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Regierung markiert Einigkeit

Einiger Bundesrat: (v.l.nr.) Micheline Calmy-Rey, Joseph Deiss, Christoph Blocher. Keystone

Ein einig auftretender Bundesrat eröffnet den Abstimmungskampf für die Ausdehnung der Personen-Freizügigkeit auf die neuen EU-Länder.

Die Schweiz sei bestens für diese Art von Öffnung vorbereitet, versichert die Landesregierung.

Zu dritt hat der Bundesrat am Montag die Abstimmungs-Kampagne eröffnet. Er empfiehlt für den 25. September ein Ja, weil er sich davon vor allem wirtschaftliche Vorteile erhofft.

Justizminister Christoph Blocher plädierte vor den Medien in Bern erneut dafür, “das Wagnis zu wagen”. Weil es sich um ein Wagnis handle, sei aber Vorsicht geboten. Deshalb sei die Öffnung mit Sicherheitsmassnahmen verbunden, um Störungen auf dem Arbeitsmarkt möglichst zu unterbinden.

Entgegen der Parole seiner Partei, der Schweizerischen Volkspartei (SVP), vertritt Blocher als Bundesrat ein Ja.

Blocher verwies dabei auf die Kontingente und auf den Inländervorrang, der gegenüber den zehn neuen EU-Ländern bis Ende April 2011 gilt.

Zudem könnte der ganze Prozess 2009 überprüft und die Übung nötigenfalls abgebrochen werden, sagte der Justizminister. Das könnte allenfalls mit einem Volksentscheid passieren.

Ausländergesetz und Arbeitsmarkt

Restriktionen sehe auch das neue Ausländergesetz vor, das Personen von ausserhalb der EU den Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt erschwere, sagte Blocher.

All diese Massnahmen sollten gegen Arbeitslosigkeit und Lohndruck helfen. Doch gebe es keine Garantie gegen eine dennoch wachsende Arbeitslosigkeit.

Blocher warnte vor zu grosser Euphorie. Der Erfolg der Personenfreizügigkeit hänge von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz und in Europa ab. Verlaufe diese positiv, könne sich auch die Personenfreizügigkeit positiv enfalten.

Osterweiterung als Wachstumschance

Die EU sei der weit wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz, sagte Wirtschaftsminister Joseph Deiss. Mit der Osterweiterung werde ihre Bedeutung noch grösser. Damit verbunden sei ein Potenzial von 75 Millionen neuen Konsumenten.

Das Freizügigkeitsabkommen sei aus wirtschaftlicher Sicht das wichtigste Abkommen mit der EU, sagte Deiss. Die Schweiz brauche Arbeitskräfte – qualifizierte wie nicht-qualifizierte.

Die Rekrutierungsmöglichkeiten für geeignete Arbeitskräfte würden das Wachstum fördern und den Wirtschaftsstandort Schweiz stärken.

Deiss stützte seine Argumentation vor allem auf die bisherigen Erfahrungen mit den 15 “alten” EU-Ländern. Er schilderte diese als durchwegs positiv: Kein unerwünschte Zuwanderung, kein schlechter Einfluss auf die Arbeitslosigkeit und kein Lohndumping. Zudem brächten die flankierenden Massnahmen noch eine Verbesserung.

Positive Erweiterung

Was für die Wirtschaft gut sei, sei auch für die Arbeitnehmer gut, sagte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Von einer gesunden Wirtschaftsentwicklung profiterten alle. Für Calmy-Rey ist es deshalb sinnvoll, die Beziehung mit EU zu konsolidieren. Damit sei die Erweiterung der EU auch für die Schweiz positiv.

Calmy-Rey warnte aber vor allem vor den Konsquenzen eines Neins in der Abstimmung. Das würde zu einer Diskriminierung von einzelnen EU-Ländern führen, was die EU womöglich nicht akzeptiere.

Sie könnte dann auch die Bilateralen I kündigen. Das würde den Wirtschaftsstandort Schweiz schwächen. Der Bundesrat müsste die Beziehungen zur EU neu aufbauen mit unklarem Resultat.

Die Bundesräte wurden unterstützt vom Präsidenten der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren und -direktorinnen (VDK), Josef Keller. Er plädierte im Namen der Kantone für die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit.

swissinfo und Agenturen

Über die Ausdehnung des Personenfreizügigkeits-Abkommens sowie die Revision der flankierenden Massnahmen wird am 25. September 2005 abgestimmt.
Das Referendum ist mit 92’901 gültigen Unterschriften zu Stande gekommen.

Mit der Erweiterung der EU um 10 neue Mitglieder am 1. Mai 2004 wurden die bestehenden bilateralen Abkommen Schweiz-EU automatisch auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt.

In einem Zusatzprotokoll wurde eine separate Übergangsregelung in Bezug auf die neuen osteuropäischen EU-Staaten festgelegt: Dieses Übergangsregime sieht eine schrittweise und kontrollierte Öffnung des Schweizer Arbeitsmarktes gegenüber Arbeitskräften aus den neuen EU-Staaten vor.

Arbeitsmarktliche Beschränkungen (Inländervorrang, Kontingente, Kontrolle der Lohn- und Arbeits-Bedingungen) können bis am 30. April 2011 weitergeführt werden.

Das Parlament hat in der Wintersession 2004 das Zusatzprotokoll gemeinsam mit der Revision der flankierenden Massnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping genehmigt.

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