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Der heisseste Sommeranfang seit je

Hitze und Dürre lassen Pflanzen leiden (Mais im Kanton St. Gallen). Keystone

Zu heiss, zu trocken. Die Schweiz erlebt den heissesten Juni seit mindestens 250 Jahren.

Eine Anomalie, welche die Fachleute beunruhigt, die alpinen Ökosysteme bedroht und der Landwirtschaft Probleme bereitet.

36,5° in Genf, 36° in Zürich-Kloten, 34,8° in Lugano: Die Rekordtemperaturen dieses Monats erinnern eher an Nordafrika als an die Schweiz.

Sicher, seit einigen Jahren ist der Beginn einer Hitzeperiode im Juni nichts wirklich Ausserordentliches mehr. Die lange Dauer dieser grossen Hitze jedoch ist es sehr wohl.

In Genf ist zum Beispiel das Thermometer seit dem 29. Mai nicht mehr unter 25° gefallen. Und die ganze Schweiz verzeichnete im Juni 19 Tage mit tropischer Hitze.

Insgesamt lag die Durchschnittstemperatur dieses Monats 6 bis 7° über der Norm in dieser Jahreszeit.

“Es ist der heisseste Juni, seit man 1753 mit den Temperaturmessungen anfing“, stellt Christian Pfister, Professor für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte an der Universität Bern fest.

Globale Erwärmung

Der Juni 2003 geht also als ausserordentlicher Monat in die Geschichtsbücher ein, das Phänomen der Klimaerwärmung als Ganzes jedoch ist auf der ganzen Erde festzustellen.

Im Dezember gab die Weltorganisation für Meteorologie bekannt, dass die zehn wärmsten Jahre seit 1860 alle in die Zeit nach1987 fielen.

Stéphane Bader, Klimatologe bei MeteoSchweiz bestätigt, dass “die Durchschnittstemperaturen in der Schweiz seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts ständig steigen. Und nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter“.

Niemand bestreitet heute ernsthaft, dass die Klimaerwärmung auf den bekannten Treibhauseffekt zurückgeht. Und nur ein paar Wissenschaftler versuchen noch abzustreiten, dass dieser vor allem vom Menschen verursacht wird.

Eine tropische Schweiz

In der Abteilung Geowissenschaften der Universität Freiburg befasst man sich bereits mit der Klimaveränderungen der nächsten 100 Jahre.

Dank einem Supercomputer kann das Team von Professor Martin Beniston Simulationen durchführen, die auf den möglichen Treibhausgaskonzentrationen in der Erdatmosphäre aufbauen.

Und trotz der Bemühungen zur Reduzierung des Ausstosses solcher Gase könnte die Schweiz im Jahr 2100 ein stabiles, aber heisses und trockenes Tropenklima wie in der Provence haben.

Die Alpen von Trockenheit bedroht

Doch bereits jetzt hat die Erwärmung in den Alpen sichtbare Auswirkungen. Die Gletscher schwinden, die Schichten des ewigen Schnees werden immer dünner und die steilsten Abhänge werden instabil.

“In heissen Sommern könnte das Wasser in den Bergen knapp werden“, sagt Pfister voraus.

Denn die Hitze kommt nicht allein. Sehr oft wird sie von Trockenheit begleitet. “Seit Beginn des Frühlings verzeichnen wir ein grosses Defizit an Niederschlägen“, stellt Bader fest.

Die Schweiz hat 2003 bisher nur einen Fünftel der in den Vorjahren in dieser Jahreszeit verzeichneten Niederschlagsmenge erhalten.

Berieselung zum Überleben

Hitze und Trockenheit zusammen haben natürlich Folgen für die Landwirtschaft. Die Bauern müssen in den von der Sonne verbrannten Äckern quasi Blut und Wasser schwitzen.

„Wir wollen nicht dramatisieren, aber die Situation wird jeden Tag prekärer“, erklärt Josef Wuest, Sprecher des Schweizerischen Bauernverbands (SBV).

Einige Gemüsearten leiden sehr unter der Hitze, insbesondere die Bohnen. Aber solange genug Wasser zum Berieseln vorhanden ist, kommen die Landwirte zurecht.

„Seit der schrecklichen Trockenheit im Frühling und Sommer 1976 sind die Schweizer Bauern gut ausgerüstet mit Pumpen und Berieselungsmaterial“, hält Wuest fest.

Hitzetrunkene Reben

Auch die Kartoffel liebt die Hitze nicht.

“Wenn die Temperatur auf über 20 Grad steigt, wächst sie nicht mehr“, erklärt Bernard Messerli von der Agence d’information agricole romande AGIR. „Dieses Jahr werden wir kleinere und weniger Knollen ernten.“

Das Getreide dagegen wächst gut bei grosser Hitze. Geerntet wird damit früher als sonst, aber die Ernte wird weniger hergeben. Die Pflanzen erhalten nicht genug Wasser, die Körner werden kleiner sein als sonst.

Die aus dem Mittelmeerraum stammende Rebe dagegen liebt die Hitze.

In diesem Juni wächst sie ausserordentlich schnell, so dass laut AGIR 2003 die erste Lese bereits Mitte September stattfinden dürfte. Also 2 bis 3 Wochen früher als sonst.

Im Moment jedoch stellt die Hitze den Produzenten von Tomaten und Kirschen Probleme. Die Ernten dieses Frühlings sind so reich, dass sie kaum mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.

Erdbeeren werden knapp

Die tropischen Temperaturen wirken sich auch auf die Früchte- und Gemüseregale bei Coop und Migros aus. Weil die Erdbeer-Ernte mehr als dürftig ausfiel, müssen die Konsumenten 10% mehr bezahlen.

Zum knappen Gut wurde auch der Salat. Deswegen lockerte der Bund kurzfristig die entsprechenden Importbeschränkungen. Ganz ins Wasser, oder eben vielmehr auf ausgedorrten Boden fiel die Coop-Aktion von Bio-Gurken, die kurzerhand gestrichen werden musste.

Gut für den Tourismus

Im Tourismus dagegen hat man nichts auszusetzen an dieser ausserordentlichen Hitzewelle. Sowohl Gastrosuisse, die Dachorganisation für Hotellerie und Restauration, wie Schweiz Tourismus freuen sich über diese vorgezogenen Hundstage.

“Dank der Hitze reisen viele Schweizerinnen und Schweizer nicht ins Ausland, das ist gut fürs Geschäft“, meint man bei Schweiz Tourismus.

Zwar können die beiden Organisationen noch keine genau Zahlen nennen, aber niemand zweifelt daran, dass der Juni ein guter Monat wird.

swissinfo, Marc-André Miserez
(Übersetzung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Der diesjährige Juni ist der Heisseste seit 250 Jahren.

Rekordtemperatur: 36,5° in Genf.

18 aufeinanderfolgende Tage mit tropischen Temperaturen.

Im Durchschnitt war der Monat 6 bis 7° wärmer als normal.

Parallel zur Hitze herrscht akute Trockenheit und Waldbrandgefahr.

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