern.

Der vom UNO-Klimabericht prognostizierte Klimawandel werde nicht nur Auswirkungen auf das Wetter haben, sondern auch auf die Lebensbedingungen von Menschen, Tieren und Pflanzen verändern, ist der WWF überzeugt.

Die schlimmsten Auswirkungen liessen sich nur verhindern, indem Industrieländer wie die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2020 verglichen mit 1990 um 30% reduzierten, warnte der WWF.

Daneben seien aber Massnahmen zur Verminderung klimabedingter Schäden nötig. Im Alpenraum gehörten dazu auch Vorkehrungen gegen Hangrutsche und Felsstürze.

Konkrete Angaben für die Schweiz

Der UNO-Bericht beinhaltet erstmals spezifische Angaben über die Folgen des Klimawandels in der Schweiz. So würden sich in den Alpen immergrüne Pflanzen auf Kosten der heimischen Flora ausdehnen und die alpine Vegetation sich in immer grössere Höhen verschieben. Arten, die sich heute in Gipfelbereichen besonders wohl fühlten, seien somit vom Aussterben bedroht.

Nach Meinung des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Englisch: Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC), könnten die Alpen eine der Regionen sein, die von Hitzewellen und Dürren weltweit am stärksten betroffen werden.

Zudem wird erwartet, dass kleine Gletscher verschwinden und grössere bis ins Jahr 2050 um 30 bis 70% zurückgehen werden. In mittleren Lagen verlängere sich die schneefreie Zeit mit jedem Grad Temperaturzunahme um mehrere Wochen.

Bei einer Erwärmung um zwei Grad Celsius und gleich bleibender Niederschlagsmenge rechnet der Klimawissenschaftsrat mit 50 zusätzlichen Tagen ohne Schnee.

So werde sich auch die Zusammensetzung der Lebewesen in der Rhone markant verändern. Anstelle von Kaltwasser-Arten werden sich im Fluss Fische und wirbellose Tiere tummeln, die bisher in wärmeren Gewässern heimisch waren.

Zähe Verhandlungen

Erst nach zähen Verhandlungen haben sich die Vereinten Nationen am Karfreitag auf einen zweiten Klimabericht geeinigt. “Der Text ist verabschiedet”, sagte der Chef der internationalen UNO-Forschergruppe, Rajendra Pachauri, in Brüssel über das Dokument, das die Auswirkungen des Klimawandels auf die unterschiedlichen Weltregionen untersucht.

“Man kann den Fakten nicht entkommen: Die globale Erwärmung wird Hunger, Überschwemmungen und Wassermangel bringen. Arme Länder, die am wenigsten Verantwortung dafür tragen, werden am meisten leiden”, erklärte der Direktor des WWF-Klimaprogramms, Hans Verolme.

So werde die Klimaerwärmung unter anderem zu zunehmendem Hunger in Afrika und zum Abschmelzen von Gletschern im Himalaya führen, heisst es im Bericht.

Nichts zu tun hätte desaströse Konsequenzen, ergänzte Verolme. Die industrialisierten Länder müssten ihre Verantwortung akzeptieren und mit der Lösung des Problems beginnen.

Starker Widerstand

Die Delegierten aus mehr als 100 Ländern hatten bis zum Morgen an den Formulierungen gefeilt. Nach Angaben von Teilnehmern gab es vor allem aus China und den USA Widerstand gegen einige Passagen des Entwurfs.

So hätten die USA darauf gedrungen, dass einige Textstellen gestrichen werden, in denen es darum geht, inwieweit der Mensch mit der Nutzung fossiler Brennstoffe für die Erderwärmung mitverantwortlich ist.

Schweizer Vertreter: “Nützliches Instrument”

Der Bericht des UNO-Klimarates wird vom Schweizer Vertreter José Romero als ein für die Politik nützliches Instrument gewertet. Die Schweiz und die ganze Welt müssten unverzüglich nach Antworten auf den Klimawandel suchen.

Wie auch die Politik bei der Reduktion von Treibhausgasen aussehe, die Auswirkungen seien bereits heute spürbar, sagte der Delegierte für Internationales beim Bundesamt für Umwelt (BAFU). Nun müssten Mittel und Wege
gefunden werden, sich anzupassen.

swissinfo und Agenturen

Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change) präsentiert seinen vierten Klimabericht in drei Teilen. 2500 Forscher und 450 Hauptautoren haben im Laufe von sechs Jahren an dem Bericht gearbeitet.

Die Grundaussage der Forscher lautet: Der Mensch verstärkt den Treibhauseffekt, erhitzt den Planeten mit schwerwiegenden Folgen und muss entschieden gegensteuern.

Teil 1 des Reports behandelt die wissenschaftlichen Grundlagen, etwa die aktuellen und historischen Beobachtungen der Klimaforscher sowie die Vorhersagen der Rechenmodelle über den künftigen Verlauf der Temperatur. Arbeitsgruppe I (“The Physical Science Basis”) legte ihr Resultate am 2. Februar in Paris vor.

Teil 2 hat die Auswirkungen des Klimawandels zum Thema, die möglichen Anpassungen daran und die “Verletzlichkeit des Menschen” durch die beobachteten Änderungen der Temperaturen. Arbeitsgruppe II (“Impacts, Adaptation and Vulnerability”) hat bis Freitagmittag in Brüssel verhandelt.

Teil 3 befasst sich mit den Möglichkeiten des Menschen, den Klimawandel mindestens zu bremsen, und macht entsprechende Vorschläge. Arbeitsgruppe III (“Mitigation of Climate Change”) präsentiert ihre Zusammenfassung am 4. Mai in Bangkok.

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