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Eine grosse Schweizer Gemeinde in Israel

Verschneites Jerusalem. Keystone

Israel beherbergt die grösste Gemeinde von ausgewanderten Schweizern auf dem gesamten asiatischen Kontinent.

Eine Begegnung mit dem Basler Marcel Hess, Gastwirt in Jerusalem, und der Zürcherin Taly Bollag, Studentin.

Beinahe 12’000 Schweizerinnen und Schweizer sind im Konsulat von Tel Aviv eingeschrieben.

Israel steht damit, was die Anzahl dort ansässiger Schweizer Bürger anbelangt, an der Spitze aller Länder Asiens.

Weit dahinter liegt Thailand mit 4000 und an dritter Stelle befinden sich die Philippinen mit 2000 Personen.

Die Frage, ob die Affäre um die nachrichtenlosen Vermögen die Auswanderungsbewegung nach Israel verstärkt hatte, verneint Jean-Pierre Pauneyer, Schweizer Konsul in Tel Aviv und Kanzlei-Chef.

“Das Wachstum dieser Gemeinde ist seit 20 Jahren konstant. Ein Anstieg, der jährlich zwischen drei und fünf Prozent liegt”, unterstreicht Pauneyer. Die meisten dieser Schweizer haben sich in der Küstenebene niedergelassen, doch gibt es auch einige in Jerusalem und in Eilat, dem Badeort am Roten Meer.

Gastwirt in Jerusalem

Unter den bedeutenden Persönlichkeiten dieser Gemeinde von Ausgewanderten: Alfonso Nussbaumer, einer der Erbauer des Hafens von Eilat und Fremdenführer, Jeanine Bollag, Verantwortliche der Schweizer Clubs, oder Marcel Hess, ehemaliger Abgeordneter der Liberalen im kantonalen Parlament von Basel-Stadt, Vize-Präsident der Metzger des Kantons und heute Gastwirt in Jerusalem.

Marcel Hess ist eine beispielhafte Persönlichkeit geworden. Alles in seinem Restaurant vergegenwärtigt eine gewisse Lebenskunst. Als gläubiger Jude will Marcel Hess ein verbindendes Element zwischen seinem Geburtsland und seiner Wahlheimat sein. Er ist an Weihnachten 1998 nach Israel eingewandert.

“Ich habe das Bedürfnis gespürt, meine Wurzeln wiederzufinden”, sagt er. Hess erklärt die Einwanderung von so vielen Schweizern durch die Tatsache, dass “sich die Wirtschaft Israels positiv entwickelt und es hier auch eine wirkliche Lebensqualität gibt, trotz der Situation an den Grenzen”.

Eine Person von Rang in Basel

Warum hatte Marcel Hess, der in Basel eine Person von Rang war, seine Koffer gepackt, um sich mit Frau und Kindern in Israel niederzulassen?

“Zuerst grassierte am Ende der 90er-Jahre der Rinderwahnsinn und meine ganze Produktion war auf Rindfleisch aufgebaut, während es dieses Problem in Israel nicht gab”, sagt er.

“Der zweite Grund: die Erziehung der Kinder, die Möglichkeit für sie, an der Universität zu studieren und ihre Religion zu praktizieren.”

“Drittens wegen der Affäre um die nachrichtenlosen Vermögen, die mich in eine Position brachte, in der ich mich dauernd gegen alle möglichen Anschuldigungen verteidigen musste. Diese drei Gründe haben mich dazu bewogen, die Entscheidung zu fällen, meine Metzger-Tätigkeit in Israel weiterzuführen.”

Marcel Hess liegt daran, einen Punkt zu unterstreichen, den er als wichtig erachtet: “Meine Integration ist einfach gewesen, weil ich Schweizer war. Die Menschen sahen darin einen Beweis von Seriosität und Kompetenz. Das hat es mir erlaubt, hier eine kleine Insel mit Schweizer Gastronomie von hoher Qualität einzurichten.”

Empfindet er nicht trotz seines Erfolgs manchmal nostalgische Gefühle oder sogar den Wunsch, nach Basel zurückzukehren? Die Antwort: “Ich habe immer Heimweh nach der Schweiz.”

Doppelte Wurzeln

Taly Bollag, eine aus Zürich stammende Studentin, ist mit ihren Eltern im Alter von 14 Jahren nach Israel gekommen, vor über zehn Jahren.

Die Integration Bollags in die Gesellschaft ist wegen ihrer Jugend sehr schnell vor sich gegangen.

“Für die Israelis ist Schweizer-Sein etwas Besonderes. Am Anfang hatte ich einige Schwierigkeiten wegen der Sprache, aber jetzt fühle ich mich auch als Israelin.” Ist sie in Kontakt mit anderen jungen Schweizern? “Ich muss zugeben, dass ich fast keine Schweizer Freunde habe”, sagt sie.

“Die Schweizer Clubs organisieren zwar Zusammenkünfte, aber im Allgemeinen sind es Erwachsene oder ältere Personen, die dort hingegen. Es gibt im Moment keinen Schweizer Club für Junge. Dies ist eine Lücke, die man schliessen sollte”, erklärt sie und fügt lächelnd an: “Ich werde darüber mit meiner Mutter sprechen, welche die Schweizer Clubs in Israel leitet.”

Hat sie ein bisschen Heimweh? “Vor allem wenn es hier Spannungen gibt, fehlt mir die Schweiz wegen der Sicherheit und des friedlichen Lebens, das sie bietet. Und wenn ich in der Schweiz bin, fehlt mir Israel. Beide Länder, die Schweiz und Israel, sind nun ein Teil von mir und machen meine Persönlichkeit aus.”

swissinfo, Simon Leger, Jerusalem
(Übertragung aus dem Französischen: Roger Delle)

Israel ist ein Einwanderungsland.
Seit seiner Gründung 1948 hat sich die Bevölkerung versiebenfacht.
Das Land zählt zurzeit über sechs Millionen Einwohner.
Die Juden machen knapp 79,2 Prozent der Bevölkerung des Landes aus, die Nichtjuden, mehrheitlich israelische Araber, etwa 20,8 Prozent.
Das Land ist lang und schmal. Es misst an seiner längsten Stelle 470 Kilometer und an der breitesten 135 Kilometer.
Offizielle Sprachen sind Hebräisch und Arabisch.
Die offizielle israelische Hauptstadt ist Jerusalem. Dies wird jedoch von beinahe allen Staaten nicht anerkannt. Als rechtmässige Hauptstadt gilt international Tel Aviv.

– Israel: Etwa 12’000 Schweizer im Konsulat eingeschrieben

– Thailand: 4000

– Philippinen: 2000

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