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Stimmen der Fünften Schweiz nicht vernachlässigen

ASO-Präsident Jacques-Simon Eggly und Sarah Mastantuoni, Stellvertreterin des ASO-Direktors. swissinfo.ch

Die Präsidenten der Schweizer Klubs der iberischen Halbinsel trafen sich kürzlich in Madrid, um ihre neuen Vertreter für den Auslandschweizer-Rat, dem Parlament der "Fünften Schweiz", zu wählen.

Zum Treffen im Schweizer Klub waren unter anderen der Schweizer Botschafter in Spanien und der Präsident der Organisation der Auslandschweizer, Jacques-Simon Eggly, eingeladen.

Nach Frankreich, Deutschland, Italien und Grossbritannien hat Spanien eine der grössten Schweizer Kolonien Europas.

Laut Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) waren Ende 2008 23’622 Schweizerinnen und Schweizer auf den Konsulaten eingeschrieben und die Mehrheit übt ihr Stimm- und Wahlrecht aus.

“Nicht zu verachtende Stimmabgaben”

Von den 676’176 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern sind 124’599 oder 24% in den Stimmregistern der Schweiz eingeschrieben.

“Ihre Stimmabgabe ist nicht zu verachten”, betont Jacques-Simon Eggly, Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Als Beispiel erwähnt er die Abstimmung vom 17. Mai: Mit 50,1 gegen 49,9% oder mit nur 5504 Stimmen Mehrheit befürworteten die Schweizer die Einführung des biometrischen Passes; es war eines der knappsten Abstimmungsergebnisse der direkten Demokratie.

“Die Stimmen der Fünften Schweiz waren ausschlaggebend, denn deren Mehrheit stimmte ‘Ja’. Das beweist, dass wir die Stimmabgabe der abwesenden Einwohnerinnen und Einwohner nicht vernachlässigen dürfen”, meint er und sagt zum Schluss: “Die beste Investition für die Schweiz sind die Auslandschweizer.”

Die ASO sieht als eines ihrer wichtigsten Ziele, die Teilnahme der Fünften Schweiz an der nationalen Politik zu erleichtern und zu stärken, beispielsweise mittels eines eigenen Wahlkreises wie es unter anderen Frankreich und Italien kennen.

Eine in diese Richtung weisende Initiative des sozialdemokratischen Nationalrats Carlo Sommaruga fand zwar den Rückhalt im Nationalrat, scheiterte aber im Ständerat.

Gesetz gefordert

Die Organisation möchte das elektronische Stimmrecht für die Wahlen in die Bundesversammlung von 2011 verwirklicht sehen.

Jacques-Simon Eggly zweifelt an dieser Möglichkeit, aber zählt darauf, dass andere Kantone dem Beispiel Genfs folgen werden. Genf führte im vergangenen Februar das elektronische Stimmrecht ein.

Er fügt hinzu: “Wir brauchen ein Gesetz, das die Rahmenbedingungen für die Politik der Fünften Schweiz setzt.” Ein solches Projekt geniesse die Unterstützung von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.

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ASO

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertritt in der Schweiz die Interessen der rund 650’000 Auslandschweizerinnen und -schweizer. Sie informiert die Landsleute im Ausland über das Geschehen in der Schweiz und bietet ihnen eine breite Palette von Dienstleistungen an. Die 1916 gegründete Organisation wird von rund 750 Schweizervereinen und schweizerischen Institutionen in aller Welt getragen.

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Zwei unterschiedliche Profile

In Spanien gibt es ungefähr 20 Schweizer Vereinigungen. Der Schweizer Klub in Madrid organisierte das diesjährige Treffen. Er wurde 1901 an der Strasse Hermosilla der spanischen Hauptstadt gegründet.

Anfangs der 1970er-Jahre erwarb der Klub in Alcobendas, 14 km nördlich von Madrid, ein Grundstück von 25’000 Quadratmetern. Dort teilt er Garten- und Sportanlagen (Schwimmbad, Paddelklub, etc) mit der Schweizer Schule.

1973 zählte der Klub 700 Mitglieder. 85% waren Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, der Rest Unternehmen. Heute sind es noch 280.

“Nur noch die Hälfte der Mitglieder sind Schweizer und von diesen wiederum die Hälfte über 60 Jahre alt”, erzählt dessen Präsident Heinz Dürst, der seit 1958 in Spanien wohnt.

“Vor 100 Jahren bestand das Bedürfnis eines Treffpunkts. Heute sind die Verbindungen viel leichter. Ein Flugticket in die Schweiz ist billiger als die Gebühren für den Klub. Das ist unser Problem”, betont er.

“Viele Jungen geben zu, dass es sich für sie nicht lohnt, eine bis zwei Stunden im Autostau Madrids zu stehen, um hierher zu kommen, wenn sie ein Schwimmbad an der nächsten Ecke haben.”

Das Profil der in Madrid wohnenden Schweizer unterscheidet sich sehr vom Rest, der zum Grossteil pensioniert ist. Die Rentner wählten das angenehme Mittelmeerklima für einen wohlverdienten Ruhestand.

“Die Schweizer, die in Madrid arbeiten, sind in der spanischen Gesellschaft voll integriert. Tatsächlich ist die offizielle Sprache des Klubs Spanisch.”

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Fünfte Schweiz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Fünfte Schweiz bezeichnet die Gesamtheit der Schweizer Gemeinden im Ausland. Der Begriff Fünfte Schweiz nimmt Bezug auf die vier sprachregionalen Gemeinden der Schweiz (deutsch-, französisch-, italienisch- und romanischsprachige Schweiz). Über 600’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, der grösste Teil in Ländern der Europäischen Union. Ihre Interessen werden durch die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertreten.

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Generationenwechsel

Die geringe Teilnahme am Klubleben beunruhigt. “Dieses Jahr hatten wir zum Glück mehr und neue Kandidaten für den Auslandschweizer-Rat “, erzählt Heinz Dürst. Jacques-Simon Eggly freut sich, dass zwei der vier gewählten Kandidaten der neuen Generation angehören.

Adrian Beer und Audrey Ruchet erhielten die meisten Stimmen. Ersterer wurde in Madrid geboren, ist Sohn von Schweizern und ein 43-jähriger Geschäftsmann. Er studierte an der Handelshochschule St. Gallen und spricht fliessend Schweizerdeutsch.

Audrey Ruchet, 24-jährig, wurde in Paris geboren und ist die Tochter eines Schweizers aus Ollon im Kanton Waadt und einer Französin. Eben hat sie an ihrem Wohnort Barcelona einen Magister abgeschlossen und arbeitet in einem multinationalen Unternehmen für erneuerbare Energien.

“Die Schweizer Vereinigung von Barcelona hat ihren Sitz im Stadtzentrum neben der Schweizer Schule”, betont sie. “Diesen Standortvorteil müssen wir ausnützen, um mehr Junge ins Klubleben zu integrieren, z.B. durch gemeinsame Aktivitäten oder mit neuen Kommunikationsmitteln wie einem Blog.”

Das Ziel sei, “ihnen begreiflich zu machen, dass viele politische Entscheidungen – zum Beispiel die Einführung des biometrischen Passes – sie direkt betreffen und dass sie diese Entscheidungen und die Entwicklung ihrer Heimat beeinflussen können.”

In den vergangenen Monaten war die Schweiz Zielscheibe der Kritik. Dies scheint aber das Bild der Spanier vom Alpenland nicht beeinträchtigt zu haben. “Den Durchschnittsspanier interessiert die Stellungsnahme der Schweiz zu verschiedenen Themen nur wenig,” betont Heinz Dürst.

Ein Tennismatch zwischen Federer und Nadal weckt viel mehr Aufmerksamkeit als eine Schlagzeile über das schweizerische Bankgeheimnis. “Wenn es um ein Fussballspiel geht, ist es natürlich noch besser”, sagt der Präsident des Schweizer Klubs von Madrid zum Abschluss.

Belén Couceiro, Madrid, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Spanischen: Regula Ochsenbein)

Dieser Rat ist die höchste Instanz (Parlament) der Auslandschweizer-Organisation. Er vertritt die Interessen aller Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer und ist der anerkannte Gesprächspartner der Schweizer Behörden.

Er trifft sich zweimal jährlich – im Frühling und Sommer – in der Schweiz, um politische Themen zu diskutieren, die die Fünfte Schweiz betreffen und um den Standpunkt der Auslandschweizer bekannt zu geben.

Der Rat hat 130 Mitglieder, welche die Schweizer Kolonien auf der ganzen Welt vertreten, sowie 40 weitere, die in der Schweiz wohnhaft sind.

Die neu gewählten Mitglieder der Schweizer Kolonie in Spanien sind: Adrian Beer (Schweizer Klub Madrid), Audrey Ruchet (Schweizer Gesellschaft Barcelona), Rita Strassmann (Schweizer Klub Costa Blanca) und André Bolliger (Schweizer Klub Madrid).

Die nächste Sitzung des Rats findet anlässlich des 87. Kongresses der Auslandschweizer vom 7.-9. August in Luzern statt.

Insgesamt sind 676’176 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland ansässig; die Mehrheit in Ländern der Europäischen Union.

Die grössten Schweizer Kolonien befinden sich in Frankreich (176’723), Deutschland (75’008), den USA (73’978), Italien (48’147) und Grossbritannien (28’438).

In Spanien sind 23’622 Personen auf den Konsulaten eingeschrieben. Es bestehen ungefähr 20 Schweizer Vereine und Klubs.

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