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Blackout in der Schweiz unwahrscheinlich

Ein Stromausfall wie in Italien sollte im Normalfall in der Schweiz nicht eintreten. Keystone

Noch steht nicht genau fest, was am Sonntag den Stromausfall in Italien verursacht hat. Der Ursprung ist wahrscheinlich in der Schweiz zu suchen, die Ursache für den totalen Blackout aber in Italien.

Ist ein solcher Zusammenbruch auch in der Schweiz möglich? Im Prinzip Nein, sagen Fachleute.

Nach der Häufung grösserer Blackouts (Stichworte US-Ostküste, Kanada, Grossbritannien, Skandinavien und jetzt Italien) hat die Frage, ob es in der Schweiz zu einem totalen Ausfall kommen könnte, auch hier an Brisanz gewonnen.

Aller Voraussicht nach, sagen Experten, müsse man in der Schweiz nicht mit einem solch totalen Stromausfall rechnen, wie ihn Italien am Sonntag erlebte. Allerdings bleibt – wie bei allen Technologien – ein Restrisiko.

Feinmaschiges Netz verhindert grosse Abstürze



Der Unterschied zu Italien liegt nach Angaben der Fachleute darin, dass das Stromnetz in der Schweiz historisch gewachsen und sehr viel engmaschiger ist, als jenes in Italien. Und gut angebunden an die anderen europäischen Stromnetze.

Dazu kommt, dass die Schweiz anders als Italien, eine diversifizierte Stromversorgung hat: Rund 60% Wasserkraft, fast 40% Atomenergie und eine kleine Restmenge alternativer Produktionsformen.

Ein Grossteil der Strom produzierenden Firmen sind zudem in der Schweiz auch heute noch öffentlich-rechtliche Unternehmen. Die Liberalisierung des Strommarktes war im September 2002 vom Stimmvolk verworfen worden. Es herrscht also nach wie vor eine Art Monopol-Situation.

Sicherheit der Versorgungs-Netze

“Die wichtigste Aufgabe der Elektrizitäts-Unternehmen ist heute die Sicherheit des Stromversorgungs-Netzes”, sagt Sebastian Vogler, Sprecher der BKW Energie Bern, die zu den sieben grossen Stromproduzenten im Land gehört.

“Das Versorgungsnetz ist in verschiedene so genannte Regelzonen aufgeteilt”, sagt Vogler gegenüber swissinfo weiter. Im Fall einer Panne könne man dann jeweils sehr rasch einen Teil des Netzes abschalten und so weitere Auswirkungen stoppen.

Das Netzwerk wird von allen Betreibern 24 Stunden am Tag kontrolliert. Kommt es zu einem Zwischenfall, kommen sofort Monteure zum Einsatz, um den Schaden zu beheben.

Und wenn sich eine Panne auf umliegende Regionen oder die Nachbarstaaten auswirken kann, kommt die Etrans zum Zuge, die Koordinationsstelle der sieben grossen Stromproduzenten. Sie übernimmt die Alarmierung sowohl im Inland wie im Ausland.

Offen blieb auch am Montag die Frage, was denn nun den totalen Blackout in Italien verursacht hatte. Abklärungen sind im Gange.

Vielleicht war es einfach eine Verkettung unglücklicher Zufälle oder Pech, vielleicht trug ein Gewitter in Frankreich zum völligen Zusammenbruch der Stromversorgung in Italien bei – und vielleicht reagierten die Netzregulatoren in Italien nicht rasch genug.

Koordination und Tempo



Denn eines steht fest: Wenn es im europäischen Netzverbund zum Ausfall einer Leitung kommt, sind rasche Reaktion und Kommunikation zwischen den Netzbetreibern von grösster Wichtigkeit. Sekunden können darüber entscheiden, ob es zu einem Zusammenbruch der Stromversorgung kommt oder nicht, denn der “gestaute” Strom muss rasch woanders hin abfliessen können.

Je nach Zwischenfall muss die Stromproduktion an einem Ort rasch erhöht (zum Beispiel durch das Anwerfen von Pumpspeicherwerken) und an einem anderen heruntergefahren werden (Drosseln von Kraftwerken). Damit das Netzwerk weiter funktionieren kann, braucht es auch Reserven, die, wenn nötig, rasch ins Netz gespiesen werden können.

Veraltete und überlastete Infrastruktur

Im Fall Italien funktionierte offenbar dieses Vorgehen nicht, es kam zu einem kaskadenartigen Absturz des gesamten Systems.

Anton Bucher, Direktor des Verbandes Schweizerischer Elektrizitäts-Unternehmen, weist darauf hin, dass der italienische Partner den Stromfluss in einer Situation wie am Sonntag sofort hätte regulieren müssen.

Dass die Stromausfälle in der Schweiz am Sonntag nur kurz anhielten, habe bewiesen, dass die Regulierung hier funktioniere, unterstreicht Bucher. “Offensichtlich konnte Italien die Probleme nicht managen.”

Bucher führte auch an, dass das Netz in Italien praktisch bis an die Kapazitätsgrenzen ausgelastet sei. Dass dem so ist, räumte am Montag auch ein Vertreter des staatlichen italienischen Energie-Unternehmens ENEL ein.

Dennoch, so Bucher, wäre es im Extremfall möglich, dass eine Panne bei einer Leitung zwischen Italien und der Schweiz zu einem totalen Blackout in Italien führen könnte.

50% des importierten Stroms aus der Schweiz

Seit Italien im Zug der Katastrophe von Tschernobyl 1987 den Austritt aus der Atomenergie beschloss und die bestehenden Kernkraftwerke einmottete, ist der Import von Strom kontinuierlich angestiegen und beträgt heute rund 20%. Etwa die Hälfte davon bezieht Italien aus der Schweiz.

Im hydrologischen Jahr 2001/2002 war Italien mit 24’926 Gigawattstunden vor Deutschland mit Abstand der grösste Abnehmer von Schweizer Strom.

Italien sah die Schuld für den totalen Stromausfall auch am Montag noch grösstenteils bei der Schweiz.

Politische Gespräche

Die Schweiz wird wegen des Stromausfalls auch auf politischer Ebene Kontakt mit Italien und Frankreich aufnehmen. Das Bundesamt für Energie (BFE) werde flankierend zu den Kontakten der Strombranche Gespräche mit den Partnerbehörden aufnehmen. Dabei soll es unter anderem um Fragen der Versorgungssicherheit gehen, hiess es am Montag.

swissinfo, Rita Emch

Das Elektrizitätsmarkt-Gesetz (EMG), das im September 2002 in einer Volksabstimmung verworfen wurde, hatte die Gründung einer nationalen Netzgesellschaft vorgesehen. Allerdings war deren Ausgestaltung umstritten.

Nach dem Scheitern des EMG befasst sich nun eine Expertenkommission mit der Ausarbeitung einer Elektrizitätswirtschafts-Ordnung. Damit soll unter anderem die internationale Stellung des Schweizer Elektrizitäts-Marktes im Hinblick auf die vollständige Liberalisierung des Marktes in der EU gesichert werden.

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