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Die Schweiz verurteilt den Schatzmeister von Muammar al-Gaddafi

Bashir Saleh Bashir überreicht ein Blatt an Muamma al-Gaddafi
Bashir Saleh Bashir, hier am 1. März 2003 während des Arabischen Gipfels im ägyptischen Sharm el-Sheikh, gehörte zum engsten Kreis des langjährigen libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi. Marwan Naamani/AFP

Bashir Saleh Bashir war einer der engsten Vertrauten des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi, seine Aktivitäten erstreckten sich bis in die Schweiz. Nach mehr als zehnjährigen Ermittlungen wurde der Mann – der sich auf der Flucht befindet – nun von der Bundesanwaltschaft wegen Geldwäscherei und Beteiligung an einer kriminellen Organisation verurteilt.

Rue du Mont Blanc 14, Genf, April 2011: Fedpol-Beamte stürmen die Büros des Treuhandunternehmens Firex Audit & Consulting SA und führen eine Hausdurchsuchung durch. Mehrere Aktenordner werden beschlagnahmt. Darin befinden sich Informationen über die Banken BNP und Crédit Agricole sowie über die Konten der LAP (Suisse) SA mit Sitz in Meyrin.

Das Unternehmen ist eine Schweizer Tochtergesellschaft des Libya Africa Investment Portfolio (LAP). Dieser mächtige libysche Investitionsfonds, mit dem Muammar Gaddafi Einfluss in Subsahara-Afrika ausübte, wird seit 1998 von seinem Kabinettschef und Schatzmeister Bashir Saleh Bashir geleitet.

Die Polizei führte die Hausdurchsuchung durch, weil sie den Schweizer Aktivitäten von Bashir Saleh Bashir und seiner Familie auf der Spur war. Anfang 2011 hatte der Bundesrat nach den Aufständen gegen das libysche Regime angeordnet, sämtliche Vermögenswerte der Gaddafi-Familie und ihrer Getreuen einzufrieren. Im April desselben Jahres hatte die Bundesanwaltschaft nach einer Verdachtsmeldung eines Bankinstituts eine Untersuchung gegen Hussein Saleh Bashir, den Sohn Bashirs, eingeleitet.

Er taucht zwar nicht in der Sanktionsverordnung der Schweizer Regierung gegen Libyen auf, aber die Ermittler:innen des Bundes wollten dennoch mehr über einige verdächtige Transaktionen erfahren. Insbesondere eine Zahlung von rund 2,8 Millionen Franken, die von seinem Vater getätigt wurde, erregte ihre Aufmerksamkeit. Ein Jahr später, im Mai 2012, weitet die Bundesanwaltschaft die strafrechtlichen Ermittlungen auf den Vater aus, da dieser der Geldwäsche und der Beteiligung an einer kriminellen Organisation verdächtigt wird.

2,3 Millionen Franken beschlagnahmt

Nachdem die Bundesanwaltschaft mehrere Personen, darunter Hussein Saleh Bashir, befragt hatte, stellte sie die Ermittlungen gegen den Sohn ein. Die ihn betreffende Teileinstellungsanordnung sah dennoch die Einziehung von Geldern vor, die sich auf einem Schweizer Konto im Namen einer seiner Gesellschaften befanden, abzüglich eines Betrags von 480’000 Dollar. Dies entspricht dem Saldo, der sich auf diesem Konto befand, bevor sein Vater die verdächtigen 2,8 Millionen Dollar überwiesen hatte. Nach Angaben der Bundesstaatsanwaltschaft wurde dieses Geld mit einer kriminellen Organisation in Verbindung gebracht, den “Männern des Zeltes”, einem Machtzirkel Muammar Gaddafis, dem auch Hussein Saleh Bashirs Vater angehörte.

Bashir junior hatte gegen diese Entscheidung beim Bundesstrafgericht (BStGer) Berufung eingelegt. Mit Erfolg. Denn damals hatten die Schweizer Ermittlungen nicht bewiesen, dass sein Vater einer kriminellen Organisation angehörte. Das Gericht in Bellinzona war daher der Ansicht, dass nicht nachgewiesen werden könne, dass sich die strittigen Gelder im Einflussbereich einer solchen Organisation befanden.

Parallel dazu wurden die Ermittlungen jedoch fortgesetzt. Fedpol nahm die Spur von Bashir Saleh Bashir auf, der nach dem Sturz des libyschen Regimes 2011 verschwunden war. Ein Rechtshilfeersuchen wurde an Südafrika geschickt, wohin der Mann offenbar geflohen war. Pretoria antwortete trotz wiederholter Aufforderungen der Schweiz nicht. Dies veranlasste die Bundesanwältin Sophie Chofflon Pointet zu der Einschätzung, dass alle Elemente für eine Verurteilung von Saleh Bashir in seiner Abwesenheit gegeben sind.

Der Strafbefehl über Bashir Saleh Bashir, den Gotham City einsehen konnte, wurde vor kurzem rechtskräftig. Darin wurde der Schatzmeister des Obersts der “Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung” und der “schweren Geldwäsche” für schuldig befunden. Er wurde zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt, dazu wurden 2,3 Millionen Franken beschlagnahmt. Es handelte sich grösstenteils um jene Gelder, die sich auf dem Konto seines Sohnes befanden.

Der “Stift des Chefs”

Im März 2012 hatte Fedpol einen Bericht über das kriminelle Netzwerk der “Männer des Zeltes” veröffentlicht, jenem Kreis von Getreuen Muammar Gaddafis, der Libyen und seine immensen Naturreichtümer mehr als vier Jahrzehnte lang kontrollierte. Für die Schweizer Ermittler:innen wies diese Struktur alle Merkmale einer mafiaähnlichen kriminellen Organisation auf, deren Straftaten nach Schweizer Recht als passive Korruption, Amtsmissbrauch oder ungetreue Geschäftsbesorgung bezeichnet werden können.

Gegründet auf einer Allianz zwischen dem Stamm der Qadhahfa und den verbündeten Stämmen Ourfalla und Magarha, bildeten die “Männer des Zeltes” eine Art Clan innerhalb des Regimes. “Eine Gruppe von Personen, die durch Blut, Bündnisse oder Freundschaft mit dem Revolutionsführer verbunden ist und jahrzehntelang hinter der formalen Fassade eines offiziellen politischen Systems operierte”, heisst es in dem Strafbefehl gegen Bashir Saleh. Die “Männer des Zeltes” hatten somit uneingeschränkten Zugang zu den Ressourcen und der Infrastruktur des libyschen Staates.

Bashir Saleh Bashir war 13 Jahre lang Gaddafis Stabschef. Er hatte den Spitznamen “qalam al-ga’id ” (oder “Stift des Chefs”). Er war derjenige, der die Fäden in der Hand hielt, insbesondere als Geschäftsführer des Investmentfonds LAP. Aus diesem Grund wurde er als “Schlüsselmitglied” der “Männer des Zeltes” identifiziert, insbesondere wegen seiner Rolle als “Finanzmanager”. In dieser Funktion eröffnete er Bankkonten in der Schweiz, um die im Rahmen der kriminellen Aktivitäten der Organisation erlangten Gelder dort zu deponieren.

Eine Spende, um “in die Gastronomie einzusteigen”

Die Ermittlungen ergaben, dass Bashir Saleh Bashir im März 2007 zwei Konten in der Schweiz eröffnet hatte: eines im Namen seines Sohnes, das andere in seinem eigenen Namen. Auf das Konto des Sohnes wurden zwischen April 2007 und Januar 2008 3,8 Millionen Franken überwiesen. Das Geld stammte von ausländischen Konten, die von zwei malischen Fluggesellschaften kontrolliert wurden, die heute nicht mehr aktiv sind. Im selben Zeitraum hatte der LAP-Fonds in verschiedene Luftfahrtprojekte investiert.

Der Grossteil des Geldes wurde anschliessend auf das Privatkonto von Bashir Saleh Bashir überwiesen, der daraufhin 2,8 Millionen auf das Konto seines Sohnes zurücküberwies. Dieser behauptete, das Geld sei ein Geschenk seines Vaters gewesen, um ihm den Einstieg in die Gastronomie zu ermöglichen. Weitere 406’000 Euro wurden auch an Kafa Kashour Bashir, seine Ehefrau, überwiesen.

Aus all diesen Gründen wurde Bashir Saleh Bashir auch der Geldwäsche für schuldig befunden.

Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen von Giannis Mavris

* Gotham CityExterner Link wurde von den investigativen Journalist:innen Marie Maurisse und François Pilet gegründet und ist ein Newsletter zum Thema Wirtschaftskriminalität. Es berichtet ihren Abonnenten jede Woche über Betrugsfälle, Korruption und Geldwäscherei im Zusammenhang mit dem Finanzplatz Schweiz, und zwar auf der Grundlage von Gerichtsdokumenten mit öffentlichem Zugang. Jeden Monat wählt Gotham City einen seiner Artikel aus, ergänzt diesen und bietet den Leser:innen von SWI swissinfo.ch freien Zugang.

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