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Unia warnt Migranten vor übereilter Rückkehr

In Gastgewerbe und Hotellerie arbeiten sehr viele Migrantinnen und Migranten aus EU-Ländern. Keystone

Ab 1. Juli 2007 können sich Migranten aus EU-Ländern, die in ihre Heimat zurückkehren und dort weiterarbeiten, ihr Pensionskassenkapital nicht mehr bar auszahlen lassen.

Die Gewerkschaft Unia informiert jetzt in einer Kampagne, dass sich EU-Pensionäre ihre Guthaben weiterhin in bar auszahlen lassen können.

Neue Bestimmungen in der beruflichen Vorsorge, die im nächsten Jahr in Kraft treten, beunruhigen EU-Migranten in der Schweiz. Die Gewerkschaft Unia befürchtet einen unnötigen Exodus und warnt deshalb in einer Kampagne vor einer übereilten Rückkehr.

Als Folge des Abkommens über den freien Personenverkehr können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus EU-Ländern ab 1. Juni 2007 ihr Pensionskassenkapital bei einer Rückkehr in die Heimat nicht mehr in jedem Fall in bar auszahlen lassen. Dies erklärten Vertreter der Unia und der Botschaften Italiens, Spaniens und Portugals am Montag in Bern.

Betroffen sind aber nur Arbeitnehmer aus der EU, die vor der Pensionierung zurückkehren und in ihrer Heimat weiterhin beruflich tätig sind. Ihre Pensionskassenguthaben in der Schweiz kommen ab 1. Juni 2007 auf ein Sperrkonto und können erst nach Beendigung der Arbeitstätigkeit bezogen werden.

Wer sich aber im Heimatland zur Ruhe setzen will, der kann sich die Guthaben auf dem Vorsorgekonto weiterhin bar auszahlen lassen.

Kein Grund zur Beunruhigung

“Wir werden seit einigen Wochen mit Anrufen von Ratsuchenden bombardiert, die Auskünfte zur bevorstehenden Gesetzesänderung verlangen”, sagt Rita Schiavi, Mitglied der Geschäftsleitung der Gewerkschaft Unia. Viele würden die Frage stellen, ob sie ihre Arbeitsstelle bis Mai 2007 kündigen und in ihr EU-Heimatland zurückkehren sollen.

Ein solcher Entschluss ist aus der Sicht Schiavis jedoch falsch, da die Änderung längst nicht alle Migranten betreffe.

Ein Befund, den auch die Attachés für soziale Sicherheit der Botschaften Italiens, Spaniens und Portugals teilen. Es gebe keinen Grund zur Beunruhigung. Betroffen seien ja bloss die Rückkehrer, die weiterarbeiteten, sagte Sara Centanni, die Vertreterin der italienischen Botschaft.

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Für Pensionierte ändert sich nichts

Pensionierte oder Frühpensionierte, die in ihre Heimat zurückkehrten, könnten sich ihr Pensionkassenkapital auch in Zukunft bar auszahlen lassen, sagte Daniel Dürr, Leiter der Geschäftsstelle Sicherheitsfond BVG. Bedingung dafür sei, dass die Pensionskasse dies in ihrem Reglement vorsehe.

Überobligatorische Altersguthaben könnten zudem in jedem Fall bar ausbezahlt werden. Neu sei es ab 1. Juli 2007 zudem möglich, dass Rückkehrer jeden Alters ihr Pensionskassenkapital für selber genutztes Wohneigentum in der Heimat beziehen könnten.

Kassen informierten falsch

Manuel Matos, Sozialattaché der portugiesischen Botschaft, machte die Pensionskassen für die Verwirrung unter den EU-Migranten verantwortlich. Viele Kassen hätten ihren Versicherten fälschlicherweise mitgeteilt, dass eine Auszahlung des Pensionkassenkapitals ab 1. Juli 2007 überhaupt nicht mehr möglich sei.

Matos befürchtet daher überstürzte Reaktionen der Migranten. Eine Kündigung sei jedoch in zweierlei Hinsicht problematisch: Erstens werde die Altersvorsorge beschnitten und zweitens verlören die Migranten auch ihre Arbeit.

Auch Schweizer betroffen

Betroffen von der Neuregelung sind sämtliche Arbeitnehmer aus EU- Ländern, die in der Schweiz tätig sind. In gleicher Weise betreffen die Bestimmungen jedoch auch Schweizer, die in die EU auswandern. Die Unia will in den nächsten Tagen vermehrt über die Thematik informieren.

Mit Italien, Spanien und Portugal wurden bereits vereinfachte Administrativ-Verfahren für Rückkehrer vereinbart, wie Dürr sagte. Mit den übrigen EU-Ländern wolle man dies gleich aufziehen.

swissinfo und Agenturen

Wer mit 60 Jahren zurückkehren will, also in Pension oder Frühpension geht, kann sein Pensionskassenguthaben weiterhin bar beziehen; wenn die Pensionskasse die Barauszahlung an Stelle von Rente vorsieht.

Anders ist es für jüngere Arbeitnehmer, die vor dem Pensionsalter in die Heimat zurückkehren. Sofern sie im Heimatland weiterhin einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, sind sie dort obligatorisch versichert. In diesem Fall kommt das Altersguthaben auf ein Sperrkonto und kann erst bezogen werden, wenn keine berufliche Tätigkeit mehr ausgeübt wird.

Es gibt aber auch für Arbeitnehmer, die vor dem Pensionsalter in ihre Heimat zurückkehren, die Möglichkeit, das Pensionskassengeld zu beziehen. Wenn sie nämlich im Heimatland ein eigenes Haus oder eine Wohnung bewohnen, kann Pensionskassengeld für den Kauf oder die Ablösung von Hypotheken bezogen werden.

Wer ein Altersguthaben hat, das über das BVG-Minimum hinausgeht, kann sich den überobligatorischen Teil ebenfalls bar ausbezahlen lassen.

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