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Weniger Stipendien für die Auslandschweizer?

Studierende suchen vor einer Vorlesung in einem Hörsaal der Universität Zürich nach einem Sitzplatz. Keystone

Jedes Jahr kommen rund 600 junge Auslandschweizerinnen und -schweizer in die Schweiz, um an einer Hochschule zu studieren. Bezüglich Stipendien ist es für sie schwierig, vor allem für diejenigen, die aus Ländern der Europäischen Union kommen.

Der Verein zur Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (AJAS) will die Situation der auf Stipendien angewiesenen Auslandschweizer-Studierenden verbessern. Angesprochen werden sollen alle Kantone der Schweiz.

Die AJAS hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Leute mit Schweizerpass zu beraten, wenn sie in der Schweiz eine Ausbildung machen wollen.

Gemäss der Einschätzung der AJAS wird die Situation für die Budgets der Studenten schwieriger und schwieriger.

Auf der einen Seite bedauert die AJAS, dass die Kantone, bei denen sich die studierenden Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer um ein Stipendium bewerben müssen, gewissenhafter werden, was die einzureichenden Dokumente und Bestätigungen betrifft.

Der Verein beklagt weiter die Tatsache, dass die Kantone den Bewerbern aus Ländern der Europäischen Union das Leben schwer macht.

Stipendien-Gegenseitigkeit

Dass es für junge Menschen mit Schweizerpass, die in der Europäischen Union wohnen, schwieriger werde, sei eine Tendenz, die man seit dem Inkrafttreten der ersten Bilateralen Abkommens im Jahr 2002 feststellen könne, hält die AJAS fest.

Über den Umweg der bilateralen Abkommen hat die Schweiz nämlich das Prinzip der Gegenseitigkeit in Bezug auf die Stipendien akzeptiert.

Theoretisch müssen die Kantone seither Stipendien (gemäss ihren Richtlinien) an einen beispielsweise französischen Staatsangehörigen, der in der Schweiz wohnt, ausrichten. Gleichermassen sollte auch ein junger Schweizer, der in Frankreich lebt und Stipendien beantragt, von Frankreich Stipendien erhalten, wenn er die Bedingungen erfüllt.

Die Hauptschwierigkeit an diesem System sei, dass es nicht befriedigend funktioniere, bemängelt die AJAS.

“Das Problem sind nicht die bilateralen Verträge. Es ist die Tatsache, dass einige Kantone eine sehr restriktive Logik haben. Sie wollen keine Stipendien mehr an junge Schweizer bezahlen, die in der EU wohnen, wie vorher. Die Mehrzahl der Länder bezahlt in der Realität keine Stipendien, um im Ausland zu studieren”, erklärt Nationalrat Antonio Hodgers (Grüne), Delegierter im Auslandschweizerrat.

Es gäbe zwar löbliche Ausnahmen wie beispielsweise Deutschland, doch sei das Risiko gross, dass die Schweiz ihre “jungen Bürger im Ausland im Stich lasse”.

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Bilaterale Abkommen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Bilateralen Abkommen I und II zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) regeln die bilateralen Beziehungen auf den verschiedensten Ebenen. Die EU ist die wichtigste Partnerin der Schweiz – politisch, kulturell und wirtschaftlich. 1992 hatte das Schweizer Stimmvolk Nein gesagt zu einem Beitritt des Landes zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Seither wird der bilaterale…

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EDK: “System funktioniert”

Gegen diese Anschuldigung verwahrt sich die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), das Gremimum, das die Kantone vereint. “Meiner Meinung nach funktioniert das System gut”, meint Francis Kaeser, der Chef der Abteilung Resorcen bei der EDK.

“Die bilateralen Abkommen und die interkantonale Vereinbarung zur Harmonisierung von Ausbildungsbeiträgen (Stipendien-Konkordat) regeln die Zuständigkeiten. Nun bestimmen die Bilateralen, dass das Land, in dem die Eltern wohnen, für die Ausrichtung der Stipendien zuständig ist.”

Zwar gebe es einige problematische Fälle, besonders in Frankreich, hält Kaeser fest. Er betont jedoch auch, dass in anderen europäischen Staaten wie Finnland oder Schweden junge Schweizerinnen und Schweizer durch das Prinzip der Gegenseitigkeit besser wegkommen, als wenn sie bei ihrem Kanton um Stipendien angefragt hätten.

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EDK

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) ist der Zusammenschluss der 26 kantonalen Regierungsmitglieder, die für Erziehung, Bildung, Kultur und Sport verantwortlich sind. Die EDK ist verantwortlich für die nationale Koordination in sämtlichen Bereichen der Bildungs- und Kulturpolitik.

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Nur noch an Personen im Kanton

Die Kantone Thurgau und Aargau sind die einzigen in der Schweiz, die eine gesetzliche Verordnung eingeführt haben, dass Stipendien ausschliesslich an im Kanton wohnhafte Personen ausgerichtet werden. Die AJAS hat beschlossen, dafür zu kämpfen, dass diese Idee keine weiteren Kreise zieht.

“Der Aargau und der Thurgau haben die Tür doppelt geschlossen. Aber wir verzweifeln nicht, denn andere Kantone haben sie dafür etwas grosszügiger geöffnet”, kommentiert Antonio Hodgers.

Anders analysiert es Francis Kaeser: “Man kann nicht davon reden, dass die Tür geschlossen wird, wenn man die Reglemente noch nicht in Kraft treten lässt. Die Kantone machen, was ihr gutes Recht ist. Gewiss, andere gehen weiter in der Genehmigung von Geldern.”

Im Moment gibt es keine Tendenz dazu, dass die Kantone weniger Geld auszahlen.
Dies obwohl die Eidgenossenschaft im Rahmen des Finanzausgleichs ihre Beiträge gesenkt hat. Dies wird von den Kantonen kompensiert.

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Fünfte Schweiz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Fünfte Schweiz bezeichnet die Gesamtheit der Schweizer Gemeinden im Ausland. Der Begriff Fünfte Schweiz nimmt Bezug auf die vier sprachregionalen Gemeinden der Schweiz (deutsch-, französisch-, italienisch- und romanischsprachige Schweiz). Über 600’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, der grösste Teil in Ländern der Europäischen Union. Ihre Interessen werden durch die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertreten.

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Zehntausende von Jungen betroffen

Um dem Lobbying bei den Kantonen mehr Gewicht zu verleihen, hat die AJAS das Problem der Stipendien dem Eidgenössischen Integrationsbüro unterbreitet. Es ist dafür verantwortlich, den europäischen Integrationsprozess zu analysieren und seine Wirkung auf die Schweiz zu evaluieren.

“Die Erkenntnisse des Integrationsbüros sind die, dass die bilateralen Abkommen die Kantone weder verpflichten noch daran hindern, jungen Schweizern, die im Ausland wohnen, Stipendien zu geben”, sagt Hodgers.

“Die Behauptung, dass die Bilateralen es verhindern, Stipendien an Auslandschweizer auszurichten, ist nicht zulässig. Heute erhalten manche junge Menschen weder die Unterstützung der Schweiz noch diejenige des Landes, in dem sie wohnen”, bedauert er.

Gemäss seinen Schätzungen beträgt die Zahl junger Auslandschweizer, deren Stipendiengesuch in einem Schweizer Kanton abgelehnt wurde, seit 2002 mehrere Zehntausend Personen.

Carole Wälti, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Eveline Kobler)

600 Studierende: Die Schweiz empfängt jedes Jahr ungefähr 600 junge Auslandschweizerinnen und -schweizer, die hier studieren wollen.

Zunahme seit 2005: Gemäss dem Bericht “Internationalität der Schweizer Hochschulen” aus dem Jahr 2005 hat die Anzahl der Auslandschweizer an den Hochschulen seit dem Wintersemester 1990/91 um 31% zugenommen.

Tendenz: Im Vergleich zu den neu eingeschriebenenen ausländischen Studierenden haben Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer abgenommen.

Im Jahr 1990 waren 11,6% der Personen, die aus dem Ausland ins Schweizer Hochschulsystem eintraten, schweizerischer Herkunft. Dieser Anteil ist auf 7,6% gesunken.

Herkunft: Wie bei den ausländischen Studierenden stammt auch der grösste Teil der studierenden Auslandschweizer aus Nachbarländern, namentlich aus Frankreich. Weiter kommen sie vor allem aus den USA und aus Deutschland.

Der Verein zur Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (AJAS) wurde 1962 von der Stiftung für junge Auslandschweizer, der Auslandschweizer-Organisation (ASO) und der Stiftung Pro Juventute gegründet.

Bis 1989 war AJAS in Zürich unter einem Dach mit Pro Juventute. Danach zog die Geschäftsstelle von Zürich nach Bern und wurde administrativ in die ASO integriert. Zur Zeit werden in der Geschäftsstelle von AJAS zwei Personen beschäftigt.

AJAS berät seit mehr als 45 Jahren junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die in ihr Ursprungsland zurückkehren, um hier eine Ausbildung zu machen.

Zu diesem Zweck werden laufend verschiedene Dokumentationen und Informationen zusammengetragen und aktualisiert.

AJAS betreut auch die Stipendiendossiers von Auslandschweizern bei deren Heimatkanton und kann Zusatzstipendien zu den kantonalen Stipendien gewähren.

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